Capone: Ein verstörendes Porträt vom Ende einer Legende
Josh Trank, der Regisseur von „Chronicle“ und „Fantastic Four“, präsentiert mit „Capone“ eine schonungslose und verstörende Vision des letzten Lebensjahres von Al Capone, einer der berüchtigtsten und einflussreichsten Gangster der amerikanischen Geschichte. Statt einer glorifizierenden Gangster-Erzählung, wie wir sie oft sehen, taucht „Capone“ tief in den körperlichen und geistigen Verfall eines Mannes ein, der einst die Stadt Chicago kontrollierte und nun von Syphilis gezeichnet, in einem abgeschiedenen Anwesen in Florida dahinvegetiert.
Die Geschichte: Verfall und Paranoia
Der Film spielt im Jahr 1946. Al Capone, einst gefürchteter Boss des Chicago Outfit, ist ein Schatten seiner selbst. Nach jahrelanger Haftstrafe wegen Steuerhinterziehung und den unerbittlichen Auswirkungen der Syphilis, leidet er unter schwerer Demenz und ist kaum noch in der Lage, einen klaren Gedanken zu fassen. Seine Tage verbringt er mit unkontrollierten Wutausbrüchen, kindischen Fantasien und dem hilflosen Kampf gegen die Krankheit, die seinen Körper und seinen Geist langsam zerstört.
Umgeben von seiner treuen Ehefrau Mae, seinem Arzt Dr. Karlock und einem Team von FBI-Agenten, die ihn rund um die Uhr überwachen, lebt Capone in einem goldenen Käfig. Gerüchte besagen, dass er Millionen von Dollar versteckt hat, bevor er ins Gefängnis ging. Das FBI hofft, dass er im Delirium Hinweise auf das Versteck verraten könnte. Doch Capone ist ein unberechenbarer Gefangener seiner eigenen Vergangenheit, geplagt von Visionen seiner Verbrechen und der Geister seiner Opfer.
Der Film verzichtet weitgehend auf eine chronologische Erzählung und konzentriert sich stattdessen auf das fragmentierte Bewusstsein Capones. Wir erleben seine Realität durch seine Augen, eine Welt aus Erinnerungen, Wahnvorstellungen und der brutalen Gegenwart seines körperlichen Verfalls. Diese fragmentierte Erzählweise verstärkt das Gefühl von Desorientierung und Verwirrung, das Capone selbst erlebt.
Tom Hardy: Eine Tour de Force Performance
Tom Hardy liefert in „Capone“ eine der beeindruckendsten und mutigsten Leistungen seiner Karriere ab. Unter dicken Make-up-Schichten und Prothesen verbirgt sich ein Schauspieler, der tief in die Psyche eines gebrochenen Mannes eintaucht. Hardy verkörpert Capones körperlichen Verfall mit erschreckender Präzision. Seine Bewegungen sind schwerfällig, sein Gesichtsausdruck oft leer und verwirrt, und seine Sprache ist undeutlich und fragmentiert.
Doch Hardy zeigt auch die wenigen Momente der Klarheit, in denen Capone für einen kurzen Augenblick zu sich selbst zu finden scheint. In diesen Momenten blitzt die Intelligenz und die Berechnung auf, die ihn einst zu einem so mächtigen Mann machten. Hardy vermeidet es, Capone zu dämonisieren oder zu verherrlichen. Stattdessen porträtiert er ihn als einen zutiefst menschlichen Mann, der am Ende seines Lebens mit den Konsequenzen seiner Taten konfrontiert wird.
Hardys Darstellung ist nicht einfach zu konsumieren. Sie ist unbequem, abstoßend und oft schmerzhaft anzusehen. Aber sie ist auch zutiefst fesselnd und unvergesslich. Es ist eine Performance, die im Gedächtnis bleibt, lange nachdem der Abspann gelaufen ist.
Die Inszenierung: Ein Albtraum in Florida
Josh Trank schafft mit „Capone“ eine beklemmende und klaustrophobische Atmosphäre. Das abgeschiedene Anwesen in Florida wird zu einem symbolischen Gefängnis, in dem Capone sowohl körperlich als auch geistig gefangen ist. Die sonnendurchfluteten Außenaufnahmen stehen in starkem Kontrast zu den dunklen und unheimlichen Innenräumen, die Capones inneren Zustand widerspiegeln.
Die Kameraarbeit ist oft unruhig und instabil, was das Gefühl von Desorientierung und Paranoia verstärkt. Trank verwendet eine Vielzahl von visuellen Effekten und surrealen Bildern, um Capones Wahnvorstellungen und Erinnerungen darzustellen. Diese Effekte sind subtil und wirkungsvoll eingesetzt und tragen dazu bei, die verstörende und halluzinatorische Qualität des Films zu verstärken.
Der Soundtrack von El-P ist düster und verstörend und unterstreicht die beklemmende Atmosphäre des Films. Die Musik ist oft dissonant und unangenehm und spiegelt Capones inneren Aufruhr wider. Sie trägt maßgeblich dazu bei, die emotionale Wirkung des Films zu verstärken.
Die Nebenfiguren: Zwischen Loyalität und Überwachung
Neben Tom Hardys herausragender Leistung überzeugen auch die Nebendarsteller. Linda Cardellini spielt Mae Capone, Al Capones treue Ehefrau, die trotz seiner Krankheit und seiner Verbrechen zu ihm hält. Cardellini verkörpert Maes Stärke und Resilienz mit großer Sensibilität und verleiht ihrer Figur eine tiefe Menschlichkeit.
Kyle MacLachlan spielt Dr. Karlock, Capones Arzt, der versucht, ihm Linderung zu verschaffen, aber letztendlich machtlos ist angesichts der unaufhaltsamen Krankheit. MacLachlan verkörpert die Mischung aus Mitgefühl und Frustration, die Karlock empfindet, und verleiht seiner Figur eine subtile Komplexität.
Matt Dillon spielt Crawford, den FBI-Agenten, der Capone überwacht und versucht, Informationen über sein verstecktes Vermögen zu erhalten. Dillon verkörpert Crawfords Hartnäckigkeit und Skrupellosigkeit, aber er zeigt auch die moralischen Konflikte, die er angesichts von Capones Verfall erlebt.
Kritik und Kontroverse
„Capone“ ist ein Film, der polarisiert. Viele Kritiker lobten Tom Hardys Leistung und Josh Tranks mutige und unkonventionelle Inszenierung. Andere kritisierten den Film für seine Langsamkeit, seine Düsternis und seine explizite Darstellung von Capones körperlichem Verfall.
Einige Zuschauer empfanden den Film als abstoßend und unangenehm anzusehen, während andere ihn als ein faszinierendes und verstörendes Porträt eines Mannes am Rande des Todes betrachteten. Unabhängig von der persönlichen Meinung ist „Capone“ ein Film, der im Gedächtnis bleibt und zum Nachdenken anregt.
Die Themen: Schuld, Sühne und die Vergänglichkeit des Ruhms
„Capone“ ist mehr als nur ein Biopic über einen berüchtigten Gangster. Der Film wirft tiefgreifende Fragen nach Schuld, Sühne und der Vergänglichkeit des Ruhms auf. Capone wird am Ende seines Lebens mit den Konsequenzen seiner Taten konfrontiert. Er ist geplagt von Visionen seiner Opfer und von dem Wissen, dass er sein Leben mit Gewalt und Verbrechen verschwendet hat.
Der Film stellt die Frage, ob Capone für seine Verbrechen büßen kann. Kann ein Mann, der so viel Leid verursacht hat, jemals Erlösung finden? „Capone“ gibt keine einfachen Antworten, sondern lässt den Zuschauer mit diesen Fragen allein.
Darüber hinaus thematisiert der Film die Vergänglichkeit des Ruhms. Capone war einst ein mächtiger und gefürchteter Mann, aber am Ende seines Lebens ist er nur noch ein Schatten seiner selbst. Seine Macht und sein Reichtum sind bedeutungslos geworden, und er ist gefangen in seinem eigenen Körper und Geist.
Fazit: Ein mutiger und verstörender Film
„Capone“ ist ein mutiger und verstörender Film, der sich nicht scheut, die dunklen Seiten der menschlichen Natur zu erforschen. Es ist kein Film für jedermann, aber er ist ein Muss für alle, die sich für Gangsterfilme interessieren und eine unkonventionelle und anspruchsvolle Filmerfahrung suchen.
Tom Hardys herausragende Leistung, Josh Tranks düstere Inszenierung und die tiefgründigen Themen machen „Capone“ zu einem unvergesslichen Filmerlebnis. Es ist ein Film, der noch lange nachwirkt und zum Nachdenken anregt über Schuld, Sühne und die Vergänglichkeit des Ruhms.
Besetzung (Auswahl)
Schauspieler | Rolle |
---|---|
Tom Hardy | Al Capone |
Linda Cardellini | Mae Capone |
Kyle MacLachlan | Dr. Karlock |
Matt Dillon | Crawford |
Technische Daten
- Regie: Josh Trank
- Drehbuch: Josh Trank
- Musik: El-P
- Laufzeit: 103 Minuten
- Erscheinungsjahr: 2020