Death Wish: Ein Mann am Rande des Abgrunds – Rache als Katharsis?
„Death Wish“ – ein Titel, der bereits eine düstere Vorahnung weckt. Der Film, in seinen verschiedenen Inkarnationen, hat seit seinem ersten Erscheinen im Jahr 1974 immer wieder polarisiert. Er ist mehr als nur ein Actionfilm; er ist eine Auseinandersetzung mit Recht und Ordnung, mit Selbstjustiz und der Frage, was ein Mensch zu tun bereit ist, wenn ihm alles genommen wird. Wir tauchen ein in die Geschichte eines Mannes, der vom friedliebenden Bürger zum Rächer in den Straßen einer von Kriminalität gezeichneten Stadt mutiert.
Die friedliche Fassade zerbricht: Der Beginn eines Alptraums
Wir lernen Paul Kersey kennen, einen Architekten, der ein scheinbar perfektes Leben in New York City führt. Er ist erfolgreich, liebt seine Frau Joanna und seine Tochter Carol. Doch diese Idylle wird brutal zerstört, als Einbrecher in sein Apartment eindringen. Joanna wird ermordet, Carol schwer verletzt und traumatisiert. Die Polizei ist überfordert, die Täter bleiben unbekannt. Paul ist am Boden zerstört, gefangen in einem Strudel aus Trauer, Wut und Ohnmacht.
Der Schmerz über den Verlust und die Ohnmacht angesichts der Untätigkeit des Gesetzes beginnen an Paul zu nagen. Er fühlt sich hilflos in einer Stadt, die von Gewalt beherrscht wird. Die Polizei, obwohl bemüht, scheint machtlos gegenüber der grassierenden Kriminalität. Das Vertrauen in den Rechtsstaat schwindet, und in Paul wächst ein unstillbarer Durst nach Gerechtigkeit – einer Gerechtigkeit, die er in den Augen des Gesetzes nicht finden kann.
Vom Architekten zum Vigilanten: Der Weg der Selbstjustiz
Ein beruflicher Auftrag führt Paul nach Arizona, wo er mit Waffen in Berührung kommt und lernt, sich zu verteidigen. Zurück in New York beginnt er, nachts durch die Straßen zu streifen. Zunächst ist es vielleicht nur eine Art Selbsttherapie, ein Versuch, die eigene Angst zu überwinden. Doch schon bald gerät er in Situationen, in denen er Zeuge von Verbrechen wird – und er greift ein.
Anfangs agiert Paul eher ungeschickt, fast schon naiv. Aber mit jedem Mal, mit jedem Verbrecher, den er zur Strecke bringt, wird er skrupelloser, effizienter. Er entwickelt eine Art zweite Persönlichkeit, einen kalten, berechnenden Rächer. Die Grenzen zwischen Selbstverteidigung und Selbstjustiz verschwimmen. Die Stadt, die ihn im Stich gelassen hat, wird nun zu seinem Schlachtfeld.
Seine Taten bleiben nicht unbemerkt. Die Medien berichten über den mysteriösen Vigilanten, der die Straßen von New York säubert. Einige sehen in ihm einen Helden, einen Retter in der Not. Andere verurteilen ihn als Mörder, als Gefahr für die öffentliche Sicherheit. Die Polizei steht vor einem Dilemma: Sie will den Vigilanten stoppen, aber gleichzeitig profitiert sie von seiner Arbeit. Die Kriminalitätsrate sinkt, die Bürger fühlen sich sicherer – zumindest einige.
Die Spirale der Gewalt: Ein Teufelskreis ohne Ausweg?
Je länger Paul seinen Rachefeldzug fortsetzt, desto mehr verliert er sich in der Gewalt. Er wird süchtig nach dem Adrenalin, nach dem Gefühl der Macht. Die Grenzen seines Handelns verschwimmen. Er tötet nicht mehr nur aus Notwehr, sondern aus Wut, aus Frustration, aus einer tief sitzenden Verzweiflung. Er wird zu dem, was er eigentlich bekämpfen wollte: einem Verbrecher.
Die Spirale der Gewalt zieht ihn immer tiefer in den Abgrund. Er isoliert sich von seinen Freunden, von seiner Familie. Seine Tochter Carol, die noch immer traumatisiert ist, erkennt ihren Vater kaum wieder. Er hat sich verändert, ist zu einem Schatten seiner selbst geworden. Der einst liebevolle Ehemann und Vater ist nun ein Getriebener, ein Mann, der von Rache besessen ist.
Die Frage nach Gerechtigkeit: Ein moralisches Dilemma
„Death Wish“ wirft unbequeme Fragen auf: Was ist Gerechtigkeit? Darf man das Gesetz in die eigenen Hände nehmen? Wo verläuft die Grenze zwischen Selbstverteidigung und Selbstjustiz? Der Film liefert keine einfachen Antworten, sondern zwingt den Zuschauer, sich mit diesen Fragen auseinanderzusetzen.
Paul Kersey ist keine strahlende Heldengestalt. Er ist ein gebrochener Mann, der in seiner Verzweiflung einen falschen Weg einschlägt. Seine Taten sind moralisch verwerflich, aber dennoch kann man seine Motivation nachvollziehen. Er ist ein Produkt seiner Umstände, ein Opfer einer Gesellschaft, die ihn im Stich gelassen hat.
Der Film zeigt die verheerenden Folgen von Gewalt und die Notwendigkeit eines funktionierenden Rechtssystems. Er ist eine Warnung vor den Gefahren der Selbstjustiz und der Spirale der Gewalt. Aber er ist auch ein Spiegelbild einer Gesellschaft, die sich nach Sicherheit und Ordnung sehnt, auch wenn diese auf Kosten der Freiheit und der Moral geht.
Die verschiedenen Inkarnationen von „Death Wish“: Ein Vergleich
Der Originalfilm von 1974 mit Charles Bronson in der Hauptrolle gilt als Klassiker des Rachethrillers. Er ist düster, brutal und moralisch ambivalent. Die nachfolgenden Fortsetzungen fielen qualitativ ab und drifteten immer mehr ins Action-Genre ab. Das Remake von 2018 mit Bruce Willis in der Hauptrolle versuchte, die Thematik zu modernisieren, konnte aber nicht an den Erfolg des Originals anknüpfen.
Film | Hauptdarsteller | Regisseur | Erscheinungsjahr |
---|---|---|---|
Death Wish | Charles Bronson | Michael Winner | 1974 |
Death Wish II | Charles Bronson | Michael Winner | 1982 |
Death Wish 3 | Charles Bronson | Michael Winner | 1985 |
Death Wish 4: Crackdown | Charles Bronson | J. Lee Thompson | 1987 |
Death Wish V: The Face of Death | Charles Bronson | Allan A. Goldstein | 1994 |
Death Wish (Remake) | Bruce Willis | Eli Roth | 2018 |
Jede Inkarnation des Films interpretiert die Thematik der Selbstjustiz auf ihre eigene Weise. Während das Original eine tiefere Auseinandersetzung mit den moralischen Implikationen bietet, konzentrieren sich die Fortsetzungen eher auf Action und Gewalt. Das Remake versucht, die Geschichte in die heutige Zeit zu übertragen, verliert aber dabei an Tiefe und Glaubwürdigkeit.
Die Kontroverse um „Death Wish“: Ein Spiegel der Gesellschaft
„Death Wish“ war und ist ein umstrittener Film. Er wurde für seine Gewaltverherrlichung, seine simplifizierende Darstellung von Kriminalität und seine Befürwortung der Selbstjustiz kritisiert. Gleichzeitig wurde er aber auch für seine realistische Darstellung der Ängste und Frustrationen der Bürger gelobt.
Der Film spiegelt die gesellschaftlichen Ängste vor Kriminalität und den Wunsch nach Sicherheit wider. Er thematisiert die Ohnmacht des Einzelnen gegenüber der Gewalt und die Sehnsucht nach einer einfachen Lösung. Die Kontroverse um „Death Wish“ zeigt, dass der Film einen Nerv getroffen hat und bis heute relevant ist.
Fazit: Ein Film, der zum Nachdenken anregt
„Death Wish“ ist mehr als nur ein Actionfilm. Er ist ein düsteres Psychogramm eines Mannes am Rande des Abgrunds, ein Spiegelbild einer Gesellschaft, die von Angst und Gewalt gezeichnet ist, und eine Auseinandersetzung mit den unbequemen Fragen nach Recht, Ordnung und Selbstjustiz. Der Film mag polarisieren, aber er regt zum Nachdenken an und zwingt uns, uns mit unseren eigenen moralischen Vorstellungen auseinanderzusetzen.
Ob man Paul Kerseys Taten verurteilt oder nachvollziehen kann, bleibt jedem Zuschauer selbst überlassen. Aber eines ist sicher: „Death Wish“ ist ein Film, der noch lange nach dem Abspann im Gedächtnis bleibt.
Weiterführende Gedanken und Interpretationen
Über die reine Rachegeschichte hinaus, kann „Death Wish“ auch als eine Metapher für den Verlust der Unschuld und die Radikalisierung des Individuums interpretiert werden. Paul Kersey repräsentiert den bürgerlichen Durchschnittsmann, der durch ein traumatisches Ereignis aus seiner Komfortzone gerissen wird und eine drastische Wandlung durchmacht. Seine Transformation vom Architekten zum Vigilanten ist ein Sinnbild für den Verlust des Vertrauens in die Gesellschaft und die Hinwendung zu extremen Maßnahmen.
Darüber hinaus thematisiert der Film die Rolle der Medien und deren Einfluss auf die öffentliche Meinung. Die Berichterstattung über den Vigilanten in New York trägt dazu bei, dass sich die Stimmung in der Bevölkerung wandelt und einige Bürger ihn als Helden feiern. Dies verdeutlicht, wie leicht die öffentliche Meinung manipuliert werden kann und wie schnell ein Individuum zum Symbol für eine ganze Bewegung werden kann.
„Death Wish“ ist auch eine Kritik an der Entfremdung und Anonymität des Lebens in der Großstadt. Paul Kersey fühlt sich in New York isoliert und hilflos. Die Kriminalität und Gewalt in der Stadt verstärken dieses Gefühl der Ohnmacht. Der Film zeigt, wie die Anonymität der Großstadt dazu beitragen kann, dass sich Menschen von ihrer Umgebung entfremden und zu extremen Maßnahmen greifen, um ihre Sicherheit zu gewährleisten.
In einer Welt, in der das Vertrauen in staatliche Institutionen schwindet und die Kriminalität zunimmt, bleibt die Frage nach Selbstjustiz und dem Recht auf Selbstverteidigung hochaktuell. „Death Wish“ bietet keine einfachen Antworten, sondern fordert den Zuschauer heraus, sich mit diesen komplexen Fragen auseinanderzusetzen und seine eigenen moralischen Grenzen zu hinterfragen.