Der Kontrakt des Zeichners (The Draughtsman’s Contract) – Eine Reise in die Welt der Intrigen und visuellen Raffinesse
Peter Greenaways „Der Kontrakt des Zeichners“, ein Meisterwerk aus dem Jahr 1982, ist weit mehr als nur ein Film; es ist ein intellektuelles Vergnügen, eine visuelle Symphonie und eine faszinierende Dekonstruktion von Macht, Begierde und künstlerischer Integrität. Dieser außergewöhnliche Film, angesiedelt im England des Jahres 1694, entführt uns in eine Welt barocker Pracht, in der jede Geste, jedes Wort und jedes Bild eine tiefere Bedeutungsebene birgt.
Die Handlung – Ein Spiel mit der Realität und der Kunst
Der Film dreht sich um den ehrgeizigen und selbstgefälligen Zeichner Neville, der von Mrs. Herbert, der Frau eines wohlhabenden Landbesitzers, engagiert wird, zwölf Zeichnungen ihres Anwesens zu erstellen. Der Vertrag, den die beiden abschließen, ist jedoch alles andere als gewöhnlich. Mrs. Herbert bietet Neville nicht nur eine großzügige Bezahlung, sondern auch sexuelle Gefälligkeiten an. Neville, geblendet von seinem Ehrgeiz und seiner Eitelkeit, willigt ein, ohne die dunklen Strömungen zu ahnen, die unter der Oberfläche dieser scheinbar harmlosen Vereinbarung brodeln.
Während Neville seine Arbeit verrichtet, entdeckt er seltsame Objekte und Unstimmigkeiten in der Landschaft, die er in seinen Zeichnungen festhält. Diese Details, die zunächst unbedeutend erscheinen, entpuppen sich bald als entscheidende Hinweise in einem komplexen Netz aus Intrigen, Erpressung und Mord. Neville gerät unversehens in ein gefährliches Spiel, in dem er zum unwissentlichen Werkzeug einer Verschwörung wird, die weit über seine Vorstellungskraft hinausgeht.
Der Film entwickelt sich zu einem raffinierten Puzzle, in dem die Grenzen zwischen Realität und Illusion, Kunst und Wirklichkeit verschwimmen. Die Zeichnungen, die Neville anfertigt, werden zu Spiegelbildern einer verborgenen Wahrheit, die es zu entschlüsseln gilt. Doch je tiefer er in die Geheimnisse des Anwesens eindringt, desto mehr verliert er die Kontrolle über die Situation und wird selbst zum Gejagten.
Visuelle Pracht und symbolische Tiefe
Peter Greenaway inszeniert „Der Kontrakt des Zeichners“ mit einer atemberaubenden visuellen Opulenz. Jede Einstellung ist wie ein Gemälde, sorgfältig komponiert und voller symbolischer Details. Die barocke Architektur des Anwesens, die üppigen Gärten und die eleganten Kostüme bilden eine faszinierende Kulisse für das intrigante Geschehen. Die Farbpalette des Films ist reichhaltig und nuanciert, wobei dunkle und helle Töne gekonnt eingesetzt werden, um die Stimmung und die verborgenen Spannungen zu unterstreichen.
Greenaway bedient sich einer Vielzahl von visuellen Metaphern und Symbolen, die den Film zu einem intellektuellen Rätsel machen. Die geometrischen Formen der Gärten, die Spiegelungen im Wasser und die versteckten Objekte in den Zeichnungen sind allesamt Hinweise, die es zu deuten gilt. Der Film fordert den Zuschauer heraus, aktiv am Dekodierungsprozess teilzunehmen und die verborgenen Bedeutungen hinter den Bildern zu entdecken.
Die Charaktere – Marionetten im Spiel der Macht
Die Charaktere in „Der Kontrakt des Zeichners“ sind komplexe und ambivalente Figuren, die von ihren eigenen Begierden und Ambitionen getrieben werden. Neville, der selbstgefällige Zeichner, ist ein Paradebeispiel für künstlerische Arroganz und Naivität. Er ist so von seinem eigenen Talent überzeugt, dass er die Gefahren, die ihn umgeben, nicht erkennt. Mrs. Herbert, die geheimnisvolle Auftraggeberin, ist eine Femme fatale, die ihre Reize und ihren Intellekt einsetzt, um ihre Ziele zu erreichen. Sie ist eine Meisterin der Manipulation und zieht im Hintergrund die Fäden.
Auch die anderen Bewohner des Anwesens sind in das intrigante Spiel verwickelt. Mr. Herbert, der betrogene Ehemann, ist ein gebrochener Mann, der nach Rache sinnt. Die Tochter des Hauses, Sarah, ist eine intelligente und unabhängige Frau, die ihre eigene Rolle in dem Komplott spielt. Und der Gärtner, der ein stiller Beobachter der Ereignisse ist, scheint mehr zu wissen, als er zugibt.
Die Beziehungen zwischen den Charakteren sind von Misstrauen, Eifersucht und Machtkämpfen geprägt. Jeder versucht, den anderen zu übervorteilen und seine eigenen Interessen durchzusetzen. In diesem komplexen Netz aus Intrigen wird der Zuschauer Zeuge eines gnadenlosen Spiels, in dem es keine Gewinner gibt.
Themen und Interpretationen – Eine Dekonstruktion der Gesellschaft
„Der Kontrakt des Zeichners“ ist ein Film, der eine Vielzahl von Interpretationen zulässt. Er kann als eine satirische Dekonstruktion der englischen Gesellschaft des 17. Jahrhunderts gelesen werden, in der Standesdünkel, Doppelmoral und Machtmissbrauch an der Tagesordnung waren. Der Film enthüllt die dunklen Seiten der Aristokratie und zeigt, wie die Reichen und Mächtigen ihre Privilegien missbrauchen, um ihre eigenen Ziele zu erreichen.
Darüber hinaus ist der Film eine Auseinandersetzung mit dem Wesen der Kunst und der Rolle des Künstlers in der Gesellschaft. Neville, der Zeichner, ist ein Symbol für den selbsternannten Künstler, der sich über die moralischen Grenzen hinwegsetzt, um seine eigenen künstlerischen Ambitionen zu verwirklichen. Der Film stellt die Frage, ob Kunst über Moral stehen darf und ob der Künstler für die Konsequenzen seiner Handlungen verantwortlich ist.
Ein weiteres zentrales Thema des Films ist die Frage nach der Wahrheit und der Wahrnehmung. Die Zeichnungen, die Neville anfertigt, sind nicht nur Abbildungen der Realität, sondern auch Interpretationen. Sie sind subjektive Darstellungen der Welt, die von den Vorurteilen und der Perspektive des Künstlers geprägt sind. Der Film zeigt, wie leicht die Wahrheit verzerrt und manipuliert werden kann und wie wichtig es ist, die Dinge kritisch zu hinterfragen.
Die Musik – Ein Spiegel der inneren Welt
Die Musik von Michael Nyman, die speziell für „Der Kontrakt des Zeichners“ komponiert wurde, ist ein integraler Bestandteil des Films. Sie untermalt die Handlung nicht nur, sondern verstärkt auch die Emotionen und die subtilen Nuancen der Geschichte. Nymans minimalistischer Stil, der von barocken Kompositionen inspiriert ist, erzeugt eine Atmosphäre der Spannung und des Geheimnisvollen. Die Musik ist ein Spiegel der inneren Welt der Charaktere und verleiht dem Film eine zusätzliche Ebene der Tiefe.
Die wiederkehrenden musikalischen Motive, die sich im Laufe des Films entwickeln, sind wie ein roter Faden, der die verschiedenen Handlungselemente miteinander verbindet. Sie verstärken die symbolische Bedeutung der Bilder und tragen dazu bei, die komplexen Beziehungen zwischen den Charakteren zu verdeutlichen.
Fazit – Ein Meisterwerk, das zum Nachdenken anregt
„Der Kontrakt des Zeichners“ ist ein Film, der noch lange nach dem Abspann im Gedächtnis bleibt. Er ist ein intellektuelles Vergnügen, eine visuelle Symphonie und eine faszinierende Dekonstruktion von Macht, Begierde und künstlerischer Integrität. Peter Greenaway hat mit diesem Film ein Meisterwerk geschaffen, das zum Nachdenken anregt und den Zuschauer dazu auffordert, die Welt um ihn herum kritisch zu hinterfragen.
Der Film ist nicht leicht zugänglich und erfordert vom Zuschauer ein gewisses Maß an Aufmerksamkeit und Konzentration. Doch wer sich auf die komplexe Handlung und die symbolische Bildsprache einlässt, wird mit einem außergewöhnlichen Kinoerlebnis belohnt. „Der Kontrakt des Zeichners“ ist ein Film, den man immer wieder sehen kann und bei dem man jedes Mal neue Details und verborgene Bedeutungen entdeckt.
Einige denkwürdige Zitate aus dem Film
- „Ich zeichne nur, was ich sehe.“ – Neville
- „Ein Vertrag ist ein Vertrag.“ – Mrs. Herbert
- „Die Wahrheit ist oft trügerisch.“ – Mr. Herbert
Besetzung
Schauspieler | Rolle |
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Anthony Higgins | Neville |
Janet Suzman | Mrs. Herbert |
Anne-Louise Lambert | Sarah |
Hugh Fraser | Mr. Herbert |