Der Untertan – DEFA/HD Remastered: Eine zeitlose Satire über Macht und Opportunismus
Heinrich Manns Roman „Der Untertan“, 1918 geschrieben, ist ein Meisterwerk der deutschen Literatur, das die wilhelminische Gesellschaft auf satirische Weise entlarvt. Die DEFA-Verfilmung aus dem Jahr 1951, nun in HD Remastered verfügbar, fängt den bissigen Humor und die erschreckende Aktualität der Vorlage auf beeindruckende Weise ein. „Der Untertan“ ist weit mehr als nur ein Historienfilm; er ist eine zeitlose Parabel über Autoritätsgläubigkeit, Opportunismus und die Gefahren blinden Gehorsams.
Die Geschichte eines Duckmäusers: Diederich Heßling
Im Zentrum der Handlung steht Diederich Heßling, ein Mann, dessen Charakter von klein auf durch Angst, Unterwürfigkeit und dem unbedingten Willen zur Anpassung geprägt ist. Schon als Kind sucht er Schutz bei den Stärkeren und lernt, sich durch Denunziation und Einschmeichelei Vorteile zu verschaffen. Diese Verhaltensmuster ziehen sich wie ein roter Faden durch sein Leben.
Nach dem Studium, das er mit Ach und Krach abschließt, übernimmt Diederich die väterliche Papierfabrik in Netzig. Hier, in der vermeintlichen Sicherheit des Kleinbürgertums, entfaltet er sein wahres Potenzial als „Untertan“. Er huldigt bedingungslos dem Kaiser, denunziert Andersdenkende, unterdrückt seine Arbeiter und profitiert skrupellos von den gesellschaftlichen Verhältnissen. Seine Ehe ist eine Farce, seine Freundschaften sind rein zweckorientiert. Diederich ist ein Opportunist par excellence, der seine Prinzipien dem Machterhalt unterordnet.
Die HD Remastered Version des Films erlaubt es dem Zuschauer, die subtilen Nuancen in der Darstellung des Diederich Heßling durch Werner Peters noch intensiver zu erleben. Peters verkörpert die Mischung aus Ängstlichkeit und Aggressivität, aus servilem Gehorsam und skrupelloser Machtausübung auf meisterhafte Weise. Seine Interpretation macht Diederich Heßling zu einer unvergesslichen, wenn auch abstoßenden, Figur der deutschen Filmgeschichte.
Gesellschaftskritik mit spitzer Feder: Die wilhelminische Ära
„Der Untertan“ ist nicht nur die Geschichte eines einzelnen Mannes, sondern auch eine messerscharfe Analyse der wilhelminischen Gesellschaft. Der Film zeichnet ein erschreckendes Bild einer Welt, in der Militarismus, Nationalismus und blinder Glaube an die Autorität allgegenwärtig sind. Die Bürger Netzig, repräsentativ für die deutsche Bevölkerung jener Zeit, sind gefangen in einem Netz aus Konventionen, Vorurteilen und Ängsten. Sie sind bereit, ihre eigene Meinung und ihre eigenen Interessen zu opfern, um sich der herrschenden Ideologie anzupassen.
Die DEFA-Verfilmung scheut sich nicht, die negativen Seiten dieser Ära schonungslos darzustellen. Die Korruption, die soziale Ungleichheit und die politische Repression werden offen angeprangert. Der Film zeigt, wie der Militarismus die Gesellschaft durchdringt und wie der Nationalismus dazu missbraucht wird, Andersdenkende zu unterdrücken und Kriege zu rechtfertigen.
Die HD Remastered Version bringt die visuellen Details der Ausstattung und der Kostüme besonders gut zur Geltung. Sie erlaubt es dem Zuschauer, tiefer in die Welt des wilhelminischen Deutschlands einzutauchen und die Atmosphäre von Enge, Repression und militaristischer Aufbruchsstimmung hautnah zu erleben.
Humor als Waffe: Die satirische Kraft des Films
Trotz der ernsten Thematik ist „Der Untertan“ ein zutiefst humorvoller Film. Die Satire ist die schärfste Waffe, mit der Heinrich Mann und die DEFA-Regisseure Wolfgang Staudte und Wolfgang Schleif die wilhelminische Gesellschaft attackieren. Der Film ist voll von grotesken Szenen, überzeichneten Charakteren und bissigen Dialogen, die den Zuschauer zum Lachen bringen – und gleichzeitig zum Nachdenken anregen.
Diederich Heßlings ungeschickte Versuche, sich in Szene zu setzen, seine lächerlichen Reden und seine peinlichen Fehltritte sind ebenso komisch wie entlarvend. Der Film zeigt, wie sich der „Untertan“ selbst demontiert und wie seine Bemühungen, sich anzupassen, ins Absurde führen.
Die HD Remastered Version verstärkt die komische Wirkung des Films, indem sie die mimischen Feinheiten der Schauspieler und die ironischen Details der Inszenierung hervorhebt. Der Zuschauer kann die subtilen Pointen und die versteckten Anspielungen noch besser erkennen und die satirische Kraft des Films in vollem Umfang genießen.
Die DEFA-Verfilmung: Eine gelungene Adaption
Die DEFA-Verfilmung von „Der Untertan“ ist eine Meisterleistung der Filmkunst. Die Regisseure Wolfgang Staudte und Wolfgang Schleif haben es geschafft, die komplexe Romanvorlage auf brillante Weise in ein visuelles Medium zu übertragen. Der Film ist nicht nur eine getreue Adaption des Romans, sondern auch eine eigenständige künstlerische Interpretation.
Die Regisseure haben die satirische Grundhaltung des Romans beibehalten und gleichzeitig die psychologischen Feinheiten der Charaktere herausgearbeitet. Sie haben die wilhelminische Gesellschaft mit großer Detailtreue und kritischer Distanz dargestellt. Die Kameraarbeit, die Musik und das Szenenbild tragen dazu bei, eine authentische und eindringliche Atmosphäre zu schaffen.
Die HD Remastered Version ermöglicht es dem Zuschauer, die künstlerische Qualität der DEFA-Verfilmung in vollem Umfang zu würdigen. Die Farben sind lebendiger, die Kontraste sind schärfer und die Details sind klarer. Der Film wirkt dadurch frischer und zeitgemäßer, ohne seinen historischen Charme zu verlieren.
Die Schauspieler: Ein Ensemble der Extraklasse
Neben der gelungenen Regie und der präzisen Inszenierung ist es vor allem das herausragende Ensemble, das „Der Untertan“ zu einem unvergesslichen Filmerlebnis macht. Werner Peters brilliert in der Rolle des Diederich Heßling. Er verkörpert die Ambivalenz des „Untertan“ auf beeindruckende Weise und macht ihn zu einer ebenso abstoßenden wie faszinierenden Figur.
Auch die Nebenrollen sind mit hervorragenden Schauspielern besetzt. Sabine Thalbach überzeugt als Agnes Göppel, die emanzipierte und selbstbewusste Frau, die sich Diederichs Unterdrückungsversuchen widersetzt. Eduard von Winterstein verkörpert den alten Heßling, den autoritären Vater, der seinen Sohn zu dem „Untertan“ erzieht, der er später wird. Raimund Schelcher spielt den Fabrikanten Gausen, der Diederichs Opportunismus durchschaut und ihn offen verachtet.
Die HD Remastered Version bringt die schauspielerischen Leistungen noch besser zur Geltung. Der Zuschauer kann die Mimik, die Gestik und die Körpersprache der Schauspieler genauer beobachten und die subtilen Nuancen ihrer Interpretation erfassen.
Die Musik: Ein Spiegel der Zeit
Die Filmmusik von Wolfgang Zeller ist ein integraler Bestandteil von „Der Untertan“. Sie unterstützt die Handlung, verstärkt die emotionale Wirkung und trägt zur satirischen Grundhaltung des Films bei. Die Musik bedient sich verschiedener Stilrichtungen, von pompösen Militärmärschen bis hin zu zarten Melodien, die die inneren Konflikte der Charaktere widerspiegeln.
Die HD Remastered Version verbessert die Klangqualität der Filmmusik deutlich. Die Instrumente klingen klarer, die Dynamik ist größer und die räumliche Tiefe ist beeindruckender. Der Zuschauer kann die Musik in ihrer ganzen Pracht genießen und ihre Wirkung auf sich wirken lassen.
Die Restaurierung: Ein Geschenk an die Filmgeschichte
Die HD Remastered Version von „Der Untertan“ ist das Ergebnis einer aufwendigen und sorgfältigen Restaurierung. Das Filmmaterial wurde digitalisiert, gereinigt und farblich korrigiert. Beschädigungen und Kratzer wurden retuschiert, und die Bildschärfe wurde verbessert. Das Ergebnis ist ein Film, der aussieht, als wäre er gestern gedreht worden.
Die Restaurierung ist ein Geschenk an die Filmgeschichte. Sie ermöglicht es dem Publikum von heute, ein Meisterwerk des deutschen Films in bestmöglicher Qualität zu erleben. Sie trägt dazu bei, dass „Der Untertan“ auch in Zukunft seine Wirkung entfalten und neue Generationen von Zuschauern begeistern kann.
Fazit: Ein Muss für jeden Filmliebhaber
„Der Untertan – DEFA/HD Remastered“ ist ein zeitloser Klassiker, der auch nach über 70 Jahren nichts von seiner Aktualität und Brisanz verloren hat. Der Film ist eine bissige Satire über Macht und Opportunismus, eine messerscharfe Analyse der wilhelminischen Gesellschaft und ein Plädoyer für Zivilcourage und Widerstand.
Die HD Remastered Version macht den Film zu einem noch intensiveren und beeindruckenderen Erlebnis. Die verbesserte Bild- und Tonqualität, die brillanten schauspielerischen Leistungen und die gelungene Inszenierung machen „Der Untertan“ zu einem Muss für jeden Filmliebhaber. Wer sich für deutsche Geschichte, für Satire und für anspruchsvolle Unterhaltung interessiert, sollte sich diesen Film auf keinen Fall entgehen lassen.
Der Untertan: Unterschiede zwischen Buch und Film in tabellarischer Übersicht
Obwohl die DEFA-Verfilmung von „Der Untertan“ dem Roman von Heinrich Mann im Wesentlichen treu bleibt, gibt es einige Unterschiede, die oft im Interesse der Straffung der Handlung oder der Betonung bestimmter Aspekte vorgenommen wurden. Hier eine kurze Übersicht:
| Aspekt | Roman | Film |
|---|---|---|
| Umfang der Handlung | Detaillierte Darstellung von Diederichs gesamtem Leben, von der Kindheit bis zum etablierten Fabrikanten. | Fokus auf die wesentlichen Stationen seines Lebens, mit Straffungen in der Kindheit und Jugend. |
| Beziehungen | Ausführliche Schilderung der komplexen Beziehungen, insbesondere zu Agnes und Guste. | Vereinfachte Darstellung, wobei einige Nebenstränge reduziert oder weggelassen wurden. |
| Gesellschaftskritik | Detaillierte und vielschichtige Kritik der wilhelminischen Gesellschaft, inklusive ihrer politischen und sozialen Strukturen. | Kritik ist präsent, aber durch die Straffung der Handlung weniger nuanciert und konzentrierter auf Diederichs Verhalten. |
| Ende | Offeneres Ende, das Diederichs zukünftige Entwicklung dem Leser überlässt. | Klareres Ende, das Diederichs Triumph und die Absurdität seiner Haltung betont. |
Diese Unterschiede sind jedoch marginal und beeinträchtigen nicht die Aussagekraft des Films. Im Gegenteil, sie tragen dazu bei, die Handlung zu fokussieren und die satirische Botschaft zu verstärken.
