Die Verdammten (1969) – Ein verstörendes Meisterwerk über Macht, Dekadenz und den Aufstieg des Nationalsozialismus
Willkommen zu einer tiefgründigen Auseinandersetzung mit Luchino Viscontis „Die Verdammten“ (im Original: „La caduta degli dei“), einem Film, der weit mehr ist als bloße Unterhaltung. Es ist ein erschütterndes, visuell überwältigendes und emotional aufwühlendes Porträt einer Familie, die im Strudel der politischen Umwälzungen der 1930er Jahre ihre Menschlichkeit verliert. Ein Film, der uns zwingt, in den Spiegel der Geschichte zu blicken und uns zu fragen, wie leicht Prinzipien verraten und Ideale pervertiert werden können.
Eine Familie im Abgrund: Die Essensbecks
„Die Verdammten“ entführt uns in das Jahr 1933, in das Herz der deutschen Industriellenfamilie Essensbeck, die ein Stahlimperium besitzt. Patriarch Joachim von Essensbeck stirbt, und sein Tod reißt einen tiefen Riss in die Familie, der die dunklen Abgründe von Machtgier, Intrigen und sexueller Perversion offenbart. Im Kampf um die Nachfolge entbrennt ein erbitterter Machtkampf, der von dem aufkeimenden Nationalsozialismus zusätzlich angeheizt wird. Jeder Charakter wird zu einem Spiegelbild der Verderbnis, die der Faschismus in die Gesellschaft trägt.
Die Familie Essensbeck, einst ein Symbol für Reichtum und Einfluss, wird zur Metapher für den moralischen Verfall einer ganzen Nation. Ihre Mitglieder sind Gefangene ihrer eigenen Obsessionen und Ängste, unfähig, sich der Sogkraft der Ideologie zu entziehen, die sie letztendlich zerstören wird.
Die Charaktere: Marionetten der Geschichte oder Akteure des Bösen?
Visconti zeichnet ein komplexes und beunruhigendes Bild seiner Charaktere, die zwischen Opfer und Täter, zwischen Marionetten der Geschichte und Akteuren des Bösen schwanken.
- Konstantin von Essensbeck (Paul Scofield): Der ehrgeizige und skrupellose Cousin des Patriarchen, der sich mit den Nationalsozialisten verbündet, um die Kontrolle über das Stahlwerk zu erlangen. Er verkörpert die opportunistische Natur vieler Industrieller, die in der Nazizeit ihre Chance sahen.
- Sophie von Essensbeck (Ingrid Thulin): Die Witwe des verstorbenen Joachim, eine manipulative und intrigante Frau, die ihren Sohn Martin für ihre eigenen Zwecke instrumentalisiert. Sie ist eine Femme Fatale, die die Fäden im Hintergrund zieht und eine treibende Kraft hinter dem Machtkampf ist.
- Martin von Essensbeck (Helmut Berger): Sophies Sohn, ein verstörter und zutiefst verstörender junger Mann, der von sexuellen Obsessionen und Sadismus geplagt wird. Seine Figur ist eine der kontroversesten des Films und ein Symbol für die moralische Verrohung der Jugend unter dem Einfluss des Nationalsozialismus.
- Herbert Thallmann (Umberto Orsini): Sophies Liebhaber und ein SA-Mann. Er versucht, die Familie Essensbeck für die Zwecke der Nationalsozialisten zu instrumentalisieren und wird selbst zum Opfer der Intrigen.
- Aschenbach (Dirk Bogarde): Ein Professor und Vertrauter der Familie, der als moralischer Kompass des Films fungiert, aber letztendlich machtlos ist, den Untergang der Familie aufzuhalten. Er steht für die intellektuelle Elite, die die Gefahr des Nationalsozialismus erkannte, aber nicht in der Lage war, ihn zu verhindern.
Jeder dieser Charaktere trägt auf seine Weise zur düsteren Atmosphäre des Films bei. Ihre Handlungen und Entscheidungen sind geprägt von Gier, Machtstreben und einer tiefen moralischen Verkommenheit, die durch den aufkommenden Nationalsozialismus noch verstärkt wird.
Visuelle Opulenz und verstörende Bilder
Visconti inszeniert „Die Verdammten“ mit einer atemberaubenden visuellen Opulenz. Die prächtigen Kostüme, die opulenten Schauplätze und die meisterhafte Kameraarbeit erzeugen eine Atmosphäre von Dekadenz und Verfall, die perfekt zum Thema des Films passt. Doch hinter der Fassade des Reichtums und der Pracht verbirgt sich eine tiefe Dunkelheit, die in den verstörenden Bildern des Films zum Ausdruck kommt.
Die berühmte „Nacht der langen Messer“-Szene, in der Martin in Frauenkleidern ein Lied singt, während um ihn herum SA-Männer ihre politischen Gegner ermorden, ist ein Beispiel für Viscontis Fähigkeit, Schönheit und Schrecken miteinander zu verbinden. Diese Szene ist nicht nur visuell beeindruckend, sondern auch eine schockierende Darstellung der Brutalität und des Wahnsinns des Nationalsozialismus.
Themen und Motive: Macht, Verfall und die Wurzeln des Bösen
„Die Verdammten“ ist ein Film, der eine Vielzahl von Themen und Motiven behandelt, die auch heute noch relevant sind.
- Macht und Korruption: Der Film zeigt, wie Macht korrumpiert und wie der Wunsch nach Macht Menschen dazu bringen kann, ihre moralischen Prinzipien zu verraten.
- Dekadenz und Verfall: Die Familie Essensbeck ist ein Symbol für den moralischen Verfall einer Gesellschaft, die ihren Werten den Rücken gekehrt hat.
- Der Aufstieg des Nationalsozialismus: Der Film zeigt, wie der Nationalsozialismus in Deutschland Fuß fassen konnte, indem er die Ängste und Sehnsüchte der Menschen ausnutzte.
- Familie als Mikrokosmos: Die dysfunktionale Familie Essensbeck spiegelt die Zerrissenheit und den moralischen Verfall der deutschen Gesellschaft wider.
- Schuld und Verantwortung: Der Film stellt die Frage nach der individuellen und kollektiven Verantwortung für die Verbrechen des Nationalsozialismus.
Visconti legt den Finger in die Wunde und zwingt uns, uns mit den dunklen Seiten der menschlichen Natur auseinanderzusetzen. Er zeigt, wie leicht Menschen von Ideologien verführt werden können und wie schnell eine Gesellschaft in Barbarei abgleiten kann.
Ein Meisterwerk der Filmgeschichte: Warum „Die Verdammten“ sehenswert ist
„Die Verdammten“ ist ein Film, der unter die Haut geht und lange nachwirkt. Es ist ein verstörendes, aber auch faszinierendes Meisterwerk, das uns zwingt, über die Geschichte und die menschliche Natur nachzudenken.
Hier sind einige Gründe, warum Sie „Die Verdammten“ unbedingt sehen sollten:
- Eine brillante Regie: Luchino Visconti inszeniert den Film mit einer meisterhaften Hand und schafft eine Atmosphäre von Spannung und Unbehagen, die den Zuschauer von der ersten bis zur letzten Minute fesselt.
- Ein herausragendes Ensemble: Die Schauspielerleistungen sind durchweg exzellent, insbesondere Helmut Berger als Martin von Essensbeck liefert eine unvergessliche Performance.
- Eine opulente Ausstattung: Die Kostüme und Schauplätze sind atemberaubend und tragen maßgeblich zur düsteren Atmosphäre des Films bei.
- Eine tiefgründige Auseinandersetzung mit der Geschichte: Der Film ist mehr als nur eine Geschichte über eine Familie. Er ist eine Analyse der Ursachen und Folgen des Nationalsozialismus und ein Mahnmal für die Zukunft.
- Ein Film, der zum Nachdenken anregt: „Die Verdammten“ ist ein Film, der lange nach dem Abspann im Gedächtnis bleibt und uns dazu anregt, über die dunklen Seiten der menschlichen Natur und die Gefahren von Ideologien nachzudenken.
Kontroversen und Kritik
Die Verdammten“ war und ist ein kontrovers diskutierter Film. Die Darstellung sexueller Gewalt, Inzest und anderer Tabuthemen stieß bei vielen Zuschauern auf Ablehnung. Einige Kritiker warfen Visconti Sensationslust und Exploitation vor.
Andere hingegen lobten den Film für seine kompromisslose Darstellung der moralischen Verkommenheit der Nazizeit und für seine künstlerische Brillanz. Sie argumentierten, dass die verstörenden Bilder notwendig seien, um die Schrecken des Faschismus zu verdeutlichen und die Zuschauer aufzurütteln.
Unabhängig von der persönlichen Meinung ist „Die Verdammten“ ein Film, der polarisiert und zum Nachdenken anregt. Er ist ein wichtiger Beitrag zur Auseinandersetzung mit der Geschichte des Nationalsozialismus und ein Mahnmal gegen jede Form von totalitärer Ideologie.
Fazit: Ein unvergessliches Filmerlebnis
„Die Verdammten“ ist ein Film, der einen bleibenden Eindruck hinterlässt. Er ist ein verstörendes, aber auch faszinierendes Meisterwerk, das uns zwingt, über die Geschichte und die menschliche Natur nachzudenken. Es ist ein Film, den man nicht so schnell vergisst und der auch nach mehrmaligem Sehen noch neue Facetten offenbart.
Wenn Sie auf der Suche nach einem Film sind, der Sie herausfordert, berührt und zum Nachdenken anregt, dann sollten Sie sich „Die Verdammten“ unbedingt ansehen. Es ist ein unvergessliches Filmerlebnis, das Sie so schnell nicht vergessen werden.