Dog Day Afternoon – Ein Sommer der Verzweiflung
Dog Day Afternoon, in Deutschland bekannt als „Hundstage“, ist mehr als nur ein Banküberfall-Drama. Es ist ein fesselndes, nervenaufreibendes und zutiefst menschliches Porträt der amerikanischen Gesellschaft in den 1970er Jahren. Unter der Regie des legendären Sidney Lumet und mit einer atemberaubenden Performance von Al Pacino in der Hauptrolle, entfaltet sich eine Geschichte, die auf wahren Begebenheiten basiert und noch heute, Jahrzehnte später, unter die Haut geht.
Ein Banküberfall, der aus dem Ruder läuft
Der Film beginnt an einem heißen Sommernachmittag in Brooklyn, New York. Sonny Wortzik, gespielt von Al Pacino, und sein Komplize Sal Naturile, dargestellt von John Cazale, betreten eine kleine Bankfiliale. Ihr Ziel ist einfach: Geld stehlen. Doch was als simpler Banküberfall geplant war, entwickelt sich schnell zu einem kafkaesken Albtraum. Schon kurz nach Beginn stellen die beiden fest, dass das vermeintlich sichere Vorhaben von Anfang an zum Scheitern verurteilt ist. Der Tresor ist fast leer, und schon bald ist die Bank von einem Großaufgebot der Polizei umstellt.
Die Situation eskaliert rasch. Die Geiseln, die Angestellten der Bank, werden zu unfreiwilligen Zeugen und Beteiligten eines Dramas, das sich live vor den Augen der Medien und einer neugierigen Menschenmenge abspielt. Sonny, der unerfahrene und emotional labile Anführer, versucht verzweifelt, die Kontrolle zu behalten. Er verhandelt mit der Polizei, allen voran Detective Eugene Moretti, gespielt von Charles Durning, der versucht, die Situation zu deeskalieren. Doch je länger der Tag dauert, desto aussichtsloser scheint Sonys Lage.
Charaktere am Rande des Nervenzusammenbruchs
Was „Dog Day Afternoon“ so besonders macht, sind die komplexen und vielschichtigen Charaktere. Sonny Wortzik ist kein typischer Krimineller. Er ist ein Mann, der aus Verzweiflung und Liebe zu drastischen Maßnahmen greift. Al Pacino verkörpert ihn mit einer Intensität und Verletzlichkeit, die einen sofort in seinen Bann zieht. Seine Nervosität, seine Wut, seine Angst, aber auch seine Menschlichkeit sind in jeder Szene spürbar.
Auch die anderen Charaktere sind meisterhaft gezeichnet. Sal Naturile, Sonys stiller und unberechenbarer Komplize, ist das genaue Gegenteil von Sonny. Er ist lakonisch, wortkarg und strahlt eine bedrohliche Ruhe aus. Die Geiseln, anfangs verängstigt und eingeschüchtert, entwickeln im Laufe des Tages eine Art Stockholm-Syndrom und beginnen, mit Sonny zu sympathisieren. Sie erkennen in ihm einen Menschen, der aus Not heraus handelt und nicht aus reiner Boshaftigkeit.
Detective Moretti, der Polizeibeamte, der mit Sonny verhandelt, ist ein erfahrener Profi, der versucht, die Situation mit Vernunft und Geduld zu lösen. Er ist kein Bösewicht, sondern ein Mann, der seinen Job macht und dabei das Leben der Geiseln und der Bankräuber schützen will. Doch auch er ist gezwungen, schwierige Entscheidungen zu treffen, die letztendlich über Leben und Tod entscheiden.
Gesellschaftliche Brennpunkte der 70er Jahre
„Dog Day Afternoon“ ist nicht nur ein spannender Thriller, sondern auch ein Spiegelbild der amerikanischen Gesellschaft in den 1970er Jahren. Der Film thematisiert eine Reihe von brisanten Themen, die damals wie heute relevant sind:
- Die Vietnamkriegs-Trauma: Der Krieg hat tiefe Narben in der amerikanischen Seele hinterlassen. Viele junge Männer kehren traumatisiert aus dem Krieg zurück und finden keinen Platz in der Gesellschaft.
- Wirtschaftliche Unsicherheit: Die Ölkrise und die Inflation der 1970er Jahre führen zu wirtschaftlicher Unsicherheit und sozialen Spannungen. Viele Menschen fühlen sich abgehängt und perspektivlos.
- Sexuelle Revolution und Homosexualität: Die sexuelle Revolution hat zu einer offeneren Auseinandersetzung mit Homosexualität geführt. Doch Homosexuelle werden immer noch diskriminiert und ausgegrenzt.
- Die Rolle der Medien: Die Medien spielen eine immer größere Rolle im öffentlichen Leben. Sie berichten nicht nur über Ereignisse, sondern beeinflussen auch die öffentliche Meinung.
Sonny Wortzik ist ein Produkt dieser gesellschaftlichen Umstände. Er ist ein Mann, der sich von der Gesellschaft im Stich gelassen fühlt und verzweifelt nach einem Ausweg sucht. Sein Banküberfall ist nicht nur ein krimineller Akt, sondern auch ein Akt der Rebellion gegen eine Gesellschaft, die er als ungerecht und verlogen empfindet.
Die wahre Geschichte hinter dem Film
„Dog Day Afternoon“ basiert auf einem Artikel von P.F. Kluge, der im Magazin „Life“ unter dem Titel „The Boys in the Bank“ veröffentlicht wurde. Der Artikel beschreibt den realen Banküberfall, der sich am 22. August 1972 in Brooklyn, New York, ereignete. Die beiden Bankräuber, John Wojtowicz und Salvatore Naturile, hielten acht Bankangestellte als Geiseln und forderten unter anderem einen Hubschrauber und ein Flugzeug, um ins Ausland zu fliehen.
Die Motive für den Banküberfall waren in der Realität noch komplexer als im Film dargestellt. John Wojtowicz gab später an, dass er das Geld brauchte, um die Geschlechtsumwandlung seines homosexuellen Partners, Ernest Aron, zu finanzieren. Diese Geschichte wurde im Film aufgegriffen und trug maßgeblich zur emotionalen Tiefe und Brisanz der Handlung bei.
Ein Meisterwerk der Filmgeschichte
„Dog Day Afternoon“ ist ein Meisterwerk des New Hollywood Kinos. Sidney Lumet gelingt es, eine packende und authentische Geschichte zu erzählen, die den Zuschauer von der ersten bis zur letzten Minute in ihren Bann zieht. Der Film besticht durch seine realistische Inszenierung, seine starken Schauspielerleistungen und seine intelligente Auseinandersetzung mit gesellschaftlichen Problemen.
Al Pacino liefert in „Dog Day Afternoon“ eine seiner besten Leistungen ab. Er verkörpert Sonny Wortzik mit einer unglaublichen Intensität und Verletzlichkeit. Seine Performance ist so überzeugend, dass man ihm jede seiner Handlungen abnimmt. Auch die Nebendarsteller, allen voran John Cazale als Sal Naturile und Charles Durning als Detective Moretti, überzeugen auf ganzer Linie.
Die Dialoge in „Dog Day Afternoon“ sind scharfzüngig, humorvoll und oft improvisiert. Sie tragen maßgeblich zur Authentizität und Glaubwürdigkeit des Films bei. Die Kameraarbeit von Victor J. Kemper ist unaufgeregt und dokumentarisch, was den Eindruck der Realität noch verstärkt. Der Schnitt von Dede Allen ist rasant und dynamisch, wodurch die Spannung und Hektik des Banküberfalls perfekt eingefangen werden.
Auszeichnungen und Vermächtnis
„Dog Day Afternoon“ wurde für sechs Oscars nominiert, darunter Bester Film, Beste Regie und Bester Hauptdarsteller. Der Film gewann den Oscar für das Beste Originaldrehbuch. Er wurde außerdem mit dem Golden Globe Award für den Besten Film (Drama) ausgezeichnet.
Der Film hat bis heute nichts von seiner Aktualität und Brisanz verloren. Er ist ein zeitloses Meisterwerk, das uns daran erinnert, dass auch in den dunkelsten Stunden der Menschlichkeit noch Hoffnung und Mitgefühl möglich sind. „Dog Day Afternoon“ ist ein Film, der zum Nachdenken anregt und uns dazu auffordert, die Welt mit anderen Augen zu sehen.
Film-Details im Überblick
Kategorie | Information |
---|---|
Regie | Sidney Lumet |
Hauptdarsteller | Al Pacino, John Cazale, Charles Durning |
Erscheinungsjahr | 1975 |
Genre | Thriller, Drama, Krimi |
Laufzeit | 125 Minuten |
Abschließend lässt sich sagen, dass „Dog Day Afternoon“ ein Film ist, den man gesehen haben muss. Er ist ein spannender, emotionaler und zutiefst menschlicher Film, der noch lange nach dem Abspann im Gedächtnis bleibt. Ein Meisterwerk, das die Filmgeschichte nachhaltig geprägt hat.