Ein Kind zur Zeit – The Child In Time

Ein Kind zur Zeit – The Child In Time: Eine Reise durch Trauer, Liebe und Hoffnung

Der Film „Ein Kind zur Zeit – The Child In Time“, basierend auf dem gleichnamigen Roman des britischen Schriftstellers Ian McEwan, ist weit mehr als nur ein Drama. Er ist eine tiefgründige Auseinandersetzung mit dem Verlust, der Trauer, der Widerstandsfähigkeit des menschlichen Geistes und der unerschütterlichen Kraft der Liebe. Unter der Regie von Julian Farino entfaltet sich eine Geschichte, die den Zuschauer von der ersten Minute an in ihren Bann zieht und ihn bis zum Schluss nicht mehr loslässt.

Die Geschichte: Ein Moment, der alles verändert

Die Geschichte beginnt mit einem Albtraumszenario: Stephen Lewis, ein erfolgreicher Kinderbuchautor (gespielt von Benedict Cumberbatch), und seine Frau Julie (Kelly Macdonald) verbringen einen scheinbar normalen Tag mit ihrer dreijährigen Tochter Kate. Doch während eines kurzen Moments der Unaufmerksamkeit in einem Supermarkt verschwindet Kate spurlos. Dieser Augenblick markiert den Beginn einer unvorstellbaren Reise für Stephen und Julie, eine Reise durch die dunklen Abgründe der Trauer und des Schmerzes, die ihre Beziehung bis ins Mark erschüttert.

Der Film springt zwischen der unmittelbaren Folge des Verschwindens von Kate und den Jahren danach hin und her. Wir sehen, wie die anfängliche Hoffnung, Kate wiederzufinden, langsam der Verzweiflung und dem unausweichlichen Gefühl der Ohnmacht weicht. Die Polizei ermittelt, Suchaktionen werden durchgeführt, doch Kate bleibt verschwunden. Stephen und Julie versuchen, mit dem unerträglichen Verlust auf ihre eigene Weise umzugehen, was jedoch zunehmend zu einer Entfremdung zwischen ihnen führt.

Die Charaktere: Zerbrechlich und doch unendlich stark

Die Stärke von „Ein Kind zur Zeit“ liegt zweifellos in der komplexen und nuancierten Darstellung der Charaktere. Benedict Cumberbatch liefert eine herausragende Performance als Stephen Lewis, ein Mann, der von Schuldgefühlen und Trauer überwältigt wird. Er versucht, sein Leben weiterzuleben, aber die Erinnerung an Kate verfolgt ihn auf Schritt und Tritt. Cumberbatch gelingt es auf beeindruckende Weise, die innere Zerrissenheit und die stille Verzweiflung Stephens darzustellen, ohne dabei in ein reines Selbstmitleid abzudriften.

Kelly Macdonald verkörpert Julie auf ebenso überzeugende Weise. Ihre Figur durchläuft eine tiefgreifende Veränderung. Während Stephen versucht, sich in seine Arbeit zu flüchten und die Vergangenheit zu verdrängen, entscheidet sich Julie für einen radikalen Neuanfang. Sie verlässt Stephen und zieht aufs Land, um dort in der Ruhe und Abgeschiedenheit nach einem neuen Sinn in ihrem Leben zu suchen. Auch Julie trägt eine tiefe Narbe in ihrer Seele, aber sie findet einen Weg, mit dem Schmerz zu leben und sich neuen Möglichkeiten zu öffnen.

Neben Stephen und Julie spielen auch Stephens enger Freund Charles (Stephen Campbell Moore) und dessen Frau Thelma (Saskia Reeves) eine wichtige Rolle. Charles, ein erfolgreicher Politiker, der plötzlich seinen Rücktritt erklärt und sich in eine kindliche Welt der Fantasie zurückzieht, dient als Spiegel für Stephens eigene Flucht vor der Realität. Thelma, die versucht, Charles zu unterstützen und gleichzeitig mit ihrer eigenen Verzweiflung fertigzuwerden, bietet Stephen einen Anker der Hoffnung und des Verständnisses.

Themen und Motive: Eine tiefgründige Auseinandersetzung

„Ein Kind zur Zeit“ behandelt eine Vielzahl von Themen, die den Zuschauer zum Nachdenken anregen:

• Verlust und Trauer: Der Film zeigt auf schonungslose Weise die verschiedenen Phasen der Trauer, von der anfänglichen Hoffnung und Ungläubigkeit über die Wut und Verzweiflung bis hin zur Akzeptanz und dem Versuch, ein neues Leben zu beginnen.
• Beziehung und Entfremdung: Der Verlust von Kate stellt die Beziehung von Stephen und Julie auf eine harte Probe. Sie entfernen sich voneinander, weil sie nicht in der Lage sind, den Schmerz des anderen zu verstehen und zu teilen.
• Erinnerung und Verdrängung: Stephen versucht, die Erinnerung an Kate zu verdrängen, aber die Vergangenheit holt ihn immer wieder ein. Der Film zeigt, wie wichtig es ist, sich der eigenen Vergangenheit zu stellen, um in der Gegenwart leben zu können.
• Kindheit und Unschuld: Der Verlust eines Kindes symbolisiert den Verlust der Unschuld und der Hoffnung. Der Film erkundet die Bedeutung der Kindheit und die Notwendigkeit, Kinder zu schützen und zu behüten.
• Die Kraft der Liebe: Trotz des Schmerzes und der Verzweiflung zeigt „Ein Kind zur Zeit“ auch die unerschütterliche Kraft der Liebe. Die Liebe zwischen Stephen und Julie, die Liebe zwischen Charles und Thelma, und die Liebe zu dem verlorenen Kind sind die Triebfedern, die die Charaktere am Leben erhalten und ihnen Hoffnung geben.

Die Inszenierung: Eine Atmosphäre der Melancholie und Hoffnung

Die Regie von Julian Farino ist einfühlsam und zurückhaltend. Er vermeidet es, den Schmerz der Charaktere unnötig zu dramatisieren oder zu emotionalisieren. Stattdessen setzt er auf subtile Gesten, Blicke und Dialoge, um die innere Zerrissenheit der Figuren zu vermitteln. Die Kameraarbeit von Ole Bratt Birkeland fängt die Atmosphäre der Melancholie und Hoffnung auf eindrucksvolle Weise ein. Die Bilder sind oft düster und trist, aber es gibt auch immer wieder Momente des Lichts und der Wärme, die die Hoffnung auf eine bessere Zukunft symbolisieren.

Die Filmmusik von Adrian Johnston unterstützt die emotionale Wirkung der Geschichte auf perfekte Weise. Die melancholischen Klänge unterstreichen die Trauer und Verzweiflung der Charaktere, während die hoffnungsvollen Melodien die Momente der Liebe und des Trostes hervorheben.

Die Bedeutung des Titels: Ein Kind zur Zeit

Der Titel „Ein Kind zur Zeit“ (The Child In Time) ist vielschichtig und trägt zur tieferen Bedeutung des Films bei. Er verweist nicht nur auf den Verlust von Kate, sondern auch auf die Bedeutung der Kindheit und die Notwendigkeit, die kindliche Unschuld und Fantasie zu bewahren. Der Titel erinnert uns daran, dass Kinder die Zukunft sind und dass wir alles tun müssen, um sie zu schützen und zu behüten.

Der Titel kann auch als Hinweis auf die Art und Weise verstanden werden, wie wir Zeit wahrnehmen und erleben. Für Stephen, der den Verlust seiner Tochter verkraften muss, scheint die Zeit stillzustehen oder sich endlos zu dehnen. Die Vergangenheit ist allgegenwärtig und die Zukunft scheint ungewiss. Der Film zeigt, wie der Verlust eines Kindes die Zeitwahrnehmung verändert und das Leben in einen Zustand der permanenten Trauer versetzen kann.

Fazit: Ein Film, der berührt und nachdenklich stimmt

„Ein Kind zur Zeit – The Child In Time“ ist ein Film, der lange nach dem Abspann im Gedächtnis bleibt. Er ist eine bewegende und tiefgründige Auseinandersetzung mit dem Verlust, der Trauer, der Liebe und der Hoffnung. Benedict Cumberbatch und Kelly Macdonald liefern herausragende Leistungen in den Hauptrollen und verleihen ihren Figuren eine unglaubliche Tiefe und Authentizität. Der Film ist nicht einfach zu ertragen, aber er ist wichtig, weil er uns daran erinnert, wie fragil das Leben ist und wie wichtig es ist, die Liebe und die Beziehungen zu unseren Mitmenschen zu schätzen.

Wer einen Film sucht, der berührt, nachdenklich stimmt und zum Dialog anregt, sollte sich „Ein Kind zur Zeit“ unbedingt ansehen. Es ist ein Film, der unter die Haut geht und uns die Bedeutung von Familie, Liebe und Hoffnung neu bewusst macht.

Technische Details und Besetzung:

Kategorie	Details
Originaltitel	The Child In Time
Deutscher Titel	Ein Kind zur Zeit
Regie	Julian Farino
Drehbuch	Stephen Butchard (basierend auf dem Roman von Ian McEwan)
Hauptdarsteller	Benedict Cumberbatch, Kelly Macdonald, Stephen Campbell Moore, Saskia Reeves
Genre	Drama
Produktionsjahr	2017
Länge	90 Minuten
FSK	Ab 12 Jahren

Besetzung im Detail:

• Benedict Cumberbatch als Stephen Lewis
• Kelly Macdonald als Julie Lewis
• Stephen Campbell Moore als Charles Darke
• Saskia Reeves als Thelma Darke
• Anna Madeley als Eleanor
• Lucy Liemann als Sophie

Studio	Arthaus / Studiocanal