May – Eine Reise der Selbstfindung und der Suche nach Liebe
„May“, ein Film aus dem Jahr 2002, ist mehr als nur ein Horrorfilm. Er ist eine tiefgründige, berührende und manchmal verstörende Auseinandersetzung mit Einsamkeit, Akzeptanz und der verzweifelten Suche nach menschlicher Verbindung. Regisseurin Lucky McKee schuf mit „May“ ein beeindruckendes Regiedebüt, das durch seine düstere Atmosphäre, die außergewöhnliche Charakterzeichnung und die eindringliche Darstellung der Hauptdarstellerin Angela Bettis besticht. Begleiten wir May auf ihrem Weg, der von der Sehnsucht nach Liebe und Anerkennung geprägt ist und schließlich in einem erschreckenden Akt der Selbstverwirklichung mündet.
Die Außenseiterin May
May Dove Canady, eine junge Frau mit sozialen Schwierigkeiten, arbeitet als Tierarzthelferin in einem kleinen Tierheim. Ihr Leben ist geprägt von Einsamkeit und dem Gefühl, nirgendwo wirklich dazuzugehören. Ihre einzige Freundin ist eine Puppe namens Suzie, die sie von ihrer Mutter geschenkt bekommen hat – eine Puppe, die in einer Glasvitrine steht und die May nicht berühren darf. Suzie ist ein Symbol für die distanzierte und kalte Beziehung zu ihrer Mutter und steht gleichzeitig für Mays Unfähigkeit, echte Beziehungen einzugehen.
May leidet unter einem angeborenen Sehfehler, der ihr ein schielendes Auge beschert. Diese körperliche Besonderheit, verstärkt durch ihre soziale Ungeschicklichkeit, macht sie zum Ziel von Hänseleien und verstärkt ihr Gefühl der Isolation. Sie sehnt sich nach Liebe und Akzeptanz, findet aber keinen Weg, diese zu erlangen. May versucht, sich anzupassen, doch ihre Bemühungen scheitern immer wieder an ihrer eigenen Unbeholfenheit und dem Unverständnis ihrer Mitmenschen.
Die Suche nach der perfekten Liebe
Mays Suche nach Liebe beginnt zaghaft und hoffnungsvoll. Sie verliebt sich in Adam, einen Mechaniker mit einer Vorliebe für perfekte Hände. Adam ist fasziniert von Mays Andersartigkeit, doch seine Faszination ist oberflächlich und rein sexueller Natur. Er sieht May als ein kurioses Objekt, nicht als einen Menschen mit Bedürfnissen und Gefühlen. Ihre Beziehung scheitert an Adams Unfähigkeit, eine echte emotionale Verbindung einzugehen und Mays wachsender Verzweiflung.
Nach der gescheiterten Beziehung zu Adam wendet sich May Polly zu, einer lesbischen Kollegin, die ihr Avancen macht. Polly ist impulsiv und dominant, und May lässt sich von ihr verführen, in der Hoffnung, endlich die Liebe und Akzeptanz zu finden, nach der sie sich so sehr sehnt. Doch auch diese Beziehung ist von Anfang an zum Scheitern verurteilt. Polly ist manipulativ und egozentrisch, und May erkennt bald, dass sie nur benutzt wird. Erneut wird May in ihren Hoffnungen enttäuscht und ihr Gefühl der Einsamkeit verstärkt sich.
Die Ablehnung und das Unverständnis, die May erfährt, führen zu einer zunehmenden Entfremdung von der Realität. Sie beginnt, sich in eine Fantasiewelt zurückzuziehen, in der sie die Kontrolle hat und in der sie die Liebe und Akzeptanz findet, die ihr in der realen Welt verwehrt bleiben.
Der Weg in den Wahnsinn
Mays psychische Verfassung verschlechtert sich zunehmend. Sie wird immer unberechenbarer und ihr Verhalten wird immer verstörender. Sie beginnt, Körperteile von Menschen zu sammeln, die sie bewundert oder begehrt. Sie träumt davon, den perfekten Partner zu erschaffen – einen Partner, der aus den schönsten und besten Teilen anderer Menschen besteht.
Dieser Wahnvorstellung entspringt eine grausame und verstörende Handlung. May entführt und tötet Menschen, um ihre Körperteile für ihr Frankenstein-artiges Projekt zu verwenden. Sie näht die Körperteile zusammen und erschafft eine Kreatur, die sie sich als ihren idealen Partner vorstellt. Doch auch diese Kreatur kann May nicht die Liebe und Akzeptanz geben, die sie so verzweifelt sucht.
In einem finalen Akt der Verzweiflung und Selbstverwirklichung wendet sich May schließlich gegen sich selbst. Sie erkennt, dass sie die Liebe und Akzeptanz, die sie sucht, nur in sich selbst finden kann. Sie entfernt ihr schielendes Auge und näht es an ihre Puppe Suzie, in dem Versuch, sich mit ihrer eigenen Unvollkommenheit zu versöhnen und sich selbst zu akzeptieren.
Themen und Interpretationen
„May“ ist ein Film, der viele Fragen aufwirft und zu unterschiedlichen Interpretationen einlädt. Im Kern geht es um die Themen Einsamkeit, Isolation, Akzeptanz und die Suche nach Identität. Der Film zeigt auf eindringliche Weise, wie Ablehnung und Unverständnis zu psychischen Problemen und letztendlich zu Gewalt führen können.
May ist eine tragische Figur, die Opfer ihrer eigenen Umstände und ihrer eigenen psychischen Probleme wird. Sie sehnt sich nach Liebe und Akzeptanz, findet aber keinen Weg, diese zu erlangen. Ihre Suche nach der perfekten Liebe wird zu einer Obsession, die sie in den Wahnsinn treibt. Der Film zeigt, wie wichtig es ist, sich selbst zu akzeptieren und sich nicht von den Erwartungen anderer definieren zu lassen.
„May“ kann auch als eine Kritik an der Gesellschaft interpretiert werden, die Menschen mit sozialen Schwierigkeiten und körperlichen Besonderheiten ausgrenzt und stigmatisiert. Der Film zeigt, wie schwer es für Außenseiter ist, ihren Platz in der Welt zu finden und wie schnell sie in eine Spirale aus Einsamkeit und Verzweiflung geraten können.
Die schauspielerische Leistung von Angela Bettis
Angela Bettis liefert in „May“ eine herausragende schauspielerische Leistung ab. Sie verkörpert die Rolle der May mit großer Sensibilität und Intensität. Sie zeigt die Verletzlichkeit, die Verzweiflung und den Wahnsinn der Figur auf eine Weise, die den Zuschauer tief berührt. Bettis‘ Darstellung ist nuanciert und vielschichtig, und sie verleiht der Figur der May eine bemerkenswerte Tiefe und Glaubwürdigkeit.
Ihre Performance ist nicht nur schauspielerisch brillant, sondern auch mutig und kompromisslos. Sie scheut sich nicht, die dunklen und verstörenden Seiten der Figur darzustellen und sie macht May zu einer unvergesslichen und ikonischen Figur des Horrorfilms.
Die Regie von Lucky McKee
Lucky McKee beweist mit „May“ ihr Talent als Regisseurin. Sie inszeniert den Film mit einer düsteren und atmosphärischen Bildsprache, die die psychische Verfassung der Hauptfigur widerspiegelt. Sie versteht es, eine beklemmende Atmosphäre zu erzeugen, die den Zuschauer in den Bann zieht und ihn bis zum Schluss nicht loslässt.
McKee’s Regie ist präzise und durchdacht. Sie setzt gezielt Stilmittel ein, um die Emotionen und die innere Welt der Figur zu verdeutlichen. Sie scheut sich nicht vor drastischen Bildern und verstörenden Szenen, doch sie vermeidet es, reinen Selbstzweck zu betreiben. Jede Szene dient dazu, die Geschichte voranzutreiben und die Entwicklung der Figur zu verdeutlichen.
Der Einfluss von „May“
„May“ hat seit seiner Veröffentlichung im Jahr 2002 einen bedeutenden Einfluss auf das Genre des Horrorfilms ausgeübt. Der Film hat dazu beigetragen, das Bild der weiblichen Horrorfigur neu zu definieren und hat gezeigt, dass Horrorfilme auch tiefgründig und emotional sein können.
Viele Kritiker und Zuschauer betrachten „May“ als einen modernen Klassiker des Horrorfilms. Der Film hat zahlreiche Preise gewonnen und wurde auf internationalen Filmfestivals gefeiert. Er hat eine treue Fangemeinde gefunden und wird auch heute noch diskutiert und analysiert.
„May“ ist ein außergewöhnlicher Film, der den Zuschauer noch lange nach dem Abspann beschäftigt. Er ist eine verstörende, berührende und gleichzeitig faszinierende Auseinandersetzung mit den Themen Einsamkeit, Akzeptanz und der Suche nach Liebe. Angela Bettis‘ herausragende schauspielerische Leistung und Lucky McKees beeindruckende Regie machen „May“ zu einem unvergesslichen Filmerlebnis.
Der Film ist nicht für jeden geeignet. Seine düstere Atmosphäre und die verstörenden Szenen können auf manche Zuschauer beunruhigend wirken. Wer sich jedoch auf die düstere Reise einlässt, wird mit einem tiefgründigen und bewegenden Filmerlebnis belohnt, das zum Nachdenken anregt und die Frage aufwirft, was es wirklich bedeutet, Mensch zu sein.
Besetzung
Schauspieler | Rolle |
---|---|
Angela Bettis | May Dove Canady |
Jeremy Sisto | Adam Stubbs |
Anna Faris | Polly |
James Duval | Blank |
Chandler Riley Hecht | Junge May |
Technische Daten
- Regie: Lucky McKee
- Drehbuch: Lucky McKee
- Musik: Jaye Barnes Luckett
- Kamera: Steve Yedlin
- Schnitt: Rian Johnson
- Produktionsjahr: 2002
- Länge: 93 Minuten
- Land: USA