Menashe – Eine Geschichte über Glaube, Vaterschaft und die Suche nach dem eigenen Weg
In der pulsierenden, aber abgeschotteten Welt der ultraorthodoxen jüdischen Gemeinde in Brooklyn, New York, entfaltet sich die berührende Geschichte von Menashe. Der Film, der 2017 in die Kinos kam, ist mehr als nur ein Spielfilm; er ist ein Fenster in eine Welt, die vielen Zuschauern verborgen bleibt, und eine tiefgründige Auseinandersetzung mit universellen Themen wie Verlust, Liebe und der Suche nach dem eigenen Platz im Leben.
Die Handlung im Detail
Menashe Lustig, ein liebenswerter, aber etwas ungeschickter Witwer, kämpft darum, seinen Sohn Rieven aufzuziehen. Nach dem Tod seiner Frau Leah, wird Rieven gemäß den strengen Regeln der Gemeinde zu Menashes Schwager Eizik und dessen Familie gegeben. Das traditionelle Gesetz schreibt vor, dass ein Kind ohne eine Mutter nicht in einem Haushalt ohne Frau aufwachsen darf. Menashe, dessen Herz nach seinem Sohn schreit, versucht verzweifelt, die Autoritäten von seinen Fähigkeiten als Vater zu überzeugen.
Menashe arbeitet in einem Supermarkt und ist ständig mit finanziellen Schwierigkeiten und den Erwartungen der Gemeinde konfrontiert. Sein Alltag ist geprägt von Gebeten, Traditionen und den sozialen Zwängen einer Welt, in der das Individuum oft hinter der Gemeinschaft zurücksteht. Er träumt davon, ein eigenes Zuhause für sich und Rieven zu schaffen, doch die Hürden scheinen unüberwindbar.
Eine Chance bietet sich, als der Rabbi der Gemeinde, ein angesehener und weiser Mann, Menashe erlaubt, Rieven für eine Woche in seinem Haus zu beherbergen – als eine Art Test. Wenn Menashe beweisen kann, dass er in der Lage ist, für seinen Sohn zu sorgen und ein koscheres Haus zu führen, könnte er die Erlaubnis erhalten, Rieven dauerhaft bei sich zu behalten. Diese Woche wird zu einer Zerreißprobe für Menashe, der nicht nur mit den praktischen Herausforderungen des Alltags, sondern auch mit seinen eigenen inneren Dämonen zu kämpfen hat.
Die Beziehung zwischen Vater und Sohn ist von Zuneigung und Verständnis geprägt, aber auch von den Belastungen ihrer ungewöhnlichen Situation. Rieven sehnt sich nach der Geborgenheit einer Familie und nach der Normalität, die ihm durch den Verlust seiner Mutter und die Trennung von seinem Vater verwehrt bleibt. Menashe hingegen kämpft mit seiner eigenen Unzulänglichkeit und der Angst, den Erwartungen der Gemeinde nicht gerecht zu werden.
Der Film kulminiert in einer emotionalen Achterbahnfahrt, in der Menashe gezwungen ist, sich seinen Ängsten und Zweifeln zu stellen. Er muss beweisen, dass seine Liebe zu seinem Sohn stärker ist als alle Hindernisse, die ihm in den Weg gelegt werden. Ob er die Erlaubnis erhält, Rieven bei sich zu behalten, bleibt bis zum Schluss ungewiss und sorgt für eine spannungsgeladene Atmosphäre.
Authentizität und Realismus
Was „Menashe“ von vielen anderen Filmen unterscheidet, ist seine außergewöhnliche Authentizität. Der Film wurde in der ultraorthodoxen Gemeinde von Borough Park, Brooklyn, gedreht, und die meisten Darsteller sind Laien, die tatsächlich Mitglieder dieser Gemeinschaft sind. Dies verleiht dem Film eine unvergleichliche Glaubwürdigkeit und ermöglicht es dem Zuschauer, tief in die Lebenswelt der ultraorthodoxen Juden einzutauchen.
Der Regisseur Joshua Z. Weinstein verzichtete bewusst auf stereotype Darstellungen und Klischees. Stattdessen zeichnet er ein differenziertes und sensibles Porträt einer Gemeinschaft, die oft missverstanden oder vereinfacht dargestellt wird. Der Film zeigt die Schönheit und Wärme der Traditionen, aber auch die Herausforderungen und Konflikte, die mit einem Leben in einer solchen Umgebung verbunden sind.
Die Dialoge sind hauptsächlich auf Jiddisch, was die Authentizität des Films weiter unterstreicht. Durch Untertitel wird dem Zuschauer ein direkter Zugang zu den Gedanken und Gefühlen der Charaktere ermöglicht. Die Kameraarbeit ist unaufdringlich und beobachtend, was den Eindruck erweckt, man sei selbst Teil der Szenerie.
Die Charaktere
Die Figuren in „Menashe“ sind allesamt facettenreich und glaubwürdig gezeichnet. Sie sind keine Heiligen oder Sünder, sondern Menschen mit Stärken und Schwächen, die versuchen, ihren Weg im Leben zu finden.
- Menashe Lustig: Der Protagonist ist ein einfacher Mann mit einem großen Herzen. Er ist liebevoll, ehrlich und humorvoll, aber auch unsicher und ungeschickt. Er kämpft mit seiner eigenen Unzulänglichkeit und der Angst, den Erwartungen der Gemeinde nicht gerecht zu werden. Seine tiefe Liebe zu seinem Sohn Rieven ist der Motor seines Handelns.
- Rieven: Der Sohn von Menashe ist ein intelligenter und sensibler Junge, der unter dem Verlust seiner Mutter und der Trennung von seinem Vater leidet. Er sehnt sich nach der Geborgenheit einer Familie und nach der Normalität, die ihm verwehrt bleibt. Er ist seinem Vater sehr verbunden und versucht, ihn zu unterstützen, wo er kann.
- Eizik: Menashes Schwager ist ein strenggläubiger Mann, der die Traditionen der Gemeinde hochhält. Er ist nicht unsympathisch, aber er vertritt die Auffassung, dass Rieven in einem stabilen Familienumfeld aufwachsen muss, das Menashe als Witwer nicht bieten kann.
- Rabbi: Der Rabbi der Gemeinde ist ein weiser und verständnisvoller Mann, der Menashe eine Chance gibt, sich als Vater zu beweisen. Er ist ein Vermittler zwischen Tradition und Fortschritt und versucht, die Bedürfnisse des Einzelnen mit den Interessen der Gemeinschaft in Einklang zu bringen.
Themen und Motive
„Menashe“ behandelt eine Vielzahl von Themen, die den Zuschauer zum Nachdenken anregen.
Vaterschaft und Verlust
Der Film ist in erster Linie eine Geschichte über Vaterschaft. Er zeigt die tiefe Bindung zwischen Vater und Sohn und den Kampf eines Vaters, der alles dafür tut, um für sein Kind zu sorgen. Gleichzeitig thematisiert der Film den Verlust eines geliebten Menschen und die Trauer, die damit einhergeht. Menashe und Rieven müssen beide mit dem Tod von Leah fertig werden und einen Weg finden, ohne sie weiterzuleben.
Glaube und Tradition
Der Film gibt einen Einblick in die Lebenswelt der ultraorthodoxen jüdischen Gemeinde und zeigt die Bedeutung von Glaube und Tradition. Die Charaktere leben nach strengen Regeln und Gesetzen, die ihr Leben in allen Bereichen bestimmen. Der Film zeigt die Schönheit und den Halt, den der Glaube geben kann, aber auch die Konflikte, die entstehen können, wenn individuelle Bedürfnisse mit den Erwartungen der Gemeinschaft kollidieren.
Individuum und Gemeinschaft
Ein zentrales Thema des Films ist das Verhältnis zwischen Individuum und Gemeinschaft. Menashe fühlt sich oft zwischen seinen eigenen Bedürfnissen und den Erwartungen der Gemeinde hin- und hergerissen. Er möchte ein guter Vater sein und für seinen Sohn sorgen, aber er muss auch die Regeln und Gesetze der Gemeinde respektieren. Der Film zeigt, wie schwierig es sein kann, seinen eigenen Weg zu finden, wenn man Teil einer Gemeinschaft ist, die strenge Normen und Werte vertritt.
Liebe und Hoffnung
Trotz der vielen Herausforderungen und Schwierigkeiten, mit denen Menashe konfrontiert ist, ist der Film von einer tiefen Liebe und Hoffnung geprägt. Menashe gibt niemals auf, für seinen Sohn zu kämpfen, und er glaubt fest daran, dass er eines Tages mit ihm zusammenleben wird. Seine Liebe zu Rieven und seine Hoffnung auf eine bessere Zukunft geben ihm die Kraft, alle Hindernisse zu überwinden.
Die schauspielerische Leistung
Die schauspielerischen Leistungen in „Menashe“ sind durchweg herausragend. Besonders hervorzuheben ist die Leistung von Menashe Lustig, der sich selbst spielt. Er verkörpert die Rolle des liebenswerten, aber ungeschickten Witwers mit großer Authentizität und Emotionalität. Seine Darstellung ist so überzeugend, dass man fast vergisst, dass er kein professioneller Schauspieler ist. Auch die anderen Darsteller, die größtenteils Laien sind, leisten hervorragende Arbeit und tragen maßgeblich zur Glaubwürdigkeit des Films bei.
Die Regie
Joshua Z. Weinstein hat mit „Menashe“ ein Meisterwerk geschaffen. Seine Regie ist einfühlsam, sensibel und respektvoll. Er vermeidet stereotype Darstellungen und Klischees und zeichnet stattdessen ein differenziertes und authentisches Porträt einer Gemeinschaft, die oft missverstanden wird. Seine Entscheidung, mit Laiendarstellern zu arbeiten und die Dialoge hauptsächlich auf Jiddisch zu halten, hat dem Film eine unvergleichliche Glaubwürdigkeit verliehen. Weinstein beweist ein sicheres Gespür für Timing und Inszenierung und versteht es, die Zuschauer emotional zu berühren, ohne dabei ins Sentimentale abzudriften.
„Menashe“ ist ein berührender und inspirierender Film, der den Zuschauer tief in die Lebenswelt der ultraorthodoxen jüdischen Gemeinde von Brooklyn eintauchen lässt. Der Film ist mehr als nur ein Fenster in eine fremde Welt; er ist eine universelle Geschichte über Vaterschaft, Verlust, Glaube und die Suche nach dem eigenen Weg. Die authentischen Darstellungen, die sensible Regie und die tiefgründigen Themen machen „Menashe“ zu einem unvergesslichen Filmerlebnis, das lange nachwirkt. Ein Film, der zum Nachdenken anregt und das Herz berührt.