Possession: Ein Abstieg in die Abgründe der Entfremdung und Besessenheit
Andrzej Żuławskis „Possession“ (1981) ist weit mehr als ein Horrorfilm. Er ist eine schmerzhafte, verstörende und zutiefst beunruhigende Auseinandersetzung mit dem Zerbrechen einer Ehe, der Entfremdung in der modernen Welt und der Suche nach Identität in einer zunehmend fragmentierten Realität. Der Film, der oft als Meisterwerk des „Art-Horror“ bezeichnet wird, lässt den Zuschauer mit einem Gefühl der Beklommenheit und des Unbehagens zurück, das noch lange nach dem Abspann anhält.
Die Geschichte einer zerstörerischen Beziehung
Die Handlung von „Possession“ dreht sich um Anna (Isabelle Adjani) und Mark (Sam Neill), ein Ehepaar, das in West-Berlin lebt. Ihre Beziehung befindet sich in einer tiefen Krise. Mark, ein Spion, kehrt nach Hause zurück und findet Anna verändert vor. Sie ist distanziert, unberechenbar und offensichtlich unglücklich. Ihre Liebe ist erkaltet und durch eine unüberwindbare Kluft ersetzt worden.
Anna verlangt die Scheidung und gesteht Mark, eine Affäre zu haben. Doch ihre Untreue ist nur die Spitze des Eisbergs. Ihre emotionalen Ausbrüche und ihr seltsames Verhalten werden immer extremer. Mark, verzweifelt und verwirrt, versucht, die Wahrheit herauszufinden und seine Ehe zu retten. Er engagiert einen Privatdetektiv, um Anna zu überwachen, doch was dieser entdeckt, ist weitaus beunruhigender, als er sich hätte vorstellen können.
Je tiefer Mark in Annas Leben eindringt, desto mehr verliert er den Bezug zur Realität. Er wird Zeuge von Szenen des Wahnsinns, der Gewalt und des Obskuren. Annas Affäre entpuppt sich als etwas weit Dunkleres und Unnatürliches. Sie ist besessen – nicht von einem anderen Mann, sondern von einer monströsen Kreatur, die sie in einem heruntergekommenen Apartment in Berlin versteckt hält.
Die Symbolik des Horrors
Der Horror in „Possession“ ist nicht nur auf die Darstellung des Monströsen beschränkt. Er ist vielmehr eine Metapher für die inneren Dämonen, die in uns allen lauern. Annas Besessenheit kann als Ausdruck ihrer unterdrückten Wünsche, ihrer Ängste und ihrer Verzweiflung interpretiert werden. Sie sucht nach etwas, das ihr die verloren gegangene Liebe und Erfüllung ersetzen kann, und findet es in einer dunklen, zerstörerischen Kraft.
Auch Marks Abstieg in den Wahnsinn ist symbolisch. Er repräsentiert den Verlust der Identität und die Zerstörung des Selbst, wenn man mit dem Abgrund der menschlichen Natur konfrontiert wird. Seine Suche nach der Wahrheit führt ihn immer tiefer in eine Spirale der Gewalt und des Schmerzes, bis er schließlich selbst zum Opfer seiner eigenen Besessenheit wird.
Die Stadt Berlin, mit ihrer düsteren Atmosphäre und ihrer Geschichte der Teilung und des Traumas, dient als perfekter Hintergrund für die Geschichte von „Possession“. Sie ist ein Spiegelbild der inneren Zerrissenheit und Entfremdung der Charaktere. Die grauen, trostlosen Straßen und die verfallenen Gebäude verstärken das Gefühl der Hoffnungslosigkeit und des Ausweglosen.
Isabelle Adjani: Eine Tour de Force der Schauspielkunst
Isabelle Adjani liefert in „Possession“ eine der beeindruckendsten und furchteinflößendsten Leistungen der Filmgeschichte ab. Ihre Darstellung von Anna ist atemberaubend und herzzerreißend zugleich. Sie verkörpert die Zerrissenheit und den Wahnsinn ihrer Figur mit einer Intensität, die den Zuschauer in den Bann zieht. Ihre berühmte „Besessenheits“-Szene, in der sie in einem U-Bahn-Schacht einen epileptischen Anfall simuliert und dabei in einen Zustand extremer Ekstase und Verzweiflung gerät, ist ein unvergessliches und verstörendes Meisterwerk der Schauspielkunst.
Auch Sam Neill überzeugt in seiner Rolle als Mark. Er verkörpert die Verwirrung, die Angst und die zunehmende Verzweiflung seines Charakters auf glaubwürdige Weise. Seine Darstellung ist subtil und nuanciert, was den Kontrast zu Adjanis expressiver Performance noch verstärkt.
Die kontroverse Rezeption
„Possession“ wurde bei seiner Veröffentlichung im Jahr 1981 kontrovers aufgenommen. Einige Kritiker lobten den Film für seine Originalität, seine Intensität und seine tiefgründige Auseinandersetzung mit der menschlichen Natur. Andere kritisierten ihn für seine Gewaltdarstellung, seine Obskurität und seine angebliche Misogynie.
Der Film wurde in einigen Ländern zensiert und in gekürzten Fassungen veröffentlicht. Trotz der Kontroversen hat sich „Possession“ im Laufe der Jahre zu einem Kultfilm entwickelt und gilt heute als einer der wichtigsten und einflussreichsten Horrorfilme aller Zeiten.
Themen und Interpretationen
„Possession“ ist ein Film, der viele verschiedene Interpretationen zulässt. Er kann als Kommentar zur Entfremdung in der modernen Gesellschaft, zur Zerstörung der Liebe und zur Suche nach Identität gelesen werden. Einige Kritiker sehen in dem Film auch eine Allegorie auf die politische Situation im geteilten Berlin während des Kalten Krieges.
Ein weiteres wichtiges Thema des Films ist die Rolle der Frau in der Gesellschaft. Anna wird als eine Frau dargestellt, die sich von den traditionellen Erwartungen befreien will und nach ihrer eigenen Identität sucht. Ihre Besessenheit kann als ein Ausdruck ihres Kampfes gegen die Unterdrückung und die Konventionen interpretiert werden.
Die visuelle Sprache des Wahnsinns
Żuławski setzt in „Possession“ eine expressive und verstörende visuelle Sprache ein, um die innere Zerrissenheit der Charaktere und die Atmosphäre des Wahnsinns darzustellen. Die Kamera ist oft unruhig und rastlos, sie bewegt sich in schnellen, abrupten Schwenks und Zooms, die das Gefühl der Desorientierung und der Angst verstärken. Die Farbpalette ist düster und trist, dominiert von Grautönen, Schwarz und Blutrot.
Die surrealen und alptraumhaften Bilder des Films tragen dazu bei, eine Atmosphäre des Unbehagens und des Grauens zu erzeugen. Die Darstellung des Monströsen ist bewusst grotesk und verstörend, um die Zuschauer zu schockieren und zu verstören. Żuławski scheut sich nicht, die Grenzen des guten Geschmacks zu überschreiten, um seine künstlerische Vision zu verwirklichen.
Ein Film, der unter die Haut geht
„Possession“ ist kein Film für schwache Nerven. Er ist anspruchsvoll, verstörend und zutiefst beunruhigend. Aber er ist auch ein Meisterwerk des „Art-Horror“, das den Zuschauer mit einem Gefühl der Beklommenheit und des Unbehagens zurücklässt, das noch lange nach dem Abspann anhält.
Der Film ist eine Auseinandersetzung mit den dunklen Seiten der menschlichen Natur, mit der Entfremdung, der Zerstörung und der Suche nach Identität. Er ist ein Film, der unter die Haut geht und den Zuschauer dazu zwingt, sich mit seinen eigenen Ängsten und Dämonen auseinanderzusetzen. Wenn Sie auf der Suche nach einem Horrorfilm sind, der Sie wirklich schockiert und verstört, dann ist „Possession“ genau das Richtige für Sie.
Technische Details
Merkmal | Details |
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Originaltitel | Possession |
Erscheinungsjahr | 1981 |
Regie | Andrzej Żuławski |
Drehbuch | Andrzej Żuławski, Frederic Tuten |
Hauptdarsteller | Isabelle Adjani, Sam Neill |
Genre | Horror, Drama, Art House |
Land | Frankreich, Deutschland |
Laufzeit | 124 Minuten (Originalfassung) |
Warum Possession Sehenswert ist
- Eine intensive und verstörende Darstellung des Zerbrechens einer Ehe.
- Isabelle Adjanis herausragende Leistung, die als eine der besten in der Filmgeschichte gilt.
- Eine tiefgründige Auseinandersetzung mit Themen wie Entfremdung, Identität und die dunklen Seiten der menschlichen Natur.
- Eine expressive und verstörende visuelle Sprache, die eine Atmosphäre des Wahnsinns erzeugt.
- Ein Kultfilm, der im Laufe der Jahre zu einem der wichtigsten und einflussreichsten Horrorfilme aller Zeiten geworden ist.
Trotz der verstörenden Thematik und der kontroversen Darstellung bietet „Possession“ ein einzigartiges und unvergessliches Filmerlebnis. Er fordert den Zuschauer heraus, sich mit den Abgründen der menschlichen Psyche auseinanderzusetzen und regt zum Nachdenken über die Natur der Liebe, der Identität und der Realität an.