Tess – Ein Meisterwerk der Tragik und Schönheit
Tess, ein Film von Roman Polanski aus dem Jahr 1979, ist mehr als nur eine Verfilmung von Thomas Hardys gleichnamigem Roman. Er ist eine eindringliche Reise in das Herz einer jungen Frau, deren Leben von gesellschaftlichen Konventionen, tragischen Umständen und unerfüllter Liebe geprägt ist. Mit einer atemberaubenden Cinematographie, einer herausragenden Besetzung und einer tiefgründigen Auseinandersetzung mit Moral und Schicksal, ist Tess ein Film, der lange nachwirkt.
Die Geschichte einer Unschuldigen
Die Geschichte beginnt im ländlichen England des späten 19. Jahrhunderts. Tess Durbeyfield, ein junges Mädchen aus einer armen Familie, erfährt von ihrem Vater, dass sie von den wohlhabenden d’Urbervilles abstammt. In der Hoffnung auf ein besseres Leben wird Tess von ihrer Familie zu Alec d’Urberville geschickt, einem Mann, der zwar den Namen trägt, aber nicht wirklich mit ihr verwandt ist.
Alec, ein skrupelloser und egoistischer Mann, verführt Tess. Diese traumatische Erfahrung verändert ihr Leben für immer. Sie kehrt gedemütigt nach Hause zurück und bringt ein Kind zur Welt, das kurz nach der Geburt stirbt. Gezeichnet von diesen Ereignissen versucht Tess, einen Neuanfang zu wagen.
Ein Hoffnungsschimmer
Auf einer Milchfarm findet Tess eine neue Arbeit und verliebt sich in Angel Clare, einen jungen Mann aus gutem Hause, der jedoch mit den starren Moralvorstellungen seiner Zeit ringt. Angel ist fasziniert von Tess‘ Schönheit und ihrer natürlichen Anmut, und die beiden verlieben sich leidenschaftlich.
Vor ihrer Hochzeit gesteht Tess Angel ihre Vergangenheit mit Alec d’Urberville. Angel ist schockiert und kann Tess‘ Geständnis nicht akzeptieren. Obwohl er sie liebt, ist er nicht in der Lage, über die gesellschaftliche Schande hinwegzusehen, die er in ihrer Vergangenheit sieht. Er verlässt Tess und reist nach Brasilien, um dort sein Glück zu suchen.
Der Abstieg in die Verzweiflung
Verlassen und verzweifelt kämpft Tess ums Überleben. Sie versucht, Angel zu vergessen und ein unabhängiges Leben zu führen, doch die Armut und die gesellschaftliche Ächtung machen ihr das Leben schwer. In ihrer Not gerät sie erneut in die Fänge von Alec d’Urberville, der sie manipuliert und ausnutzt.
Als Angel nach England zurückkehrt, bereut er seine Entscheidung und erkennt, dass er Tess Unrecht getan hat. Er sucht sie verzweifelt, findet sie aber in einer aussichtslosen Situation: Sie ist Alecs Geliebte geworden, um ihre Familie zu unterstützen. In einem Anfall von Verzweiflung und Wut tötet Tess Alec. Zusammen fliehen Tess und Angel und finden für kurze Zeit ein friedliches Versteck. Doch ihre Flucht ist von kurzer Dauer.
Das tragische Ende
Am Ende wird Tess in Stonehenge verhaftet, einem Ort von großer historischer und symbolischer Bedeutung. Der Film endet mit ihrer Hinrichtung. Tess‘ tragisches Schicksal ist ein Spiegelbild der Ungerechtigkeit und der Doppelmoral der viktorianischen Gesellschaft.
Die filmische Umsetzung: Polanskis Meisterwerk
Roman Polanski hat mit Tess einen Film geschaffen, der sowohl visuell beeindruckend als auch emotional tiefgründig ist. Die wunderschönen Landschaftsaufnahmen, die detailgetreuen Kostüme und die präzise Regie erwecken die Welt von Thomas Hardys Roman auf der Leinwand zum Leben.
Die Cinematographie
Die Cinematographie von Ghislain Cloquet, der für seine Arbeit mit Robert Bresson bekannt war, ist ein entscheidender Faktor für die Schönheit und die Atmosphäre des Films. Die Bilder sind von einer sanften, natürlichen Farbpalette geprägt, die die ländliche Umgebung Englands perfekt einfängt. Die Kamera fängt die Schönheit der Natur ein, betont aber auch die Härte des Lebens, das Tess führt. Cloquet starb kurz nach den Dreharbeiten, und Polanski widmete ihm den Film.
Die Musik
Die Musik von Philippe Sarde unterstreicht die emotionalen Höhen und Tiefen der Geschichte. Die melancholischen Melodien verstärken die tragische Atmosphäre des Films und tragen dazu bei, die innere Zerrissenheit der Charaktere zu verdeutlichen. Die Musik ist subtil und unaufdringlich, unterstützt aber die Erzählung auf wirkungsvolle Weise.
Die Besetzung
Nastassja Kinski, die die Rolle der Tess verkörpert, liefert eine herausragende Leistung. Sie verkörpert Tess‘ Unschuld, ihre Verletzlichkeit und ihre innere Stärke auf beeindruckende Weise. Ihre Darstellung ist nuanciert und emotional berührend. Peter Firth als Angel Clare und Leigh Lawson als Alec d’Urberville überzeugen ebenfalls in ihren Rollen.
Themen und Interpretationen
Tess ist ein Film, der eine Vielzahl von Themen anspricht und zu unterschiedlichen Interpretationen einlädt.
Die Rolle der Frau in der viktorianischen Gesellschaft
Ein zentrales Thema des Films ist die Rolle der Frau in der viktorianischen Gesellschaft. Tess ist ein Opfer der Doppelmoral ihrer Zeit. Sie wird für ihre „Sünden“ verurteilt, während die Männer, die sie ausnutzen, ungeschoren davonkommen. Der Film kritisiert die starren gesellschaftlichen Konventionen, die Frauen unterdrücken und ihnen keine Möglichkeit geben, ihr eigenes Schicksal zu bestimmen.
Schicksal und freier Wille
Die Frage nach Schicksal und freiem Willen ist ein weiteres wichtiges Thema des Films. Tess scheint von Anfang an vom Unglück verfolgt zu sein. Ist sie ein Opfer ihres Schicksals, oder hat sie die Möglichkeit, ihr Leben selbst in die Hand zu nehmen? Der Film lässt diese Frage offen und lädt den Zuschauer zur Reflexion ein.
Natur und Zivilisation
Der Kontrast zwischen Natur und Zivilisation spielt ebenfalls eine wichtige Rolle in Tess. Die ländliche Umgebung, in der Tess aufwächst, steht im Gegensatz zu den starren Regeln und Konventionen der Gesellschaft. Tess fühlt sich in der Natur wohl und frei, während sie in der Zivilisation ständig mit Vorurteilen und Ungerechtigkeiten konfrontiert wird.
Liebe und Vergebung
Die Liebe zwischen Tess und Angel ist von Anfang an zum Scheitern verurteilt. Angels Unfähigkeit, Tess‘ Vergangenheit zu vergeben, führt zu ihrer Tragödie. Der Film stellt die Frage, ob wahre Liebe bedingungslos sein kann und ob Vergebung möglich ist, auch wenn sie gegen die gesellschaftlichen Normen verstößt.
Die Bedeutung des Films heute
Auch Jahrzehnte nach seiner Veröffentlichung hat Tess nichts von seiner Relevanz verloren. Die Themen, die der Film anspricht, sind nach wie vor aktuell. Die Ungleichheit zwischen Männern und Frauen, die Frage nach Schicksal und freiem Willen und die Kritik an starren gesellschaftlichen Konventionen sind auch heute noch wichtige Themen, die uns beschäftigen.
Ein Appell an mehr Menschlichkeit
Tess ist ein Film, der uns dazu auffordert, über unsere Vorurteile nachzudenken und mehr Menschlichkeit zu zeigen. Er erinnert uns daran, dass es wichtig ist, andere nicht zu verurteilen, sondern zu versuchen, sie zu verstehen. Er ist ein Plädoyer für Mitgefühl, Vergebung und die Akzeptanz der Unvollkommenheit des menschlichen Lebens.
Ein unvergessliches Filmerlebnis
Tess ist ein Film, der berührt, bewegt und zum Nachdenken anregt. Er ist ein Meisterwerk der Filmkunst, das man gesehen haben muss. Die Schönheit der Bilder, die Intensität der Emotionen und die Tiefe der Themen machen Tess zu einem unvergesslichen Filmerlebnis.
Auszeichnungen
- Oscar für die Beste Kamera
- Oscar für das Beste Kostümdesign
- César für den Besten Film
- Golden Globe Award für den Besten fremdsprachigen Film
Wichtige Darsteller:
Schauspieler | Rolle |
---|---|
Nastassja Kinski | Tess Durbeyfield |
Peter Firth | Angel Clare |
Leigh Lawson | Alec d’Urberville |
Tess ist mehr als nur ein Film – es ist eine zeitlose Geschichte über Liebe, Verlust und die Suche nach Würde in einer Welt voller Ungerechtigkeit.