The Visit (2015): Ein verstörender Blick hinter die Fassade familiärer Idylle
In M. Night Shyamalans beklemmendem Horror-Thriller „The Visit“ begeben wir uns auf eine nervenaufreibende Reise mit den Geschwistern Becca und Tyler, die ihre Großeltern zum ersten Mal in ihrem Leben besuchen. Was als eine Woche voller unschuldiger Familienbande und nostalgischer Wiedervereinigungen beginnt, entwickelt sich rasch zu einem alptraumhaften Abstieg in eine Welt des Grauens und der unvorstellbaren Wahrheit.
Die Reise zu den Großeltern: Eine Hoffnung auf Versöhnung
Die alleinerziehende Mutter Loretta Jamison kämpft mit den Schatten ihrer Vergangenheit. Vor fünfzehn Jahren brach sie den Kontakt zu ihren Eltern, Nana und Pop Pop, abrupt ab. Um ihrer Mutter eine Woche der Selbstfindung zu ermöglichen, willigen Becca und Tyler ein, ihre Großeltern in deren abgeschiedenen Farm in Pennsylvania zu besuchen. Becca, die angehende Filmemacherin, sieht in diesem Besuch die Chance, ein Dokumentarfilmprojekt zu realisieren und die zerrüttete Beziehung ihrer Familie zu heilen. Tyler, ihr jüngerer Bruder, ein aufstrebender Rapper mit einer Vorliebe für ausgefallene Reime, begleitet sie widerwillig, aber mit dem Wunsch, seine Mutter zu unterstützen.
Die Ankunft auf der Farm ist zunächst von herzlicher Gastfreundschaft geprägt. Nana und Pop Pop empfangen ihre Enkelkinder mit offenen Armen, selbstgebackenen Keksen und liebevollen Umarmungen. Die Geschwister tauchen ein in das ländliche Idyll, erkunden die weitläufigen Felder, helfen im Garten und lauschen den Geschichten ihrer Großeltern. Becca beginnt, ihr Filmprojekt zu verwirklichen, interviewt ihre Großeltern und filmt ihren Alltag, in der Hoffnung, die Ursachen für den Familienstreit zu ergründen.
Die Fassade bröckelt: Unheimliche Ereignisse und wachsende Besorgnis
Doch mit jedem Tag, der vergeht, werden die Ereignisse auf der Farm immer verstörender. Nana und Pop Pop zeigen ein zunehmend sonderbares Verhalten. Nächtliche Kratzgeräusche an der Tür, seltsame Rituale und unkontrollierte Wutausbrüche trüben die anfängliche Harmonie. Becca und Tyler versuchen zunächst, die Vorfälle zu rationalisieren, doch die unheimlichen Vorkommnisse häufen sich und nähren ihre wachsende Besorgnis.
Tyler, der unter Keimphobie leidet, wird zunehmend paranoid. Er beobachtet Nana, wie sie sich in der Nacht in den Schuppen schleicht und mit einem Messer hantiert. Becca hingegen entdeckt alte Fotos, die Hinweise auf eine dunkle Vergangenheit ihrer Großeltern liefern. Die Geschwister beginnen zu ahnen, dass auf der Farm etwas nicht stimmt und dass ihre Großeltern möglicherweise nicht die sind, die sie vorgeben zu sein.
Die Konfrontation: Eine Nacht des Grauens
Als die Situation eskaliert, beschließen Becca und Tyler, ihre Mutter zu kontaktieren und um Hilfe zu bitten. Doch das Telefonnetz ist unterbrochen, und sie sind auf der Farm gefangen, den Launen ihrer vermeintlichen Großeltern ausgeliefert. In einer nervenaufreibenden Nacht entlarven die Geschwister die schockierende Wahrheit: Die Personen, die sich als Nana und Pop Pop ausgeben, sind in Wirklichkeit zwei entflohene Patienten einer psychiatrischen Anstalt, die die echten Großeltern ermordet haben und deren Identität angenommen haben.
Es entbrennt ein Kampf ums Überleben. Becca und Tyler müssen all ihren Mut und ihre Cleverness aufbringen, um ihren Peinigern zu entkommen. In einem Katz-und-Maus-Spiel durch das dunkle Farmhaus werden sie mit ihren tiefsten Ängsten konfrontiert. Becca, die traumatische Erfahrungen mit ihrem abwesenden Vater verarbeitet, findet in ihrem Bruder Tyler eine unerwartete Stütze. Gemeinsam stellen sie sich dem Bösen und kämpfen um ihr Leben.
Die Auflösung: Befreiung und Versöhnung
In einem dramatischen Finale gelingt es Becca und Tyler, ihre falschen Großeltern zu überwältigen und zu fliehen. Die Polizei befreit sie aus ihrer Gefangenschaft, und die Wahrheit über das grausame Verbrechen kommt ans Licht. Loretta, die von dem Schicksal ihrer Kinder erfährt, eilt zu ihnen und schließt sie in die Arme. Die Familie ist wieder vereint, wenn auch unter tragischen Umständen.
Becca vollendet ihren Dokumentarfilm und konfrontiert ihre Mutter mit der Wahrheit über ihre Vergangenheit. Loretta gesteht, dass sie ihre Eltern verlassen hat, nachdem sie erfahren hatte, dass ihr Vater ihre Mutter missbraucht hatte. Durch die Aussöhnung mit ihrer Mutter gelingt es Becca, ihre eigenen Ängste und Unsicherheiten zu überwinden. Tyler, der während der traumatischen Erlebnisse seinen Keimphobie überwunden hat, findet neue Stärke und Selbstvertrauen.
Themen und Motive: Jenseits des reinen Horrors
„The Visit“ ist mehr als nur ein Horrorfilm. Er thematisiert auf subtile Weise komplexe Themen wie Familie, Trauma, Versöhnung und die Wahrnehmung von Realität. Der Film spielt mit unseren Urängsten vor dem Unbekannten und dem Verlust der Kontrolle. Er hinterfragt die Idealisierung der Familie und zeigt, dass hinter der Fassade der Harmonie oft dunkle Geheimnisse lauern können.
Die Darstellung der Großeltern als psychopathische Mörder ist verstörend und schockierend. Sie verkörpern die Angst vor dem Alter, dem Verfall und dem Verlust der geistigen Gesundheit. Gleichzeitig werden sie als Opfer ihrer eigenen Vergangenheit dargestellt, die sie zu ihren grausamen Taten getrieben hat.
Die Geschwister Becca und Tyler sind die eigentlichen Helden des Films. Sie zeigen Mut, Resilienz und die Fähigkeit, auch in den dunkelsten Momenten zusammenzuhalten. Ihre Beziehung zueinander ist von tiefer Zuneigung und gegenseitiger Unterstützung geprägt. Sie lernen, sich aufeinander zu verlassen und ihre eigenen Schwächen zu überwinden.
Die Inszenierung: Shyamalans Meisterwerk des subtilen Horrors
M. Night Shyamalan beweist mit „The Visit“ erneut sein Talent für subtilen Horror. Er verzichtet auf übertriebene Splatter-Effekte und setzt stattdessen auf psychologischen Terror und eine beklemmende Atmosphäre. Die Inszenierung ist minimalistisch und konzentriert sich auf die Interaktion der Charaktere. Die Handkamera, die Becca für ihren Dokumentarfilm verwendet, verleiht dem Film eine realistische und intime Note.
Shyamalan spielt geschickt mit den Erwartungen des Zuschauers und überrascht ihn mit unerwarteten Wendungen. Der Film ist von Anfang bis Ende spannend und hält den Zuschauer in Atem. Die schauspielerischen Leistungen sind überzeugend, insbesondere die Darstellungen von Olivia DeJonge als Becca und Ed Oxenbould als Tyler. Deanna Dunagan und Peter McRobbie liefern als falsche Großeltern eine erschreckend glaubwürdige Performance ab.
Fazit: Ein verstörender, aber lohnender Film
„The Visit“ ist ein verstörender, aber lohnender Film, der lange nachwirkt. Er ist ein Meisterwerk des psychologischen Horrors, das auf intelligente Weise komplexe Themen behandelt. Der Film ist nicht für zarte Gemüter geeignet, aber für alle, die sich auf eine nervenaufreibende und tiefgründige Filmerfahrung einlassen möchten, ist „The Visit“ ein absolutes Muss.
Besetzung:
Schauspieler | Rolle |
---|---|
Olivia DeJonge | Becca |
Ed Oxenbould | Tyler |
Deanna Dunagan | Nana |
Peter McRobbie | Pop Pop |
Kathryn Hahn | Loretta Jamison |
Technische Daten:
- Regie: M. Night Shyamalan
- Drehbuch: M. Night Shyamalan
- Produktionsjahr: 2015
- Länge: 94 Minuten
- Genre: Horror, Thriller