There Will Be Blood: Ein Epos über Ambition, Wahnsinn und die Gier nach Öl
Paul Thomas Andersons „There Will Be Blood“ ist mehr als nur ein Film; es ist eine hypnotische Reise in die Tiefen der menschlichen Seele, ein Porträt von unbändigem Ehrgeiz und die zerstörerische Kraft der Gier. Daniel Plainview, brillant verkörpert von Daniel Day-Lewis in einer Oscar-prämierten Leistung, ist ein Mann, der von dem unstillbaren Durst nach Erfolg angetrieben wird. Wir begleiten ihn auf seinem Aufstieg vom einfachen Silberminenarbeiter zum mächtigen Ölbaron im Kalifornien des frühen 20. Jahrhunderts.
Die Entdeckung des schwarzen Goldes
Die Geschichte beginnt mit Plainviews harter Arbeit und seinem unerschütterlichen Glauben an sein eigenes Können. Er schuftet unter der sengenden Sonne, gräbt nach Silber und riskiert sein Leben in den Tiefen der Erde. Doch sein Leben nimmt eine entscheidende Wendung, als er von einem Ölfleck auf einem abgelegenen Stück Land erfährt. Diese Entdeckung entfacht in ihm ein Feuer, das ihn unaufhaltsam vorantreibt.
Plainview reist nach Little Boston, einem verschlafenen Nest in der kalifornischen Wüste, angelockt von dem Versprechen enormer Ölreserven unter der Oberfläche. Dort trifft er auf die Familie Sunday, insbesondere auf den jungen und charismatischen Prediger Eli Sunday (Paul Dano). Zwischen den beiden Männern entbrennt ein Konflikt, der von Misstrauen, Neid und einer tief verwurzelten Feindseligkeit geprägt ist. Plainview, der keinerlei spirituelle Überzeugung hegt, sieht in Eli lediglich ein Hindernis auf seinem Weg zum Erfolg, während Eli in Plainviews wachsendem Reichtum eine Bedrohung für seine eigene Machtposition erkennt.
Familie als Fassade
Um das Vertrauen der lokalen Bevölkerung zu gewinnen und die Landrechte zu sichern, inszeniert Plainview eine heile Familienfassade. Er adoptiert den Waisenjungen H.W. (Dillon Freasier), den Sohn eines seiner Arbeiter, und präsentiert sich als fürsorglicher Vater und respektabler Geschäftsmann. Doch hinter dieser Maske verbirgt sich ein Mann, der unfähig ist, echte emotionale Bindungen einzugehen. H.W. wird für ihn zum Werkzeug, um seine Ziele zu erreichen, und die Beziehung zwischen den beiden wird im Laufe der Jahre immer distanzierter und von Missverständnissen geprägt.
Plainviews Besessenheit vom Öl trübt zunehmend seinen Verstand. Er wird misstrauisch gegenüber allen, die ihm nahestehen, und seine Gier kennt keine Grenzen. Er beutet die Landbesitzer aus, manipuliert seine Geschäftspartner und schreckt selbst vor Gewalt nicht zurück, um seine Interessen durchzusetzen. Die Ölquelle sprudelt, das Geld fließt, doch Plainview bezahlt einen hohen Preis für seinen Erfolg: Er verliert seine Menschlichkeit.
Der Kampf mit Eli Sunday
Der Konflikt zwischen Plainview und Eli Sunday eskaliert im Laufe der Jahre zu einem regelrechten Krieg. Eli, der sich als Sprachrohr Gottes sieht, versucht Plainview zu demütigen und zu kontrollieren. Plainview wiederum verspottet Elis religiösen Fanatismus und sieht in ihm einen Scharlatan, der die Not der Menschen ausnutzt. Ihre Auseinandersetzungen sind von verbalen Schlagabtauschen, Demütigungen und einer tiefen gegenseitigen Verachtung geprägt. Sie sind zwei Seiten derselben Medaille: Beide sind getrieben von dem Wunsch nach Macht und Kontrolle, und beide sind bereit, dafür über Leichen zu gehen.
Ein zentraler Wendepunkt im Film ist der Sonntagsgottesdienst, in dem Plainview gezwungen wird, sich öffentlich zu demütigen und seine „Sünden“ zu bekennen, um die Erlaubnis zum Bau einer Pipeline zu erhalten. Diese Szene ist ein Meisterwerk der Inszenierung und zeigt die Machtdynamik zwischen den beiden Männern in ihrer ganzen Brutalität.
Der Preis des Erfolgs
Jahre später, nachdem er zu einem der reichsten Männer des Landes geworden ist, lebt Plainview isoliert in seinem prunkvollen Anwesen. Er ist ein gebrochener Mann, der von Alkohol und Paranoia geplagt wird. Seine Beziehung zu H.W. ist irreparabel beschädigt, und er hat alle Menschen verloren, die ihm einst nahestanden.
In einer der denkwürdigsten Szenen des Films kommt es zu einer letzten Konfrontation zwischen Plainview und Eli Sunday. Eli, der mittlerweile selbst ein heruntergekommener und desillusionierter Prediger ist, bittet Plainview um eine Finanzierung für seine neue Kirche. Plainview, der seine ganze Wut und Verachtung auf Eli konzentriert, demütigt ihn erneut und enthüllt seine eigene innere Leere. Die Szene endet in einem Akt brutaler Gewalt, der Plainviews endgültigen Abstieg in den Wahnsinn besiegelt.
Themen und Interpretationen
„There Will Be Blood“ ist ein Film, der viele Interpretationen zulässt. Er ist eine Kritik am Kapitalismus, eine Allegorie über die zerstörerische Kraft der Gier und eine Studie über die Isolation und Entfremdung des modernen Menschen.
- Gier und Kapitalismus: Der Film zeigt, wie der unerbittliche Wettbewerb und die Jagd nach Profit die Menschen dehumanisieren und zu skrupellosen Handlungen treiben können. Plainview ist ein Symbol für den rücksichtslosen Kapitalisten, der bereit ist, alles zu opfern, um seine Ziele zu erreichen.
- Religion und Glaube: Der Konflikt zwischen Plainview und Eli Sunday thematisiert die Spannung zwischen Glauben und Rationalität. Eli repräsentiert den religiösen Fanatismus, der von Manipulation und Machtstreben geprägt ist, während Plainview den Skeptiker verkörpert, der keinerlei spirituelle Überzeugung hegt.
- Familie und Isolation: Der Film zeigt die Unfähigkeit von Plainview, echte emotionale Bindungen einzugehen. Seine Beziehung zu H.W. ist ein Beispiel für die Entfremdung und Isolation, die durch seine Besessenheit vom Erfolg verursacht wird.
- Der amerikanische Traum: „There Will Be Blood“ dekonstruiert den Mythos des amerikanischen Traums, indem er zeigt, wie der unerbittliche Wettbewerb und die Gier nach Reichtum zu moralischem Verfall und innerer Leere führen können.
Die schauspielerische Leistung von Daniel Day-Lewis
Daniel Day-Lewis‘ Darstellung des Daniel Plainview ist schlichtweg atemberaubend. Er verkörpert die Figur mit einer Intensität und Präzision, die ihresgleichen sucht. Day-Lewis taucht vollständig in die Rolle ein und verleiht Plainview eine komplexe Persönlichkeit, die sowohl faszinierend als auch abstoßend ist. Seine Leistung ist ein Meisterwerk des Schauspiels und trug maßgeblich zum Erfolg des Films bei.
Die visuelle Pracht und der Soundtrack
Paul Thomas Anderson ist ein Meister der visuellen Inszenierung, und „There Will Be Blood“ ist ein Paradebeispiel für sein Können. Die Kameraführung ist dynamisch und fängt die Schönheit und Härte der kalifornischen Landschaft ein. Die Bilder sind von einer düsteren und bedrohlichen Atmosphäre durchzogen, die die innere Zerrissenheit der Charaktere widerspiegelt.
Der Soundtrack von Jonny Greenwood (Radiohead) ist ebenso beeindruckend. Die Musik ist dissonant, unheilvoll und verstärkt die emotionale Wirkung des Films. Die Verwendung von Streichern und Perkussion erzeugt eine beklemmende Atmosphäre, die den Zuschauer in den Bann zieht.
„There Will Be Blood“ ist ein unvergessliches Filmerlebnis, das den Zuschauer noch lange nach dem Abspann beschäftigt. Es ist ein Meisterwerk des modernen Kinos, das durch seine brillante Regie, die herausragenden schauspielerischen Leistungen und die tiefgründigen Themen besticht. Der Film ist eine Herausforderung, eine Provokation und eine Einladung, über die dunklen Seiten der menschlichen Natur nachzudenken. Wer sich auf diese Reise einlässt, wird mit einem Film belohnt, der unter die Haut geht und noch lange nachwirkt.