Und Gerechtigkeit für alle: Ein erschütternder Blick in die Abgründe der Justiz
In dem packenden Justizdrama „…und Gerechtigkeit für alle“ (Originaltitel: „…And Justice for All“) aus dem Jahr 1979 entfaltet sich ein düsteres Bild des amerikanischen Rechtssystems. Unter der Regie von Norman Jewison brilliert Al Pacino in der Rolle des idealistischen Strafverteidigers Arthur Kirkland, der inmitten von Korruption, politischem Kalkül und persönlicher Tragödien um die Wahrheit kämpft. Der Film, der für zwei Oscars nominiert war, ist mehr als nur ein Gerichtssaal-Thriller; er ist eine bewegende Anklage gegen ein System, das die Gerechtigkeit oft mit Füßen tritt.
Die Handlung: Ein Kampf gegen Windmühlen
Arthur Kirkland ist ein Anwalt mit Herz und Seele. Er glaubt an die Unschuldsvermutung und setzt sich unermüdlich für seine Mandanten ein, selbst wenn diese am Rande der Gesellschaft stehen. Sein Idealismus wird jedoch auf eine harte Probe gestellt, als er gezwungen wird, Richter Henry T. Fleming (John Forsythe) zu verteidigen, der wegen Vergewaltigung angeklagt ist. Fleming ist nicht nur ein angesehenes Mitglied der Justiz, sondern auch Kirklands persönlicher Feind. Er steht für alles, was Kirkland in diesem System verachtet: Machtmissbrauch, Arroganz und eine zynische Haltung gegenüber dem Recht.
Kirkland gerät in einen moralischen Konflikt. Einerseits ist er seinen Mandanten verpflichtet, andererseits kann er Fleming nicht ausstehen und glaubt fest an dessen Schuld. Hinzu kommt, dass Fleming ihn offen verachtet und versucht, ihn zu manipulieren. Kirkland weiß, dass er in einem System gefangen ist, in dem die Wahrheit oft zweitrangig ist und politische Ränkespiele und persönliche Eitelkeiten eine größere Rolle spielen. Er muss sich entscheiden: Soll er seine Ideale verraten und Fleming freisprechen, oder soll er alles riskieren, um die Wahrheit ans Licht zu bringen?
Neben dem Fall Fleming kämpft Kirkland auch für andere Mandanten. Da ist der unschuldige Jugendliche Jeff McCullaugh (Thomas G. Waites), der fälschlicherweise eines Verbrechens beschuldigt wird und dessen Fall die Unfähigkeit des Systems, die Schwächsten zu schützen, schonungslos aufdeckt. Und da ist Kirklands Großvater Sam Kirkland (Lee Strasberg), der ebenfalls Anwalt ist und unter Depressionen leidet. Sam verkörpert die Resignation und den Zynismus, der sich im Laufe der Zeit bei vielen Juristen breitgemacht hat. Er ist ein Spiegelbild dessen, was aus Arthur werden könnte, wenn er seine Ideale aufgibt.
Die Charaktere: Zwischen Idealismus und Resignation
Die Figuren in „…und Gerechtigkeit für alle“ sind komplex und vielschichtig. Sie sind keine einfachen Gut-Böse-Schemata, sondern Menschen mit Stärken und Schwächen, Hoffnungen und Ängsten.
- Arthur Kirkland (Al Pacino): Der idealistische Anwalt, der an die Gerechtigkeit glaubt, aber zunehmend an dem System verzweifelt, in dem er arbeitet. Pacinos Darstellung ist intensiv und mitreißend. Er verkörpert die Zerrissenheit eines Mannes, der zwischen seinen Idealen und der Realität steht.
- Richter Henry T. Fleming (John Forsythe): Der arrogante und machtbesessene Richter, der seine Position missbraucht und glaubt, über dem Gesetz zu stehen. Forsythe spielt Fleming mit einer perfiden Kaltschnäuzigkeit, die ihn zu einem Hassobjekt macht.
- Sam Kirkland (Lee Strasberg): Arthurs Großvater, ein ehemaliger Anwalt, der von Depressionen geplagt ist und den Glauben an die Gerechtigkeit verloren hat. Strasbergs Darstellung ist ergreifend und zeigt die psychischen Belastungen, denen Juristen ausgesetzt sind.
- Gail Packer (Christine Lahti): Eine Sozialarbeiterin und Arthurs Freundin, die versucht, ihm den Rücken zu stärken und ihn an seine Ideale zu erinnern. Lahti verkörpert die Stimme der Vernunft und des Mitgefühls.
Die Themen: Eine Anklage gegen das System
„…und Gerechtigkeit für alle“ behandelt eine Vielzahl von wichtigen Themen, die bis heute relevant sind:
- Korruption: Der Film zeigt, wie Korruption in den höchsten Kreisen der Justiz grassiert und wie sie die Gerechtigkeit untergräbt.
- Machtmissbrauch: Richter und Staatsanwälte missbrauchen ihre Macht, um ihre persönlichen Interessen zu verfolgen und unschuldige Menschen zu verurteilen.
- Zynismus: Viele Juristen haben den Glauben an die Gerechtigkeit verloren und betrachten ihren Beruf nur noch als Job.
- Die Unschuldsvermutung: Der Film zeigt, wie die Unschuldsvermutung in der Praxis oft mit Füßen getreten wird und wie unschuldige Menschen aufgrund von Vorurteilen und politischen Ränkespielen verurteilt werden.
- Die psychischen Belastungen des Juristenberufs: Der Film thematisiert die psychischen Belastungen, denen Juristen aufgrund des hohen Drucks, der Verantwortung und der Konfrontation mit Leid und Ungerechtigkeit ausgesetzt sind.
Die Inszenierung: Ein düsteres Spiegelbild der Realität
Norman Jewison inszeniert „…und Gerechtigkeit für alle“ als düsteres und realistisches Drama. Die Kameraarbeit ist unaufgeregt, aber effektiv. Sie fängt die trostlose Atmosphäre der Gerichtssäle und Gefängnisse ein und vermittelt dem Zuschauer das Gefühl, mitten im Geschehen zu sein. Die Musik von Dave Grusin ist unaufdringlich, aber sie verstärkt die emotionale Wirkung der Geschichte.
Besonders beeindruckend sind die Gerichtsszenen, in denen Pacino zu Höchstform aufläuft. Seine leidenschaftlichen Plädoyers sind ein Appell an die Menschlichkeit und ein Aufruf zur Gerechtigkeit. Die Schlussszene, in der Kirkland vor Gericht einen Nervenzusammenbruch erleidet und seine Verzweiflung und Wut herausschreit, ist eine der eindringlichsten und verstörendsten Szenen der Filmgeschichte.
Die Wirkung: Ein Film, der zum Nachdenken anregt
„…und Gerechtigkeit für alle“ ist ein Film, der lange nachwirkt. Er ist eine Anklage gegen ein System, das oft versagt, aber er ist auch eine Hommage an die Menschen, die sich für die Gerechtigkeit einsetzen. Der Film regt zum Nachdenken an über die Bedeutung von Gerechtigkeit, über die Verantwortung des Einzelnen und über die Grenzen des Systems.
Der Film hat auch eine gesellschaftliche Wirkung erzielt. Er hat dazu beigetragen, die Missstände im amerikanischen Rechtssystem öffentlich zu machen und eine Debatte über die Notwendigkeit von Reformen anzustoßen. „…und Gerechtigkeit für alle“ ist ein wichtiger Film, der auch heute noch relevant ist. Er erinnert uns daran, dass wir uns niemals mit Ungerechtigkeit abfinden dürfen und dass wir immer für unsere Ideale kämpfen müssen.
Auszeichnungen und Nominierungen:
Preis | Kategorie | Ergebnis |
---|---|---|
Oscar | Bester Hauptdarsteller (Al Pacino) | Nominiert |
Oscar | Bestes Originaldrehbuch | Nominiert |
Golden Globe | Bester Hauptdarsteller – Drama (Al Pacino) | Nominiert |
Fazit: Ein Meisterwerk des Justizdramas
„…und Gerechtigkeit für alle“ ist ein Meisterwerk des Justizdramas. Er ist ein spannender, bewegender und aufrüttelnder Film, der zum Nachdenken anregt und uns die Augen für die Missstände in unserem Rechtssystem öffnet. Al Pacino liefert eine seiner besten Leistungen ab und Norman Jewison beweist erneut sein Talent für die Inszenierung von gesellschaftlich relevanten Themen. Dieser Film ist ein Muss für alle, die sich für Gerechtigkeit, Menschenrechte und die Funktionsweise unserer Gesellschaft interessieren.