Utoya: 22. Juli – Ein Film, der unter die Haut geht
„Utoya: 22. Juli“ ist mehr als nur ein Film; es ist eine erschütternde und zugleich wichtige Auseinandersetzung mit einem der dunkelsten Kapitel der norwegischen Geschichte. Der Film, der 2018 unter der Regie von Erik Poppe entstand, rekonstruiert die Ereignisse des Terroranschlags auf der Insel Utøya im Jahr 2011 aus der Perspektive der Opfer. Anders als viele andere Filme, die sich mit Terrorismus auseinandersetzen, verzichtet „Utoya: 22. Juli“ auf Sensationslust und konzentriert sich stattdessen auf die menschliche Erfahrung, die Angst, die Verzweiflung und den unerschütterlichen Überlebenswillen der Jugendlichen, die an diesem Tag unfassbares Leid erfahren mussten.
Die schonungslose Darstellung der Ereignisse
Der Film beginnt kurz vor dem eigentlichen Anschlag. Wir sehen junge Menschen, die sich auf ein Sommerlager der Arbeiterpartei freuen, diskutieren, lachen und Freundschaften schließen. Die Atmosphäre ist unbeschwert und voller Hoffnung – bis die ersten Schüsse fallen. Von diesem Moment an ändert sich alles. Die Kamera bleibt unerbittlich nah an den Jugendlichen, verfolgt ihre panischen Fluchtversuche, ihre Verstecke und ihre verzweifelten Versuche, einander zu helfen.
Besonders bemerkenswert ist die Entscheidung des Regisseurs, den Film in Echtzeit und als One-Shot-Film zu inszenieren. Dies bedeutet, dass die gesamte Handlung ohne Schnitte dargestellt wird, was die klaustrophobische Atmosphäre und die Intensität der Situation noch verstärkt. Als Zuschauer wird man unmittelbar in das Geschehen hineingezogen und erlebt die Ereignisse so, als wäre man selbst vor Ort. Dies ist emotional herausfordernd, aber auch unglaublich eindringlich und ermöglicht es, die Angst und das Grauen der Jugendlichen auf einer tiefen, persönlichen Ebene zu verstehen.
Kaja – Eine Protagonistin, die Mut macht
Im Zentrum des Films steht Kaja, eine fiktive Figur, die stellvertretend für viele der Jugendlichen auf Utøya steht. Gespielt wird sie von Andrea Berntzen, die eine beeindruckende Leistung abliefert. Kaja ist eine junge Frau mit Idealen und Überzeugungen. Sie ist engagiert, mutig und bereit, für das einzustehen, woran sie glaubt. Als der Terror beginnt, verwandelt sich Kaja von einer idealistischen Jugendlichen in eine Überlebende, die alles tut, um sich und andere zu retten. Ihre Entscheidungen, ihre Ängste und ihre Verzweiflung werden authentisch und nachvollziehbar dargestellt.
Kaja wird zur Stimme der Hoffnung und des Widerstands inmitten des Chaos. Sie hilft anderen Jugendlichen, sich zu verstecken, tröstet sie und versucht, ihnen Mut zuzusprechen. Ihr unerschütterlicher Glaube an die Menschlichkeit und ihre Fähigkeit, selbst in den dunkelsten Momenten Hoffnung zu finden, machen sie zu einer inspirierenden Figur. Kaja verkörpert den unbezwingbaren Willen des menschlichen Geistes, selbst unter den schlimmsten Umständen nicht aufzugeben.
Die Bedeutung der Perspektive der Opfer
„Utoya: 22. Juli“ unterscheidet sich von anderen Filmen über Terrorismus vor allem dadurch, dass er sich ausschließlich auf die Perspektive der Opfer konzentriert. Der Täter wird nicht gezeigt, seine Motive werden nicht diskutiert. Stattdessen geht es um die Jugendlichen, ihre Ängste, ihre Träume und ihre Beziehungen zueinander. Der Film gibt den Opfern eine Stimme und würdigt ihr Leid. Er erinnert uns daran, dass hinter jeder Schlagzeile und jeder Statistik menschliche Schicksale stehen, die es wert sind, gehört und gesehen zu werden.
Indem der Film den Fokus auf die Opfer legt, vermeidet er es, dem Täter eine Plattform zu bieten oder seine Taten zu rechtfertigen. Stattdessen stellt er die Menschlichkeit und die Widerstandsfähigkeit der Jugendlichen in den Vordergrund. Er zeigt, wie sie trotz des erlittenen Traumas und der erlebten Gewalt zusammenhalten, sich gegenseitig unterstützen und versuchen, einen Weg zurück ins Leben zu finden.
Die Authentizität und die ethische Verantwortung
Die Macher von „Utoya: 22. Juli“ haben bei der Umsetzung des Films großen Wert auf Authentizität und ethische Verantwortung gelegt. Sie haben eng mit Überlebenden und Angehörigen zusammengearbeitet, um sicherzustellen, dass die Darstellung der Ereignisse so genau und respektvoll wie möglich ist. Der Film ist kein reißerisches Spektakel, sondern eine sensible und einfühlsame Auseinandersetzung mit einem traumatischen Ereignis.
Die Entscheidung, den Film in Echtzeit und als One-Shot-Film zu drehen, war ein mutiger Schritt, der jedoch dazu beiträgt, die Authentizität und die Intensität der Erfahrung zu verstärken. Der Film verzichtet auf dramatische Musik oder Effekte, um die Aufmerksamkeit nicht von den eigentlichen Protagonisten – den Jugendlichen – abzulenken. Stattdessen konzentriert er sich auf ihre Gesichter, ihre Stimmen und ihre Körper, um ihre Angst, ihre Verzweiflung und ihren Überlebenswillen zu vermitteln.
Ein Film, der zum Nachdenken anregt
„Utoya: 22. Juli“ ist ein Film, der lange nachwirkt. Er regt zum Nachdenken über die Ursachen von Terrorismus, die Bedeutung von Toleranz und Vielfalt und die Notwendigkeit, sich gegen Hass und Gewalt zu stellen. Der Film erinnert uns daran, dass wir als Gesellschaft eine Verantwortung haben, junge Menschen vor Extremismus und Radikalisierung zu schützen und ihnen eine Stimme zu geben.
Darüber hinaus wirft der Film wichtige Fragen nach der Rolle der Medien in der Berichterstattung über Terroranschläge auf. Sollten wir den Tätern eine Plattform bieten, indem wir ihre Motive und Ideologien diskutieren? Oder sollten wir uns stattdessen auf die Opfer konzentrieren und ihre Geschichten erzählen? „Utoya: 22. Juli“ plädiert eindeutig für die zweite Option. Er zeigt, dass es möglich ist, über Terrorismus zu sprechen, ohne ihn zu verherrlichen oder zu rechtfertigen.
Die schauspielerischen Leistungen
Die schauspielerischen Leistungen in „Utoya: 22. Juli“ sind durchweg herausragend. Andrea Berntzen verkörpert Kaja mit einer Intensität und Authentizität, die einen tief berührt. Die anderen jungen Schauspielerinnen und Schauspieler, die die anderen Jugendlichen auf Utøya darstellen, leisten ebenfalls hervorragende Arbeit. Sie vermitteln die Angst, die Verzweiflung und den Überlebenswillen ihrer Figuren auf eine Weise, die einen nicht kalt lässt.
Besonders bemerkenswert ist die Tatsache, dass viele der Schauspielerinnen und Schauspieler zum Zeitpunkt der Dreharbeiten selbst noch sehr jung waren. Sie mussten sich in eine Situation hineinversetzen, die für sie unvorstellbar war, und dabei die emotionalen und psychischen Belastungen ihrer Figuren glaubhaft darstellen. Dies ist ihnen auf beeindruckende Weise gelungen.
Die Musik und die Kameraführung
Die Musik in „Utoya: 22. Juli“ ist bewusst zurückhaltend und unaufdringlich. Sie dient dazu, die Atmosphäre zu unterstützen und die Emotionen der Zuschauer zu verstärken, ohne jedoch die Aufmerksamkeit von den eigentlichen Protagonisten abzulenken. Die Kameraführung ist ebenfalls sehr effektiv. Sie bleibt nah an den Jugendlichen, verfolgt ihre Bewegungen und fängt ihre Gesichter ein. Dadurch entsteht eine klaustrophobische und intensive Atmosphäre, die einen als Zuschauer unmittelbar in das Geschehen hineinzieht.
Die Entscheidung, den Film in Echtzeit und als One-Shot-Film zu drehen, stellt eine besondere Herausforderung an die Kameraführung dar. Die Kamera muss ständig in Bewegung sein, um die Handlung zu verfolgen und die verschiedenen Perspektiven der Figuren einzufangen. Gleichzeitig muss sie jedoch auch ruhig und stabil bleiben, um die Zuschauer nicht zu überfordern. Diese Balance ist den Machern des Films auf beeindruckende Weise gelungen.
Der Regisseur Erik Poppe
Erik Poppe ist ein norwegischer Regisseur, der für seine sozialkritischen und realistischen Filme bekannt ist. Er hat bereits mehrere preisgekrönte Filme gedreht, darunter „Hawaii, Oslo“ und „Tusen ganger god natt“. In „Utoya: 22. Juli“ beweist er erneut sein Talent, komplexe und sensible Themen auf eine Weise anzugehen, die sowohl berührend als auch zum Nachdenken anregend ist.
Poppe hat sich bei der Umsetzung des Films von Anfang an bewusst dafür entschieden, den Fokus auf die Perspektive der Opfer zu legen. Er wollte einen Film machen, der die Jugendlichen auf Utøya würdigt und ihre Geschichten erzählt. Gleichzeitig wollte er einen Film machen, der zum Nachdenken über die Ursachen von Terrorismus und die Notwendigkeit von Toleranz und Vielfalt anregt.
Die Botschaft des Films
Die Botschaft von „Utoya: 22. Juli“ ist vielschichtig. Einerseits ist der Film eine Hommage an die Opfer des Terroranschlags und eine Erinnerung an das erlittene Leid. Andererseits ist er aber auch ein Aufruf zur Menschlichkeit, zur Toleranz und zur Solidarität. Der Film erinnert uns daran, dass wir als Gesellschaft eine Verantwortung haben, junge Menschen vor Extremismus und Radikalisierung zu schützen und ihnen eine Stimme zu geben.
Darüber hinaus vermittelt der Film eine Botschaft der Hoffnung. Er zeigt, dass selbst unter den schlimmsten Umständen der menschliche Geist unbezwingbar ist. Die Jugendlichen auf Utøya haben trotz des erlittenen Traumas und der erlebten Gewalt nicht aufgegeben. Sie haben zusammengehalten, sich gegenseitig unterstützt und versucht, einen Weg zurück ins Leben zu finden. Ihr Mut und ihre Widerstandsfähigkeit sind eine Inspiration für uns alle.
„Utoya: 22. Juli“ ist ein Film, der unter die Haut geht. Er ist erschütternd, berührend und zum Nachdenken anregend. Er ist ein wichtiges Mahnmal gegen Gewalt und Terrorismus und ein Aufruf zur Menschlichkeit und Solidarität. Der Film ist nicht leicht anzusehen, aber er ist es wert. Er gibt den Opfern von Utøya eine Stimme und erinnert uns daran, dass wir als Gesellschaft eine Verantwortung haben, junge Menschen vor Extremismus und Radikalisierung zu schützen.
Ich empfehle diesen Film jedem, der sich für die Ursachen von Terrorismus interessiert, der die Perspektive der Opfer verstehen möchte und der sich von der Menschlichkeit und der Widerstandsfähigkeit des menschlichen Geistes inspirieren lassen möchte.