Vier im roten Kreis

Vier im roten Kreis: Eine Symphonie des Schicksals und der Verlorenheit

Jean-Pierre Melvilles „Vier im roten Kreis“ (Originaltitel: „Le Cercle Rouge“) ist mehr als nur ein Heist-Movie; es ist eine melancholische Ballade über das Schicksal, die Einsamkeit und die fragilen Bande, die Menschen in einer Welt der Kriminalität und des Verrats knüpfen. Dieser Film aus dem Jahr 1970, ein Meisterwerk des französischen Kinos, zieht den Zuschauer mit seiner subtilen Spannung, seinen eindringlichen Bildern und seiner philosophischen Tiefe in seinen Bann. Erleben Sie mit uns eine Reise in die düstere Welt von „Vier im roten Kreis“, wo die Grenzen zwischen Gut und Böse verschwimmen und das Schicksal unaufhaltsam seinen Lauf nimmt.

Die Geschichte: Ein Netz aus Zufall und Vorhersehung

Die Geschichte beginnt mit der Entlassung von Corey (Alain Delon), einem erfahrenen Gangster, aus dem Gefängnis. Kurz vor seiner Freilassung erhält er von einem Wärter einen Tipp für einen lukrativen Juwelenraub in einem Pariser Juweliergeschäft. Gleichzeitig entkommt Vogel (Gian Maria Volonté), ein berüchtigter Mörder, während eines Zugtransports der Polizei unter der Leitung des hartnäckigen Commissaire Mattei (André Bourvil). Durch eine Reihe von Zufällen kreuzen sich die Wege von Corey und Vogel. Corey nimmt Vogel unter seine Fittiche, und gemeinsam beschließen sie, den Juwelenraub durchzuführen. Um ihre Pläne zu verwirklichen, rekrutieren sie Jansen (Yves Montand), einen ehemaligen Polizisten und Scharfschützen mit Alkoholproblemen, dessen Präzision und Kaltblütigkeit für den Erfolg des Raubs unerlässlich sind.

Während die drei Männer ihren Plan sorgfältig vorbereiten, setzt Commissaire Mattei alles daran, Vogel wieder einzufangen und den bevorstehenden Raub zu verhindern. Matteis Ermittlungen führen ihn auf die Spur der Gangster, doch das Schicksal scheint gegen ihn zu spielen. Ein Informant liefert ihm zwar wertvolle Hinweise, doch die Ereignisse überschlagen sich, und die Situation gerät zusehends außer Kontrolle. Die Spannung steigt, als die Gangster ihren Coup durchführen, und der Film kulminiert in einer atemberaubenden, fast wortlosen Raubsequenz, die zu den besten der Filmgeschichte zählt.

Charaktere: Verlorene Seelen im Spiegel der Gesellschaft

Die Charaktere in „Vier im roten Kreis“ sind keine strahlenden Helden, sondern gebrochene, von der Gesellschaft gezeichnete Individuen, die nach einem Ausweg aus ihrer Misere suchen. Melville zeichnet ein komplexes Bild ihrer Motivationen, Ängste und Sehnsüchte.

• Corey (Alain Delon): Der stoische und elegante Gangster, der nach einem Neuanfang sucht, aber von seiner Vergangenheit eingeholt wird. Delon verkörpert die innere Zerrissenheit und die stille Würde Coreys auf meisterhafte Weise.
• Vogel (Gian Maria Volonté): Der impulsive und unberechenbare Mörder, der vor dem Gesetz flieht und in Corey einen unerwarteten Verbündeten findet. Volontés Darstellung ist intensiv und fesselnd, er verleiht Vogel eine Aura der Bedrohlichkeit und Verzweiflung.
• Jansen (Yves Montand): Der ehemalige Polizist, der dem Alkohol verfallen ist und in dem Raub eine letzte Chance sieht, seine Fähigkeiten zu beweisen und seine innere Leere zu füllen. Montand spielt Jansen mit einer Mischung aus Melancholie und Resignation, die tief berührt.
• Commissaire Mattei (André Bourvil): Der unbestechliche und hartnäckige Polizist, der von seinem Pflichtgefühl getrieben wird, aber auch die menschliche Tragödie hinter den Verbrechen erkennt. Bourvil, normalerweise bekannt für seine komödiantischen Rollen, zeigt hier eine überraschende Tiefe und Ernsthaftigkeit.

Diese vier Männer, jeder auf seine Weise vom Leben gezeichnet, sind durch ein unsichtbares Band des Schicksals miteinander verbunden. Ihre Interaktionen sind von einer subtilen Spannung und einer stillen Anerkennung geprägt. Sie sind Gefangene ihrer Umstände, gefangen in einem „roten Kreis“, aus dem es kein Entkommen gibt.

Die Inszenierung: Eine Meisterleistung der visuellen Erzählung

Melvilles Regie ist von einer außergewöhnlichen Präzision und einem ausgeprägten Gespür für Atmosphäre geprägt. Er verzichtet auf überflüssige Dialoge und lässt stattdessen die Bilder sprechen. Die langen, ruhigen Einstellungen, die melancholischen Farben und die sparsame Musik erzeugen eine hypnotische Wirkung, die den Zuschauer in die düstere Welt des Films hineinzieht.

Besonders hervorzuheben ist die legendäre Raubsequenz, die sich über fast 30 Minuten erstreckt und fast ohne Dialoge auskommt. Melville inszeniert den Raub als ein präzises, fast mechanisches Ballett, in dem jeder Handgriff, jede Bewegung perfekt abgestimmt ist. Die Stille und die Spannung sind fast unerträglich, und der Zuschauer wird Zeuge, wie aus einem minutiös geplanten Coup ein Tanz auf dem Vulkan wird.

Die Kameraführung von Henri Decaë ist meisterhaft. Er fängt die Tristesse der Pariser Vororte, die schattenhaften Gassen und die trostlosen Hotelzimmer in eindringlichen Bildern ein. Die Verwendung von Licht und Schatten verstärkt die düstere Atmosphäre und spiegelt die moralische Ambivalenz der Charaktere wider.

Themen: Schicksal, Einsamkeit und die Suche nach Erlösung

„Vier im roten Kreis“ ist ein Film, der tiefgründige Fragen über das Schicksal, die Einsamkeit und die Möglichkeit der Erlösung aufwirft. Der rote Kreis, der im Titel angedeutet wird, symbolisiert die Unausweichlichkeit des Schicksals, die Art und Weise, wie Menschen durch unvorhergesehene Ereignisse und Entscheidungen miteinander verbunden sind und wie sie letztendlich ihrem Schicksal nicht entkommen können.

Der Film thematisiert auch die Einsamkeit und Entfremdung des modernen Menschen. Die Charaktere sind isoliert und suchen nach einer Verbindung, nach einem Sinn in einer Welt, die ihnen feindlich gesinnt erscheint. Ihre kriminellen Handlungen sind oft Ausdruck ihrer Verzweiflung und ihres Wunsches nach einem besseren Leben.

Trotz der düsteren Thematik gibt es in „Vier im roten Kreis“ auch einen Hoffnungsschimmer. Die Freundschaft und Loyalität, die zwischen den Gangstern entsteht, zeigt, dass auch in der Welt der Kriminalität menschliche Wärme und Verbundenheit möglich sind. Die Frage, ob die Charaktere letztendlich Erlösung finden können, bleibt jedoch offen.

Einfluss und Vermächtnis: Ein Klassiker des Film Noir

„Vier im roten Kreis“ gilt als einer der bedeutendsten Filme des französischen Kinos und hat zahlreiche Regisseure und Filmemacher beeinflusst. Der Film wird oft als ein Meisterwerk des Film Noir bezeichnet, obwohl er sich durch seine subtile Spannung und seine philosophische Tiefe von anderen Vertretern dieses Genres abhebt.

Der Film hat einen bleibenden Eindruck in der Popkultur hinterlassen und wurde in zahlreichen Filmen und Fernsehserien zitiert oder parodiert. Die legendäre Raubsequenz gilt als Vorbild für viele spätere Heist-Movies.

Auch heute noch, über 50 Jahre nach seiner Entstehung, fasziniert „Vier im roten Kreis“ das Publikum mit seiner düsteren Schönheit, seiner eindringlichen Atmosphäre und seiner zeitlosen Thematik. Der Film ist ein Muss für alle Liebhaber des anspruchsvollen Kinos und ein Beweis für Jean-Pierre Melvilles außergewöhnliches Talent.

Details zum Film

Titel	Vier im roten Kreis (Le Cercle Rouge)
Regie	Jean-Pierre Melville
Drehbuch	Jean-Pierre Melville
Darsteller	Alain Delon, Gian Maria Volonté, Yves Montand, André Bourvil
Erscheinungsjahr	1970
Land	Frankreich, Italien
Genre	Krimi, Drama, Film Noir

Fazit: Eine unvergessliche Reise in die Tiefen der menschlichen Seele

„Vier im roten Kreis“ ist ein Film, der lange nach dem Abspann im Gedächtnis bleibt. Er ist eine melancholische und zugleich fesselnde Reflexion über das Schicksal, die Einsamkeit und die Suche nach Sinn in einer Welt der Kriminalität und des Verrats. Mit seiner meisterhaften Inszenierung, seinen eindringlichen Bildern und seinen vielschichtigen Charakteren ist dieser Film ein unvergessliches Kinoerlebnis, das man sich immer wieder ansehen kann. Tauchen Sie ein in die düstere Welt von „Vier im roten Kreis“ und lassen Sie sich von der Schönheit und Tragik dieser zeitlosen Geschichte berühren.

Studio	Arthaus / Studiocanal