Auf Engelsflügeln: Eine himmlische Reise der Liebe und des Loslassens
„Auf Engelsflügeln“, ein Film von Wim Wenders aus dem Jahr 1987, ist weit mehr als nur ein Film; er ist ein Gedicht in Bildern, eine philosophische Meditation über das Menschsein, die Liebe und die unsichtbare Welt, die uns umgibt. Inmitten des geteilten Berlins entfaltet sich eine Geschichte von zwei Engeln, die die Stadt und ihre Bewohner beobachten, ihre Gedanken hören und ihre Gefühle spüren, ohne jedoch in ihr Leben eingreifen zu können.
Die stillen Beobachter: Engel in Berlin
Damiel (Bruno Ganz) und Cassiel (Otto Sander) sind keine Engel der strahlenden Flügel und der göttlichen Macht. Sie sind eher stille Beobachter, Chronisten des menschlichen Lebens, die mitfühlend durch die Straßen wandeln. Sie sind Zeugen der Freude, der Trauer, der Hoffnung und der Verzweiflung. Sie existieren außerhalb der Zeit, außerhalb der physischen Welt, und können die Gedanken der Menschen lesen, ihre Ängste und Sehnsüchte verstehen. Doch sie können nicht fühlen, nicht berühren, nicht wirklich teilnehmen am Leben, das sie so fasziniert.
Berlin selbst, in seiner geteilten und von Kriegsnarben gezeichneten Gestalt, wird zu einem Spiegelbild des menschlichen Zustands. Die Stadt ist ein Ort der Verletzungen und der Erinnerungen, aber auch der Hoffnung auf eine bessere Zukunft. Die Engel bewegen sich durch diese Stadt wie Geister, unsichtbar für die meisten, aber präsent in ihrer aufmerksamen Beobachtung. Sie sind Tröster in der Not, stille Begleiter in der Einsamkeit, aber sie können das Schicksal der Menschen nicht verändern.
Wenders inszeniert diese Engel auf eine einzigartige Weise. In den Schwarz-Weiß-Aufnahmen, die ihre Perspektive darstellen, vermittelt er die Distanz und die Melancholie ihrer Existenz. Die Welt der Engel ist eine Welt der Kontemplation, des Nachdenkens über die großen Fragen des Lebens. Sie ist frei von den Ablenkungen und den Begrenzungen der physischen Welt, aber auch von ihrer Lebendigkeit und ihrer Sinnlichkeit.
Die Sehnsucht nach dem Menschsein: Damiels Entscheidung
Doch Damiel, einer der beiden Engel, beginnt sich nach mehr zu sehnen. Er spürt eine tiefe Sehnsucht nach dem Menschsein, nach der Erfahrung der Gefühle, der Berührungen, des Geschmacks, der Farben. Er will die Welt nicht nur beobachten, sondern sie auch erleben, mit allen Sinnen, mit all ihren Freuden und Leiden.
Diese Sehnsucht wird durch seine Begegnung mit der Trapezkünstlerin Marion (Solveig Dommartin) verstärkt. Marion ist eine fragile und verletzliche Frau, die inmitten der Zirkuswelt nach ihrem Platz im Leben sucht. Damiel ist fasziniert von ihrer Anmut, ihrer Stärke und ihrer Verletzlichkeit. Er verliebt sich in sie und erkennt, dass er bereit ist, seine Engelsgestalt aufzugeben, um mit ihr zusammen sein zu können.
Damiels Entscheidung ist ein mutiger Schritt, ein Sprung ins Ungewisse. Er weiß, dass er mit dem Verlassen der Engelswelt auch seine Unsterblichkeit, seine Freiheit von Schmerz und Leid aufgeben wird. Aber er ist bereit, diesen Preis zu zahlen, um die Liebe zu erfahren, um ein Teil der menschlichen Gemeinschaft zu werden.
Die Verwandlung: Ein neuer Blick auf die Welt
Der Übergang von der Engelswelt in die menschliche Welt wird von Wenders auf beeindruckende Weise inszeniert. Als Damiel seine Engelsgestalt verlässt, verliert die Welt ihre Schwarz-Weiß-Färbung und erstrahlt in leuchtenden Farben. Plötzlich kann er die Sonne auf seiner Haut spüren, den Wind in seinen Haaren, den Geschmack von Kaffee auf seiner Zunge. Er entdeckt die Schönheit und die Sinnlichkeit der physischen Welt, die er zuvor nur aus der Ferne beobachten konnte.
Doch die Verwandlung ist nicht einfach. Damiel muss lernen, mit den Begrenzungen und den Herausforderungen des Menschseins umzugehen. Er muss sich in einer neuen Welt zurechtfinden, in der er nicht mehr allwissend und allgegenwärtig ist. Er muss arbeiten, um seinen Lebensunterhalt zu verdienen, und er muss sich mit den alltäglichen Problemen und Sorgen der Menschen auseinandersetzen.
Trotz aller Schwierigkeiten ist Damiel glücklich. Er hat die Liebe gefunden, er hat Freunde gewonnen, und er hat einen Sinn in seinem Leben gefunden. Er hat gelernt, die kleinen Freuden des Alltags zu schätzen, und er hat erfahren, dass das Leben trotz aller Schmerzen und Leiden lebenswert ist.
Die Begegnung: Liebe in einer zerrissenen Stadt
Die Beziehung zwischen Damiel und Marion ist das Herzstück des Films. Sie ist eine zarte und zerbrechliche Liebe, die inmitten der Hektik und der Unruhe Berlins aufblüht. Marion ist zunächst skeptisch, aber sie spürt die Aufrichtigkeit und die Zuneigung Damiels. Sie ist fasziniert von seiner Andersartigkeit, von seiner Fähigkeit, die Welt mit neuen Augen zu sehen.
Ihre Liebe ist ein Akt des Vertrauens, ein Sprung ins Ungewisse. Sie wissen nicht, was die Zukunft bringen wird, aber sie sind bereit, den Weg gemeinsam zu gehen. Sie finden Trost und Geborgenheit in der Gegenwart des anderen, und sie lernen, die kleinen Momente des Glücks zu schätzen.
Die Beziehung zwischen Damiel und Marion ist ein Symbol für die Hoffnung auf eine bessere Zukunft, für die Möglichkeit der Versöhnung und der Heilung in einer zerrissenen Stadt. Sie zeigen, dass die Liebe die Kraft hat, Grenzen zu überwinden und Brücken zu bauen.
Peter Falk: Ein Engel auf Erden
Eine weitere wichtige Figur in „Auf Engelsflügeln“ ist der Schauspieler Peter Falk, der sich selbst spielt. Falk, der in Berlin einen Film dreht, ist in Wirklichkeit ein ehemaliger Engel, der sich ebenfalls entschieden hat, ein Mensch zu werden. Er dient Damiel als eine Art Mentor und hilft ihm, sich in der neuen Welt zurechtzufinden. Er teilt seine Erfahrungen mit ihm und gibt ihm Ratschläge, wie er die Herausforderungen des Menschseins meistern kann.
Falks Figur ist eine Hommage an das Menschsein, an die Fähigkeit, Fehler zu machen, zu lernen und zu wachsen. Er verkörpert die Weisheit und die Erfahrung, die mit dem Leben einhergehen. Er ist ein Beweis dafür, dass es möglich ist, ein erfülltes und sinnvolles Leben zu führen, auch wenn man nicht perfekt ist.
Die Musik: Der Soundtrack der Seele
Die Musik spielt in „Auf Engelsflügeln“ eine zentrale Rolle. Sie ist der Soundtrack der Seele, der die Gefühle und die Stimmungen der Figuren aufgreift und verstärkt. Die Musik von Jürgen Knieper ist melancholisch, poetisch und berührend. Sie begleitet die Engel bei ihren Wanderungen durch die Stadt und unterstreicht die Sehnsucht nach dem Menschsein.
Auch die Auftritte von Nick Cave and the Bad Seeds tragen zur Atmosphäre des Films bei. Ihre Musik ist düster, intensiv und voller Energie. Sie spiegelt die Zerrissenheit und die Hoffnungslosigkeit wider, die in der geteilten Stadt herrschen.
Die Poesie: Worte, die die Seele berühren
Neben den Bildern und der Musik spielen auch die Worte eine wichtige Rolle in „Auf Engelsflügeln“. Der Film ist voller poetischer Monologe und Dialoge, die die großen Fragen des Lebens behandeln. Die Engel denken über die Natur des Seins nach, über die Bedeutung der Liebe, über die Vergänglichkeit des Lebens. Sie sprechen über ihre Sehnsucht nach dem Menschsein, nach der Erfahrung der Gefühle und der Sinnlichkeit.
Die Worte sind sorgfältig gewählt und voller Bedeutung. Sie berühren die Seele des Zuschauers und regen zum Nachdenken an. Sie laden ein, sich mit den eigenen Ängsten und Sehnsüchten auseinanderzusetzen und sich auf die Suche nach dem Sinn des Lebens zu begeben.
Die Botschaft: Ein Plädoyer für das Menschsein
„Auf Engelsflügeln“ ist ein Film, der lange nachwirkt. Er ist eine Hommage an das Menschsein, an die Fähigkeit, zu lieben, zu fühlen und zu leiden. Er ist ein Plädoyer für die Sinnlichkeit, für die Schönheit der physischen Welt und für die Bedeutung der zwischenmenschlichen Beziehungen.
Der Film erinnert uns daran, die kleinen Freuden des Alltags zu schätzen, die Schönheit in den einfachen Dingen zu erkennen und die Liebe in unserem Leben zu suchen. Er fordert uns auf, mutig zu sein, Risiken einzugehen und uns auf das Abenteuer des Lebens einzulassen.
„Auf Engelsflügeln“ ist ein Film, der Mut macht, an die Liebe zu glauben, an die Möglichkeit der Versöhnung und an die Kraft des Menschseins. Er ist ein zeitloses Meisterwerk, das auch nach über 30 Jahren nichts von seiner Bedeutung und seiner Schönheit verloren hat.
Fazit: Ein unvergessliches Filmerlebnis
„Auf Engelsflügeln“ ist ein Film, den man gesehen haben muss. Er ist ein Meisterwerk der Filmkunst, das auf allen Ebenen überzeugt. Die Regie von Wim Wenders ist brillant, die schauspielerischen Leistungen sind herausragend, die Musik ist berührend, und die Poesie ist inspirierend. Der Film ist ein unvergessliches Filmerlebnis, das die Seele berührt und zum Nachdenken anregt.
Tauchen Sie ein in die Welt der Engel, lassen Sie sich von der Schönheit Berlins verzaubern und entdecken Sie die tiefgründige Botschaft dieses außergewöhnlichen Films. „Auf Engelsflügeln“ ist mehr als nur ein Film; er ist eine Reise in die Tiefen der menschlichen Seele.