Control – Eine Reise in die zerrissene Seele von Ian Curtis
Control ist mehr als nur ein Biopic; es ist eine schonungslose, intime und visuell beeindruckende Reise in das kurze, intensive Leben von Ian Curtis, dem charismatischen und gequälten Sänger der britischen Post-Punk-Band Joy Division. Unter der Regie des renommierten Fotografen und Regisseurs Anton Corbijn, der selbst eine enge Verbindung zur Band hatte, entführt uns der Film in die düstere und graue Welt des Englands der späten 1970er Jahre, einer Zeit des Umbruchs, der Hoffnung und der tiefen inneren Konflikte.
Die Anfänge einer Legende
Der Film beginnt mit dem jungen Ian, einem introvertierten und sensiblen Teenager in Macclesfield, einer Industriestadt im Norden Englands. Wir sehen ihn als Dichter, als Romantiker, gefangen in der Monotonie seines Alltags. Seine Faszination für Musik, insbesondere für Künstler wie David Bowie und Iggy Pop, entfacht in ihm eine Leidenschaft, die ihn schließlich zur Gründung von Joy Division führt. Die Band, bestehend aus Bernard Sumner, Peter Hook und Stephen Morris, findet in Ian ihren charismatischen Frontmann, dessen Texte von Dunkelheit, Isolation und Verzweiflung durchdrungen sind.
Control zeigt auf eindringliche Weise, wie sich Ian in Deborah Woodruff verliebt, eine junge Frau, die sein Leben auf den Kopf stellt. Ihre Beziehung, dargestellt mit großer Zärtlichkeit und Ehrlichkeit, bildet das Fundament für Ians kurzes Eheleben. Doch schon bald zeichnen sich Risse ab, als Ians zunehmender Ruhm, seine gesundheitlichen Probleme und seine inneren Dämonen die Beziehung belasten.
Der Aufstieg von Joy Division
Der Film fängt die Energie und die Atmosphäre der frühen Punk- und Post-Punk-Szene authentisch ein. Wir erleben die ersten Auftritte von Joy Division in kleinen, heruntergekommenen Clubs, die von einer rohen und ungeschliffenen Energie geprägt sind. Corbijns Erfahrung als Fotograf kommt dem Film zugute, indem er ikonische Bilder und Einstellungen kreiert, die den Geist der Zeit perfekt einfangen. Die Schwarz-Weiß-Ästhetik verstärkt die düstere und melancholische Stimmung und verleiht dem Film eine zeitlose Qualität.
Joy Division entwickelt sich schnell zu einer der einflussreichsten Bands ihrer Zeit. Ihre Musik, geprägt von Ians düsteren Texten und der hypnotischen Rhythmik, findet ein Publikum, das sich in ihren existenziellen Ängsten und ihrer Suche nach Sinn im Leben wiederfindet. Der Film zeigt, wie Ian mit dem plötzlichen Ruhm und dem Druck der Erwartungen zu kämpfen hat. Seine Epilepsie, die sich in heftigen Anfällen äußert, wird zu einer zusätzlichen Belastung, die sein Leben immer weiter einschränkt.
Die Zerrissenheit einer Seele
Control scheut sich nicht, die dunklen Seiten von Ians Leben zu zeigen. Wir erleben seine inneren Kämpfe, seine Depressionen und seine Verzweiflung. Der Film deutet an, dass Ians Texte und seine Bühnenperformance eine Projektion seiner eigenen inneren Welt sind, einer Welt, die von Angst, Isolation und dem Gefühl der Entfremdung geprägt ist. Sam Riley, der Ian Curtis verkörpert, liefert eine herausragende Leistung. Er fängt die Verletzlichkeit, die Intensität und die innere Zerrissenheit des Sängers auf beeindruckende Weise ein.
Neben seiner Beziehung zu Deborah verliebt sich Ian in Annik Honoré, eine belgische Journalistin, die er auf einer Tournee kennenlernt. Diese Affäre verstärkt seine Schuldgefühle und seine innere Zerrissenheit. Er ist gefangen zwischen seiner Liebe zu Deborah und seiner Anziehung zu Annik, zwischen seiner Verantwortung als Ehemann und Vater und seinem Bedürfnis nach Freiheit und Selbstverwirklichung.
Die Dreiecksbeziehung wird mit großer Sensibilität und ohne Wertung dargestellt. Der Film versucht nicht, Schuld zuzuweisen, sondern zeigt die Komplexität der menschlichen Beziehungen und die Schwierigkeiten, Entscheidungen zu treffen, wenn man von inneren Konflikten geplagt ist.
Der tragische Abschied
Die letzten Wochen und Monate in Ians Leben sind von zunehmender Verzweiflung und Isolation geprägt. Seine Epilepsie verschlimmert sich, seine Ehe zerbricht, und er fühlt sich zunehmend unfähig, den Erwartungen gerecht zu werden, die an ihn gestellt werden. Der Film zeigt, wie er sich immer weiter von seiner Familie, seinen Freunden und seinen Bandkollegen entfernt. Er zieht sich in sich selbst zurück und versucht, einen Ausweg aus seiner Situation zu finden.
Am 18. Mai 1980, kurz vor dem Beginn einer geplanten Tournee durch die USA, nimmt sich Ian Curtis das Leben. Sein Tod erschüttert die Musikwelt und macht ihn zur Legende. Control endet mit dem tragischen Ereignis und lässt den Zuschauer mit einem Gefühl der Trauer und des Verlustes zurück.
Die Bedeutung von Control
Control ist ein Film, der lange nachwirkt. Er ist eine Hommage an Ian Curtis und an die Musik von Joy Division, aber auch eine schonungslose Auseinandersetzung mit den Themen Depression, psychische Gesundheit und dem Druck des Ruhms. Der Film regt zum Nachdenken über die Bedeutung von Authentizität, Ehrlichkeit und Empathie an.
Corbijn gelingt es, ein sensibles und respektvolles Porträt von Ian Curtis zu zeichnen, ohne ihn zu idealisieren oder zu verurteilen. Er zeigt ihn als einen komplexen und widersprüchlichen Menschen, der von seinen inneren Dämonen gequält wurde. Der Film ist nicht nur ein Muss für Fans von Joy Division, sondern für alle, die sich für Musik, Kunst und die menschliche Psyche interessieren.
Die Darsteller
- Sam Riley als Ian Curtis: Riley liefert eine herausragende Leistung, die ihm internationale Anerkennung einbrachte. Er verkörpert Ian Curtis mit einer Intensität und Verletzlichkeit, die den Zuschauer tief berührt.
- Samantha Morton als Deborah Curtis: Morton spielt Deborah Curtis mit großer Würde und Stärke. Sie zeigt die Herausforderungen, vor denen sie als junge Ehefrau und Mutter steht, und die Schwierigkeiten, mit Ians psychischen Problemen umzugehen.
- Alexandra Maria Lara als Annik Honoré: Lara verkörpert Annik Honoré als eine intelligente und unabhängige Frau, die von Ians Persönlichkeit fasziniert ist. Sie zeigt die Komplexität ihrer Beziehung und die Schuldgefühle, die sie nach Ians Tod empfindet.
Die Musik
Die Musik von Joy Division spielt eine zentrale Rolle in Control. Der Film enthält zahlreiche Live-Aufnahmen und Studio-Tracks, die die Atmosphäre und die Energie der Band authentisch einfangen. Die Musik dient nicht nur als Hintergrund, sondern als integraler Bestandteil der Erzählung. Sie spiegelt Ians innere Gefühlswelt wider und verstärkt die emotionale Wirkung der Szenen. Songs wie „Love Will Tear Us Apart“, „She’s Lost Control“ und „Transmission“ werden zu Schlüsselszenen und unterstreichen die Intensität von Ians Leben.
Visuelle Gestaltung
Die Schwarz-Weiß-Ästhetik von Control ist ein entscheidender Faktor für die Wirkung des Films. Corbijn, der als Fotograf bekannt ist, setzt seine visuellen Fähigkeiten ein, um eine düstere und melancholische Atmosphäre zu schaffen. Die Bilder sind von einer rauen Schönheit geprägt, die den Geist der Zeit perfekt einfängt. Die Kameraführung ist ruhig und beobachtend, wodurch der Zuschauer die Möglichkeit hat, sich auf die Charaktere und ihre inneren Kämpfe zu konzentrieren.
Control ist ein bewegendes und intensives Filmerlebnis, das den Zuschauer tief berührt. Er ist eine Hommage an Ian Curtis und an die Musik von Joy Division, aber auch eine schonungslose Auseinandersetzung mit den Themen Depression, psychische Gesundheit und dem Druck des Ruhms. Der Film regt zum Nachdenken an und erinnert uns daran, wie wichtig es ist, auf unsere psychische Gesundheit zu achten und uns um diejenigen zu kümmern, die mit inneren Dämonen kämpfen.
Control ist mehr als nur ein Biopic; er ist ein Kunstwerk, das die Seele berührt und den Geist anregt. Ein Film, den man nicht so schnell vergisst.