Der Besuch: Wenn ein Wochenende zur Horrorvorstellung wird
M. Night Shyamalans „Der Besuch“ ist mehr als nur ein Horrorfilm – er ist eine beklemmende Reise in die Abgründe der menschlichen Psyche, eine Geschichte über Familie, Vergebung und die dunklen Geheimnisse, die in uns allen lauern können. Mit einem minimalistischen Ansatz, der an „The Blair Witch Project“ erinnert, gelingt es Shyamalan, eine Atmosphäre der stetig wachsenden Bedrohung zu erzeugen, die den Zuschauer bis zum Schluss in ihren Bann zieht. Doch unter der Oberfläche des Horrors verbirgt sich eine zutiefst berührende Geschichte über zwei Kinder, die ihre Großeltern kennenlernen und dabei mit einer Wahrheit konfrontiert werden, die ihr Leben für immer verändern wird.
Eine Reise zu den Wurzeln
Die Geschwister Becca und Tyler sind Kinder einer alleinerziehenden Mutter, die seit vielen Jahren keinen Kontakt mehr zu ihren Eltern hat. Ein Streit, ein Bruch – die Gründe dafür bleiben zunächst im Dunkeln. Doch als die Großeltern überraschend Kontakt aufnehmen und die Enkelkinder zu einem Besuch auf ihre abgelegene Farm einladen, wittert Becca, die ambitionierte Filmemacherin, die Chance, die Vergangenheit ihrer Familie zu ergründen. Mit ihrer Kamera im Anschlag will sie eine Dokumentation drehen, die die zerrüttete Beziehung zwischen Mutter und Großeltern heilen soll. Tyler, der rappende kleine Bruder, begleitet sie als moralische Unterstützung und sorgt mit seinen humorvollen Einlagen für eine willkommene Auflockerung der angespannten Atmosphäre.
Die Ankunft auf der Farm ist zunächst herzlich. Oma und Opa empfangen ihre Enkelkinder mit offenen Armen und scheinen sich aufrichtig über deren Besuch zu freuen. Doch schon bald bemerken Becca und Tyler, dass etwas nicht stimmt. Ihre Großeltern verhalten sich merkwürdig, fast unheimlich. Nachts hören sie seltsame Geräusche, Oma hat Wutanfälle und Opa verliert sich in wirren Monologen. Die Kinder versuchen, die Vorfälle zu rationalisieren, doch die Ereignisse werden immer beängstigender und surrealer.
Die Fassade bröckelt
Shyamalan versteht es meisterhaft, die Spannung langsam aufzubauen. Zunächst sind es nur kleine, irritierende Details, die den Zuschauer stutzig machen. Oma, die nachts im Garten herumschleicht, Opa, der in den Schuppen geht und mit einem Beil wieder herauskommt – sind das nur altersbedingte Schrullen oder steckt mehr dahinter? Becca versucht, die Ereignisse mit ihrer Kamera festzuhalten und zu analysieren. Sie interviewt ihre Großeltern, stellt Fragen nach ihrer Vergangenheit und versucht, die Gründe für den Bruch mit ihrer Mutter zu ergründen. Doch je tiefer sie gräbt, desto mehr Ungereimtheiten kommen ans Licht.
Tyler, der anfangs noch unbeschwert und humorvoll ist, wird zunehmend von der unheimlichen Atmosphäre auf der Farm beeinflusst. Er beginnt, Angst zu haben, und versucht, seine Schwester davon zu überzeugen, den Besuch abzubrechen. Doch Becca ist zu sehr von ihrem Filmprojekt und dem Wunsch nach einer Familienzusammenführung gefangen, um die Gefahr zu erkennen, in der sie sich befinden.
Die Wahrheit kommt ans Licht
Die Ereignisse spitzen sich zu, als Becca und Tyler eine schreckliche Entdeckung machen. Durch einen Zufall gelangen sie an ein altes Fotoalbum, das sie mit der schockierenden Wahrheit konfrontiert: Die Menschen, die sich als ihre Großeltern ausgeben, sind nicht ihre Großeltern. Es sind Fremde, die die echten Großeltern getötet haben und nun vorgeben, sie zu sein. Der Horror kulminiert in einer Reihe von verstörenden Szenen, in denen die falschen Großeltern ihre wahre Natur offenbaren. Sie sind wahnsinnig, gewalttätig und stellen eine tödliche Bedrohung für Becca und Tyler dar.
Die Kinder müssen nun um ihr Überleben kämpfen. Mit Mut, Einfallsreichtum und der Unterstützung ihrer Mutter, die sie per Videoanruf kontaktieren können, versuchen sie, den falschen Großeltern zu entkommen. Es kommt zu einem nervenaufreibenden Katz-und-Maus-Spiel, in dem die Kinder immer wieder knapp dem Tod entgehen. Doch letztendlich gelingt es ihnen, die falschen Großeltern zu überwältigen und die Farm zu verlassen.
Mehr als nur Horror
„Der Besuch“ ist nicht nur ein spannender und schockierender Horrorfilm, sondern auch eine Geschichte über die Bedeutung von Familie, Vergebung und die Notwendigkeit, sich der Vergangenheit zu stellen. Becca und Tyler lernen durch ihre traumatische Erfahrung, wie wichtig es ist, zusammenzuhalten und sich gegenseitig zu unterstützen. Sie erkennen auch, dass ihre Mutter ihnen etwas verschwiegen hat und dass es wichtig ist, über die Vergangenheit zu sprechen, um sie zu verarbeiten.
Der Film wirft auch Fragen nach dem Wesen des Bösen auf. Sind die falschen Großeltern von Geburt an böse oder wurden sie durch traumatische Erlebnisse zu Monstern? Shyamalan lässt diese Frage offen und überlässt es dem Zuschauer, sich sein eigenes Urteil zu bilden.
Die schauspielerischen Leistungen
Die jungen Schauspieler Olivia DeJonge und Ed Oxenbould überzeugen in ihren Rollen als Becca und Tyler. Sie verkörpern ihre Charaktere authentisch und glaubwürdig und tragen maßgeblich zur Spannung und Emotionalität des Films bei. DeJonge spielt Becca als eine intelligente und willensstarke junge Frau, die trotz ihrer Ängste und Unsicherheiten alles tut, um ihre Familie zu schützen. Oxenbould verkörpert Tyler als einen humorvollen und liebenswerten Jungen, der mit seiner Rap-Einlage für eine willkommene Auflockerung der angespannten Atmosphäre sorgt.
Die Darstellungen von Deanna Dunagan und Peter McRobbie als die falschen Großeltern sind schlichtweg furchteinflößend. Sie verkörpern ihre Charaktere mit einer Mischung aus liebenswürdiger Harmlosigkeit und unberechenbarer Aggressivität, die den Zuschauer in Angst und Schrecken versetzt.
Die Inszenierung
Shyamalan setzt in „Der Besuch“ auf einen minimalistischen Inszenierungsstil, der an „The Blair Witch Project“ erinnert. Der Film ist größtenteils aus der Perspektive von Beccas Kamera gedreht, was dem Zuschauer das Gefühl gibt, hautnah dabei zu sein und die Ereignisse aus erster Hand mitzuerleben. Dieser dokumentarische Stil verstärkt die Spannung und das Gefühl der Bedrohung und macht den Film zu einem intensiven und beklemmenden Erlebnis.
Die Musik spielt eine wichtige Rolle bei der Erzeugung der unheimlichen Atmosphäre. Shyamalan setzt auf subtile, aber effektive Soundeffekte, die den Zuschauer immer wieder zusammenzucken lassen. Die Kameraarbeit ist ebenfalls hervorragend. Shyamalan nutzt lange Einstellungen und unkonventionelle Kameraperspektiven, um die Spannung zu erhöhen und den Zuschauer in die Psyche der Charaktere einzutauchen.
„Der Besuch“ ist ein intelligenter und spannender Horrorfilm, der den Zuschauer bis zum Schluss in seinen Bann zieht. Shyamalan gelingt es, eine Atmosphäre der stetig wachsenden Bedrohung zu erzeugen, die den Film zu einem unvergesslichen Erlebnis macht. Doch unter der Oberfläche des Horrors verbirgt sich eine zutiefst berührende Geschichte über Familie, Vergebung und die Notwendigkeit, sich der Vergangenheit zu stellen.
Für Fans des Horror-Genres ist „Der Besuch“ ein absolutes Muss. Aber auch Zuschauer, die normalerweise keine Horrorfilme mögen, sollten dem Film eine Chance geben. Denn „Der Besuch“ ist mehr als nur ein Horrorfilm – er ist ein packendes Familiendrama mit überraschenden Wendungen und einer Botschaft, die zum Nachdenken anregt.
Die wichtigsten Fakten zum Film
Fakt | Information |
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Regie | M. Night Shyamalan |
Drehbuch | M. Night Shyamalan |
Hauptdarsteller | Olivia DeJonge, Ed Oxenbould, Deanna Dunagan, Peter McRobbie |
Erscheinungsjahr | 2015 |
Länge | 94 Minuten |
Genre | Horror, Thriller |