Der Greifer (Touch of Evil) – Ein Meisterwerk des Film Noir
Willkommen zu einer Reise in die düstere Welt von „Der Greifer“ (Originaltitel: Touch of Evil), einem Film Noir Meisterwerk aus dem Jahr 1958, das bis heute nichts von seiner Faszination verloren hat. Unter der Regie des legendären Orson Welles, der auch eine der Hauptrollen übernahm, entfaltet sich eine Geschichte von Korruption, Machtmissbrauch und moralischer Grauzone an der brüchigen Grenze zwischen Mexiko und den Vereinigten Staaten. „Der Greifer“ ist mehr als nur ein Kriminalfilm; er ist eine tiefgründige Auseinandersetzung mit der menschlichen Natur und den Abgründen der Seele.
Eine explosive Eröffnung und ein Netz aus Intrigen
Der Film beginnt mit einer der berühmtesten und innovativsten Kamerafahrten der Filmgeschichte. Über dreieinhalb Minuten gleitet die Kamera scheinbar ununterbrochen durch die nächtlichen Straßen einer mexikanischen Grenzstadt, begleitet von den Klängen eines pulsierenden Mambo-Rhythmus. Wir beobachten ein junges Paar, Miguel „Mike“ Vargas (Charlton Heston), ein mexikanischer Drogenfahnder, und seine frisch angetraute amerikanische Frau Susie (Janet Leigh), wie sie die Grenze überqueren. Ihre Idylle wird jäh unterbrochen, als eine Bombe in einem Auto explodiert und zwei Menschen in den Tod reißt.
Dieser schockierende Vorfall katapultiert Vargas in ein komplexes Netz aus Intrigen und Korruption. Er beschließt, bei den Ermittlungen zu helfen, gerät aber schnell in Konflikt mit dem korrupten und rassistischen Polizeichef Hank Quinlan (Orson Welles). Quinlan ist eine Legende in der Stadt, bekannt für seine unorthodoxen und oft illegalen Methoden, um Verbrechen zu lösen. Er manipuliert Beweise und schreckt vor Gewalt nicht zurück, um seine Ziele zu erreichen.
Vargas, ein Mann von Prinzipien und unerschütterlichem Gerechtigkeitssinn, erkennt Quinlans Machenschaften und stellt sich ihm entgegen. Dieser Konflikt ist das Herzstück des Films und treibt die Handlung unaufhaltsam voran. Es ist ein Kampf zwischen Recht und Unrecht, zwischen Gut und Böse, der in den dunklen Gassen und schäbigen Bars der Grenzstadt ausgetragen wird.
Susies Albtraum und die Bedrohung durch die Grandi
Während Vargas versucht, Quinlan das Handwerk zu legen, gerät Susie in einen Strudel der Gewalt. Sie wird von einer Gang, angeführt von dem sinistren Joe Grandi (Akim Tamiroff), terrorisiert. Die Grandis sind eine berüchtigte Verbrecherfamilie, die mit Quinlan unter einer Decke steckt und Vargas unter Druck setzen will. Susie wird in einem abgelegenen Motel gefangen gehalten und psychisch gefoltert, was Janet Leigh eine Gelegenheit gibt, ihr schauspielerisches Können unter Beweis zu stellen. Ihre Angst und Verzweiflung sind greifbar und ziehen den Zuschauer noch tiefer in den Abgrund des Films.
Susies Albtraum symbolisiert die Hilflosigkeit und Verletzlichkeit des Individuums angesichts der allgegenwärtigen Korruption. Sie ist ein unschuldiges Opfer, das in den Strudel der Gewalt hineingezogen wird, und ihre Erfahrungen verdeutlichen die zerstörerische Kraft der Machenschaften von Quinlan und den Grandis.
Die Charaktere – Spiegelbilder der menschlichen Natur
„Der Greifer“ ist nicht nur ein spannender Kriminalfilm, sondern auch eine tiefgehende Charakterstudie. Die Figuren sind komplex, ambivalent und tragen alle ihre eigenen Dämonen mit sich herum.
- Hank Quinlan: Orson Welles verkörpert Quinlan als eine ambivalente Figur. Er ist ein korrupter Polizist, der seine eigenen Regeln aufstellt, aber er ist auch ein Mann, der von seiner Vergangenheit gezeichnet ist. Quinlan glaubt, dass das Ergebnis die Mittel heiligt und ist bereit, alles zu tun, um Verbrechen zu bekämpfen, auch wenn das bedeutet, das Gesetz zu brechen. Sein physisches Erscheinungsbild, ein massiger Mann mit einem vernarbten Gesicht, spiegelt seine innere Verdorbenheit wider.
- Miguel Vargas: Charlton Heston spielt Vargas als einen integren und idealistischen Mann. Er glaubt an das Gesetz und ist entschlossen, Quinlans Korruption aufzudecken. Vargas ist ein Mann der Tat, aber er ist auch ein Mann der Vernunft. Er versucht, die Situation zu deeskalieren, aber er ist bereit, zu kämpfen, wenn es nötig ist.
- Susie Vargas: Janet Leigh verkörpert Susie als eine junge Frau, die unschuldig und naiv in die Welt der Kriminalität hineingezogen wird. Sie ist ein Opfer der Umstände, aber sie ist auch eine starke Frau, die ihren Überlebenswillen beweist.
- Joe Grandi: Akim Tamiroff spielt Joe Grandi als einen skrupellosen und sadistischen Verbrecher. Er ist Quinlans Handlanger und schreckt vor keiner Grausamkeit zurück, um seine Ziele zu erreichen.
- Marcia Linnekar: Marlene Dietrich glänzt in einer Nebenrolle als Tana, eine mysteriöse Wahrsagerin und ehemalige Geliebte von Quinlan. Sie ist eine melancholische Figur, die die dunkle Seite des Lebens kennt und Quinlans Vergangenheit enthüllt.
Die visuelle Brillanz und die einzigartige Atmosphäre
Orson Welles‘ Regiearbeit ist in „Der Greifer“ schlichtweg meisterhaft. Er nutzt innovative Kameratechniken, ungewöhnliche Perspektiven und expressionistische Lichteffekte, um eine beklemmende und verstörende Atmosphäre zu schaffen. Die langen Einstellungen, die tiefen Schatten und die klaustrophobischen Räume verstärken das Gefühl der Bedrohung und des Unbehagens.
Die Grenzstadt selbst wird zu einem eigenen Charakter im Film. Sie ist ein Ort der Gesetzlosigkeit, der Korruption und der moralischen Verwahrlosung. Die heruntergekommenen Gebäude, die schmutzigen Straßen und die zwielichtigen Gestalten, die sich in den Gassen herumtreiben, vermitteln ein Gefühl der Hoffnungslosigkeit und des Verfalls.
Themen, die bis heute relevant sind
„Der Greifer“ behandelt eine Reihe von Themen, die bis heute relevant sind. Der Film setzt sich kritisch mit Machtmissbrauch, Korruption, Rassismus und Selbstjustiz auseinander. Er stellt die Frage, wie weit man gehen darf, um Verbrechen zu bekämpfen, und ob das Ergebnis die Mittel heiligt.
Der Film hinterfragt auch die Vorstellung von Gut und Böse. Die Charaktere sind selten eindeutig gut oder böse, sondern bewegen sich in einer Grauzone. Quinlan ist ein korrupter Polizist, aber er ist auch ein Mann, der versucht, seine Stadt vor Verbrechen zu schützen. Vargas ist ein Mann von Prinzipien, aber er ist auch bereit, das Gesetz zu brechen, um Gerechtigkeit zu erlangen.
Diese moralische Ambivalenz macht „Der Greifer“ zu einem zeitlosen Klassiker, der den Zuschauer auch heute noch zum Nachdenken anregt.
Die verschiedenen Versionen und die Bedeutung des Director’s Cut
Die Entstehungsgeschichte von „Der Greifer“ ist von Konflikten und Kompromissen geprägt. Nach der Fertigstellung des Films wurde Welles die finale Schnittfassung entzogen und das Studio nahm Änderungen vor, die ihm missfielen. Erst Jahrzehnte später, im Jahr 1998, wurde ein Director’s Cut veröffentlicht, der Welles‘ ursprünglicher Vision so nahe wie möglich kommt.
Der Director’s Cut ist eine bedeutende Verbesserung gegenüber den vorherigen Versionen. Er stellt die ursprüngliche Chronologie des Films wieder her, entfernt einige unnötige Szenen und Dialoge und verstärkt die düstere Atmosphäre. Diese Version des Films wird heute allgemein als die definitive Fassung angesehen und ist ein Muss für jeden Filmfan.
Ein bleibendes Erbe und die Inspiration für Generationen von Filmemachern
„Der Greifer“ hat die Filmgeschichte nachhaltig beeinflusst und Generationen von Filmemachern inspiriert. Seine innovativen Kameratechniken, seine düstere Atmosphäre und seine komplexen Charaktere haben den Film Noir und das Thriller-Genre geprägt. Filme wie „Taxi Driver“, „L.A. Confidential“ und „Sin City“ sind von „Der Greifer“ beeinflusst.
Der Film wird auch für seine schauspielerischen Leistungen gelobt. Orson Welles‘ Darstellung von Hank Quinlan ist eine Ikone des Film Noir und Charlton Heston und Janet Leigh liefern ebenfalls herausragende Leistungen ab.
„Der Greifer“ ist mehr als nur ein Film; er ist ein Kunstwerk, das auch nach über 60 Jahren noch relevant und fesselnd ist. Er ist ein Muss für jeden, der sich für Filmgeschichte, Film Noir und die dunklen Seiten der menschlichen Natur interessiert.
Fazit: Ein Meisterwerk, das man gesehen haben muss
„Der Greifer“ ist ein Meisterwerk des Film Noir, das bis heute nichts von seiner Faszination verloren hat. Mit seiner innovativen Regie, seinen komplexen Charakteren und seiner düsteren Atmosphäre ist er ein Film, der den Zuschauer noch lange nach dem Abspann beschäftigt. Wenn Sie ein Fan von spannenden Kriminalfilmen mit Tiefgang sind, sollten Sie sich „Der Greifer“ auf keinen Fall entgehen lassen. Tauchen Sie ein in die dunkle Welt von Hank Quinlan und Miguel Vargas und erleben Sie ein Stück Filmgeschichte!
Filmdetails im Überblick
Titel | Der Greifer (Touch of Evil) |
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Regie | Orson Welles |
Drehbuch | Orson Welles (basiert auf dem Roman „Badge of Evil“ von Whit Masterson) |
Hauptdarsteller | Orson Welles, Charlton Heston, Janet Leigh, Marlene Dietrich |
Erscheinungsjahr | 1958 |
Genre | Film Noir, Thriller, Kriminalfilm |
Laufzeit | 95 Minuten (Director’s Cut: 111 Minuten) |
Land | USA |