Fabian oder Der Gang vor die Hunde: Eine Reise in die Abgründe und Hoffnungen der Weimarer Republik
In einer Zeit des Umbruchs, des Glanzes und des Elends, angesiedelt im brodelnden Berlin der späten 1920er Jahre, entfaltet sich das schmerzlich-schöne Drama „Fabian oder Der Gang vor die Hunde“. Der Film, basierend auf dem gleichnamigen Roman von Erich Kästner, ist weit mehr als eine bloße Literaturverfilmung. Er ist eine kraftvolle, visuell beeindruckende und emotional berührende Auseinandersetzung mit den großen Fragen des Lebens, der Liebe, der Moral und des drohenden Unheils.
Ein intellektueller Beobachter am Rande des Abgrunds
Dominik Graf, der Regisseur, inszeniert ein packendes Sittengemälde, das uns in das Leben von Jakob Fabian (Tom Schilling) eintauchen lässt. Fabian, ein promovierter Germanist, schlägt sich als Werbetexter und Nachtwächter durchs Leben. Er ist ein scharfsinniger Beobachter, ein Zyniker wider Willen, der die Verwerfungen der Gesellschaft mit wachem Verstand und trockenem Humor kommentiert. Er ist ein Mann, der die Schönheit sucht, aber zutiefst von der Hässlichkeit der Welt enttäuscht ist.
Fabian ist kein Held im klassischen Sinne. Er ist ein Getriebener, ein Suchender, ein Mann, der sich in der Anarchie der Zeit zu verlieren droht. Er ist Zeuge des moralischen Verfalls, der politischen Radikalisierung und der wachsenden Armut. Und doch bewahrt er sich eine gewisse Hoffnung, eine Sehnsucht nach Liebe und einem besseren Leben.
Die Liebe in Zeiten des Umbruchs: Cornelia und die Suche nach Glück
Ein Lichtblick in Fabians Leben ist die Begegnung mit Cornelia (Saskia Rosendahl), einer jungen, aufstrebenden Schauspielerin. Zwischen ihnen entwickelt sich eine leidenschaftliche, aber fragile Beziehung. Cornelia verkörpert für Fabian die Möglichkeit eines Neuanfangs, einer Flucht aus der Tristesse des Alltags. Doch auch ihre Liebe wird von den äußeren Umständen auf eine harte Probe gestellt. Cornelia träumt von einer großen Karriere und ist bereit, dafür Kompromisse einzugehen, die Fabian nicht akzeptieren kann.
Die Beziehung zwischen Fabian und Cornelia spiegelt auf tragische Weise die Zerrissenheit der Zeit wider. Die Sehnsucht nach Glück und Erfüllung kollidiert mit den harten Realitäten des Lebens, mit den Zwängen der Gesellschaft und den persönlichen Ambitionen.
Die Freunde: Labude und die Suche nach dem Sinn
Ein weiterer wichtiger Bestandteil von Fabians Leben ist seine Freundschaft zu Stephan Labude (Albrecht Schuch), einem idealistischen Intellektuellen, der an einer Dissertation arbeitet. Labude verkörpert den Glauben an die Kraft der Vernunft und die Möglichkeit einer besseren Welt. Doch auch er wird von den Ereignissen eingeholt und gerät in eine tiefe Krise. Seine tragische Geschichte verdeutlicht, wie selbst die besten Absichten in einer Welt des Chaos und der Gewalt scheitern können.
Die Freundschaft zwischen Fabian und Labude ist ein Anker in einer Welt, die aus den Fugen gerät. Sie streiten, diskutieren und unterstützen sich gegenseitig. Doch auch ihre Freundschaft wird von den politischen und gesellschaftlichen Umwälzungen auf eine harte Probe gestellt.
Ein visuelles Meisterwerk: Berlin als Spiegel der Seele
„Fabian oder Der Gang vor die Hunde“ ist nicht nur eine Geschichte, sondern auch ein visuelles Erlebnis. Die Kamera fängt die Atmosphäre des Berlins der 1930er Jahre auf beeindruckende Weise ein. Die pulsierenden Straßen, die glitzernden Cabarets, die düsteren Hinterhöfe – all das wird zu einem Spiegel der inneren Zerrissenheit der Protagonisten.
Dominik Graf setzt dabei auf eine expressive Bildsprache, die Elemente des expressionistischen Kinos aufgreift. Die Farbgebung ist oft düster und kontrastreich, was die bedrohliche Stimmung der Zeit unterstreicht. Gleichzeitig gibt es aber auch Momente der Schönheit und des Lichts, die die Hoffnung und die Sehnsucht nach einem besseren Leben symbolisieren.
Die Inszenierung: Ein Spiel mit den Erwartungen
Graf bricht immer wieder mit den Konventionen des klassischen Erzählkinos. Er montiert Originalaufnahmen aus der Zeit ein, lässt die Schauspieler in die Kamera sprechen und spielt mit verschiedenen Erzählperspektiven. Dadurch entsteht eine Distanz zum Geschehen, die den Zuschauer dazu anregt, über das Gesehene nachzudenken.
Die Inszenierung ist bewusst fragmentarisch und sprunghaft, was die Zerrissenheit der Zeit und die innere Unruhe der Protagonisten widerspiegelt. Gleichzeitig gelingt es Graf, eine tiefe emotionale Verbindung zu den Figuren aufzubauen.
Die schauspielerischen Leistungen: Ein Ensemble der Extraklasse
Tom Schilling verkörpert die Rolle des Jakob Fabian mit einer beeindruckenden Intensität und Verletzlichkeit. Er spielt den Zyniker mit Herz, den Beobachter mit Gewissen, den Liebenden mit Angst. Seine Darstellung ist nuanciert und glaubwürdig, was den Zuschauer tief in die Welt von Fabian eintauchen lässt.
Auch Saskia Rosendahl überzeugt als Cornelia mit ihrer Mischung aus Stärke und Verletzlichkeit. Sie verkörpert die moderne Frau, die ihren eigenen Weg gehen will, aber dabei an die Grenzen der Gesellschaft stößt. Albrecht Schuch liefert als Labude eine ebenso beeindruckende Leistung ab. Er spielt den idealistischen Intellektuellen mit einer Leidenschaft und einem Glauben, die den Zuschauer berühren.
Das gesamte Ensemble überzeugt durch seine Spielfreude und seine Authentizität. Die Schauspieler hauchen den Figuren Leben ein und machen sie zu Menschen aus Fleisch und Blut, mit denen man mitfühlt und mitfiebert.
Die Musik: Ein Spiegel der Emotionen
Die Musik von Sven Rossenbach und Florian van Volxem ist ein wichtiger Bestandteil des Films. Sie untermalt die Stimmung der einzelnen Szenen und verstärkt die emotionalen Wirkung. Die Musik ist mal jazzig und lebhaft, mal melancholisch und düster – je nachdem, welche Emotionen gerade im Vordergrund stehen.
Die Musik ist kein bloßer Hintergrund, sondern ein aktiver Bestandteil der Erzählung. Sie kommentiert das Geschehen, verstärkt die Spannung und berührt das Herz des Zuschauers.
Die Thematik: Zeitlos und aktuell
„Fabian oder Der Gang vor die Hunde“ ist ein Film, der auch heute noch relevant ist. Die Themen, die er anspricht – der moralische Verfall, die politische Radikalisierung, die Suche nach Liebe und Glück – sind zeitlos und universell.
Der Film erinnert uns daran, dass die Geschichte sich wiederholen kann, dass wir aus den Fehlern der Vergangenheit lernen müssen, um eine bessere Zukunft zu gestalten. Er mahnt uns, wachsam zu sein, unsere Werte zu verteidigen und uns nicht von Angst und Hass leiten zu lassen.
Der Roman von Erich Kästner: Eine literarische Vorlage von großer Bedeutung
Erich Kästners Roman „Fabian. Die Geschichte eines Moralisten“ ist ein Meisterwerk der deutschen Literatur. Er ist eine scharfsinnige Analyse der Weimarer Republik, ein Porträt einer Gesellschaft im Umbruch und eine tiefgründige Auseinandersetzung mit den großen Fragen des Lebens.
Der Roman ist geprägt von Kästners trockenem Humor, seinem scharfen Beobachtungsgabe und seiner tiefen Menschlichkeit. Er ist ein Buch, das zum Nachdenken anregt und den Leser auch nach der Lektüre noch lange beschäftigt.
Fazit: Ein Meisterwerk des deutschen Films
„Fabian oder Der Gang vor die Hunde“ ist ein Film, der unter die Haut geht. Er ist ein visuelles Meisterwerk, ein emotionales Drama und eine intellektuelle Auseinandersetzung mit den großen Fragen des Lebens. Der Film ist eine Hommage an Erich Kästner und sein Werk, aber auch eine eigenständige künstlerische Leistung von Dominik Graf und seinem Team.
Der Film ist ein Muss für alle, die sich für die deutsche Geschichte, die Literatur und das Kino interessieren. Er ist ein Film, der lange in Erinnerung bleibt und den Zuschauer zum Nachdenken anregt. Er ist ein Meisterwerk des deutschen Films, das man gesehen haben muss.
Die wichtigsten Darsteller in der Übersicht
Schauspieler | Rolle |
---|---|
Tom Schilling | Jakob Fabian |
Saskia Rosendahl | Cornelia Battenberg |
Albrecht Schuch | Stephan Labude |
Meret Becker | Irene Moll |
Petra Kalkutschke | Frau Hohlbein |
Elmar Gutmann | Justizrat Bremser |
Auszeichnungen (Auswahl)
- Deutscher Filmpreis 2021: Beste Regie (Dominik Graf)
- Deutscher Filmpreis 2021: Bestes Drehbuch (Dominik Graf, Constantin Lieb)
- Deutscher Filmpreis 2021: Bestes Kostümbild (Barbara Grupp)
- Nominiert für den Goldenen Bären bei der Berlinale 2021