In ihrem Haus (His House) – Eine erschütternde Reise zwischen Trauma, Schuld und Hoffnung
„In ihrem Haus“, ein britischer Horrorfilm aus dem Jahr 2020 unter der Regie von Remi Weekes, ist weit mehr als nur ein Schocker. Es ist eine tiefgründige und erschütternde Auseinandersetzung mit den traumatischen Erfahrungen von Flüchtlingen, die vor Krieg und Gewalt fliehen mussten. Der Film, der auf dem gleichnamigen Roman von Hissein Habré basiert, erzählt die Geschichte von Bol und Rial, einem sudanesischen Paar, das nach England flieht und dort ein neues Leben zu beginnen versucht. Doch die Schrecken der Vergangenheit lassen sie nicht los und manifestieren sich in ihrem neuen Zuhause in Form einer unheimlichen Präsenz.
Eine Geschichte von Flucht und Verlust
Bol und Rial überleben eine gefährliche Überfahrt über das Mittelmeer, bei der viele andere ihr Leben verlieren. Gezeichnet von diesem traumatischen Ereignis und dem Verlust ihrer Tochter Nyagak, erhalten sie in England Asyl. Ihnen wird ein heruntergekommenes Haus in einer trostlosen Gegend zugewiesen, das alles andere als ein sicherer Hafen ist. Das Haus ist von Anfang an von einer bedrohlichen Atmosphäre umgeben. Kratzende Geräusche, Schatten, die sich bewegen, und alptraumhafte Visionen quälen das Paar. Was zunächst wie ein klassischer Spukhaus-Horrorfilm anmutet, entpuppt sich schnell als eine vielschichtigere Auseinandersetzung mit Schuld, Trauma und der Schwierigkeit, in einer neuen Kultur Fuß zu fassen.
Die Geister der Vergangenheit
Die unheimlichen Ereignisse in ihrem Haus sind nicht bloße Einbildungen. Sie sind Manifestationen ihrer Vergangenheit, ihrer Schuldgefühle und des Verlustes ihrer Tochter. Bol, der versucht, sich in die neue Kultur zu integrieren und ein normales Leben zu führen, leugnet die Geister und versucht, sie zu ignorieren. Er glaubt, dass er durch Anpassung und Assimilation die Vergangenheit hinter sich lassen kann. Rial hingegen ist stärker mit ihren traditionellen Überzeugungen verbunden und glaubt, dass die Geister durch ein Unrecht in ihrer Vergangenheit heraufbeschworen wurden. Sie ist davon überzeugt, dass sie die Geister besänftigen muss, um Frieden zu finden.
Die Geister, die Bol und Rial heimsuchen, sind nicht nur Metaphern für ihre persönlichen Traumata. Sie repräsentieren auch die kollektiven Traumata der Flüchtlinge, die alles verloren haben und in einer fremden Welt neu anfangen müssen. Der Film zeigt auf eindringliche Weise die psychologischen Auswirkungen von Krieg, Gewalt und Flucht und die Schwierigkeit, mit diesen Erfahrungen umzugehen.
Kampf um Identität und Zugehörigkeit
„In ihrem Haus“ thematisiert auch den Kampf um Identität und Zugehörigkeit. Bol versucht, seine sudanesische Identität abzulegen und sich an die englische Kultur anzupassen. Er trägt westliche Kleidung, hört englische Musik und versucht, den lokalen Dialekt zu lernen. Rial hingegen hält an ihren Traditionen fest und fühlt sich in der fremden Umgebung isoliert und verloren. Der Konflikt zwischen den beiden wird durch die unheimlichen Ereignisse im Haus noch verstärkt. Sie streiten darüber, wie sie mit den Geistern umgehen sollen und wie sie ein neues Leben in England aufbauen können.
Der Film zeigt, wie schwierig es für Flüchtlinge ist, sich in eine neue Kultur zu integrieren, ohne ihre eigene Identität zu verlieren. Bol und Rial werden mit Vorurteilen und Diskriminierung konfrontiert. Sie fühlen sich von der Gesellschaft nicht akzeptiert und kämpfen darum, einen Platz zu finden, an dem sie sich zuhause fühlen können.
Die Symbolik des Hauses
Das Haus, in dem Bol und Rial leben, ist mehr als nur ein Ort. Es ist ein Symbol für ihre Vergangenheit, ihre Gegenwart und ihre Zukunft. Es ist ein Ort der Hoffnung, aber auch ein Ort des Schreckens. Das Haus repräsentiert die Isolation und Entfremdung, die Flüchtlinge erleben. Es ist ein Ort, an dem sie mit ihren Traumata konfrontiert werden und um ihre Identität kämpfen müssen.
Die heruntergekommene und vernachlässigte Beschaffenheit des Hauses spiegelt den inneren Zustand von Bol und Rial wider. Sie sind beide traumatisiert und verletzt. Das Haus ist ein Spiegel ihrer seelischen Wunden. Erst wenn sie sich ihren Traumata stellen und ihre Schuldgefühle überwinden, können sie das Haus von den Geistern befreien und ein neues Leben beginnen.
Horror als Metapher
„In ihrem Haus“ nutzt das Genre des Horrorfilms, um komplexe Themen wie Trauma, Schuld, Verlust und Identität zu verhandeln. Der Film ist nicht nur ein Schocker, sondern auch eine tiefgründige Auseinandersetzung mit den psychologischen Auswirkungen von Krieg, Gewalt und Flucht. Die Geister, die Bol und Rial heimsuchen, sind nicht nur übernatürliche Wesen, sondern auch Metaphern für ihre inneren Dämonen.
Der Film zeigt, wie Horror als Mittel genutzt werden kann, um soziale und politische Themen anzusprechen. Er lenkt die Aufmerksamkeit auf die schwierige Situation von Flüchtlingen und sensibilisiert für ihre Traumata und Verluste. Durch die Verwendung von Horrorelementen gelingt es dem Film, eine emotionale Verbindung zum Publikum herzustellen und die Zuschauer zum Nachdenken anzuregen.
Die schauspielerischen Leistungen
Die schauspielerischen Leistungen in „In ihrem Haus“ sind herausragend. Wunmi Mosaku und Sope Dirisu liefern beeindruckende Darstellungen von Rial und Bol. Sie verkörpern die emotionalen und psychologischen Belastungen ihrer Figuren auf glaubwürdige und berührende Weise. Ihre Chemie auf der Leinwand ist spürbar und trägt dazu bei, die Geschichte des Paares authentisch zu erzählen. Matt Smith, in der Rolle des Sozialarbeiters Mark, überzeugt ebenfalls mit einer nuancierten Darstellung.
Die Regie von Remi Weekes
Remi Weekes, der sein Spielfilmdebüt mit „In ihrem Haus“ gibt, beweist mit diesem Film sein außergewöhnliches Talent. Er inszeniert die Geschichte auf visuell beeindruckende und atmosphärisch dichte Weise. Die Kameraarbeit ist hervorragend und trägt dazu bei, die beklemmende Atmosphäre des Films zu verstärken. Weekes gelingt es, die Horrorelemente subtil und effektiv einzusetzen, ohne auf billige Schockeffekte zurückzugreifen. Er schafft eine Balance zwischen Horror und Drama, die den Film zu einem außergewöhnlichen und bewegenden Erlebnis macht.
Themen und Interpretationen
„In ihrem Haus“ ist reich an Themen und Interpretationen. Der Film kann als Allegorie auf die Traumata von Flüchtlingen, den Kampf um Identität und Zugehörigkeit, die Schwierigkeit der Integration und die Notwendigkeit der Vergangenheitsbewältigung interpretiert werden. Er thematisiert auch die universellen Themen Schuld, Verlust, Vergebung und Hoffnung.
Der Film regt zum Nachdenken über die Verantwortung der Gesellschaft gegenüber Flüchtlingen an. Er fordert dazu auf, Empathie und Verständnis für die Menschen zu zeigen, die alles verloren haben und in einer fremden Welt neu anfangen müssen. „In ihrem Haus“ ist ein wichtiger und bewegender Film, der noch lange nach dem Abspann nachwirkt.
„In ihrem Haus“ ist ein außergewöhnlicher und bewegender Horrorfilm, der weit über das Genre hinausgeht. Er ist eine tiefgründige Auseinandersetzung mit den traumatischen Erfahrungen von Flüchtlingen, die in einer fremden Welt um ihre Identität und Zugehörigkeit kämpfen müssen. Der Film ist visuell beeindruckend, atmosphärisch dicht und schauspielerisch herausragend. Er regt zum Nachdenken an und berührt die Zuschauer auf einer tiefen emotionalen Ebene. „In ihrem Haus“ ist ein Muss für alle, die sich für anspruchsvolle und bewegende Filme interessieren.
Auszeichnungen (Auswahl)
Auszeichnung | Kategorie | Ergebnis |
---|---|---|
British Academy Film Awards (BAFTA) | Bester britischer Film | Nominiert |
British Independent Film Awards | Beste Regie | Gewonnen |
British Independent Film Awards | Bestes Drehbuch | Gewonnen |
Critics‘ Choice Awards | Bester Horrorfilm | Nominiert |
Besetzung
- Sope Dirisu als Bol
- Wunmi Mosaku als Rial
- Matt Smith als Mark
- Malaika Wakooli als Nyagak