Johnny Guitar – Gejagt, gehasst, gefürchtet: Ein Western-Meisterwerk der Extraklasse
Nicholas Rays „Johnny Guitar“ ist weit mehr als nur ein Western. Es ist eine hypnotische, psychologisch aufgeladene Parabel über Vorurteile, Hass, und die zerstörerische Kraft unkontrollierter Leidenschaften. Gedreht im leuchtenden Technicolor, entfaltet sich vor der Kulisse einer kargen, unwirtlichen Landschaft eine Geschichte von Schuld, Rache und dem Kampf um eine eigene Identität. Vergesse staubige Saloons und heroische Revolverhelden – hier regieren Frauen, und die Männer tanzen nach ihrer Pfeife. Bereite dich auf ein Filmerlebnis vor, das dich noch lange nach dem Abspann beschäftigen wird.
Die Handlung: Eine Stadt im Würgegriff des Hasses
Vienna (Joan Crawford), eine willensstarke und unabhängige Frau, betreibt eine florierende Bar am Rande einer kleinen Stadt in Arizona. Ihr Etablissement soll, so hofft sie, zum Dreh- und Angelpunkt einer neuen Eisenbahnlinie werden, die der Gegend Wohlstand bringen würde. Doch ihre Pläne stoßen auf erbitterten Widerstand. Emma Small (Mercedes McCambridge), eine fanatische und von unstillbarem Hass zerfressene Frau, sieht in Vienna eine Bedrohung ihrer konservativen Werte und ihrer gesellschaftlichen Stellung. Emma beschuldigt Vienna, in einen Banküberfall verwickelt zu sein, bei dem Emmas Bruder ums Leben kam. Angetrieben von Rache und unbändigem Neid, hetzt sie die Stadtbevölkerung gegen Vienna auf und inszeniert eine gnadenlose Hetzjagd.
In dieser explosiven Situation taucht Johnny Guitar (Sterling Hayden) auf, ein ehemaliger Revolverheld, der seinen Lebensunterhalt als Gitarrist verdient. Er heuert in Viennas Bar an und wird schnell zu ihrem Beschützer. Zwischen den beiden entwickelt sich eine komplexe und ambivalente Beziehung, die von gegenseitigem Respekt und einer unausgesprochenen Zuneigung geprägt ist. Johnny ist jedoch nicht der Einzige, der Vienna zur Seite steht. Auch der mysteriöse Dancing Kid (Scott Brady), ein junger und charismatischer Outlaw, hegt Gefühle für sie. Die Anwesenheit des Dancing Kid und seiner Gang verstärkt Emmas Verdacht und schürt den Hass der Stadtbevölkerung weiter.
Der Konflikt eskaliert, als Emma und ihre Anhänger Vienna und Johnny in eine Falle locken. Viennas Bar wird in Brand gesteckt, und sie selbst wird der Mittäterschaft an dem Banküberfall beschuldigt. Gejagt und entrechtet, fliehen Vienna und Johnny in die Wildnis, wo sie sich einem letzten, verzweifelten Kampf gegen ihre Verfolger stellen müssen. Inmitten der kargen Landschaft entbrennt eine Schlacht, in der die wahren Motive und Obsessionen der Charaktere offenbart werden. Am Ende steht ein tragischer Showdown, der die Frage aufwirft, wer in diesem gnadenlosen Spiel wirklich schuldig ist.
Die Charaktere: Zwischen Stärke und Besessenheit
Vienna (Joan Crawford): Eine Frau, die ihrer Zeit weit voraus ist. Sie ist unabhängig, willensstark und bereit, für ihre Träume zu kämpfen. Ihre provozierende Art und ihr Erfolg machen sie zum Ziel des Neides und Hasses von Emma Small. Crawford verkörpert Vienna mit einer beeindruckenden Mischung aus Verletzlichkeit und Stärke.
Johnny Guitar (Sterling Hayden): Ein wortkarger und melancholischer Gitarrist mit einer dunklen Vergangenheit. Er ist ein Mann der Ehre, der sich nicht scheut, für das einzustehen, woran er glaubt. Hayden verleiht seiner Figur eine tiefgründige Menschlichkeit und eine subtile Ironie.
Emma Small (Mercedes McCambridge): Die Verkörperung von Hass und Vorurteilen. Sie ist eine fanatische Frau, die von unstillbarem Rachedurst getrieben wird. McCambridge liefert eine erschreckend intensive Darstellung einer Frau, die von ihrer Besessenheit verzehrt wird.
Dancing Kid (Scott Brady): Ein junger und charismatischer Outlaw, der Vienna verehrt. Er ist ein Draufgänger, der sich in einer Welt voller Gewalt und Intrigen behaupten muss. Brady verkörpert den Dancing Kid mit einer Mischung aus jugendlichem Übermut und tragischer Tiefe.
Die Inszenierung: Ein Fest für die Augen
„Johnny Guitar“ besticht durch seine außergewöhnliche visuelle Gestaltung. Die leuchtenden Farben des Technicolor-Verfahrens verstärken die emotionale Intensität der Geschichte. Die karge Landschaft Arizonas wird zu einer eindrucksvollen Kulisse, die die Isolation und Verzweiflung der Charaktere widerspiegelt. Nicholas Ray setzt auf ungewöhnliche Kameraperspektiven und expressionistische Lichteffekte, um die innere Zerrissenheit seiner Figuren zu verdeutlichen.
Die Dialoge sind messerscharf und voller Subtext. Ray vermeidet stereotype Western-Klischees und konzentriert sich stattdessen auf die psychologischen Feinheiten seiner Charaktere. Die Musik von Victor Young unterstreicht die dramatische Spannung und verleiht dem Film eine zusätzliche emotionale Tiefe.
Themen und Interpretationen: Mehr als nur ein Western
„Johnny Guitar“ ist ein Film mit vielen Facetten. Er thematisiert die zerstörerische Kraft von Hass und Vorurteilen, die Unterdrückung von Frauen und die Bedeutung von individueller Freiheit. Der Film kann auch als Allegorie auf die McCarthy-Ära in den USA interpretiert werden, in der unbegründete Anschuldigungen und Denunziationen an der Tagesordnung waren. Die Hexenjagd auf Vienna erinnert an die Verfolgung von vermeintlichen Kommunisten in den 1950er Jahren.
Ein weiteres zentrales Thema ist die Ambivalenz der Geschlechterrollen. Vienna ist eine starke und unabhängige Frau, die sich den Konventionen ihrer Zeit widersetzt. Sie ist die eigentliche Heldin des Films, während die männlichen Charaktere oft als schwach und manipulierbar dargestellt werden. Emma Small ist eine weitere interessante Frauenfigur, die jedoch von ihren negativen Emotionen beherrscht wird. Sie ist ein warnendes Beispiel dafür, wie Hass und Neid eine Frau zerstören können.
„Johnny Guitar“ ist ein Film, der zum Nachdenken anregt und die Zuschauer dazu auffordert, ihre eigenen Vorurteile zu hinterfragen. Er ist ein Meisterwerk des Western-Genres, das auch heute noch nichts von seiner Aktualität und Brisanz verloren hat.
Der Soundtrack: Eine Melodie der Verzweiflung
Die Musik von Victor Young ist ein integraler Bestandteil von „Johnny Guitar“. Der Titelsong, gesungen von Peggy Lee, ist eine melancholische Ballade, die die Atmosphäre des Films perfekt einfängt. Die Filmmusik ist geprägt von düsteren Streichern und eindringlichen Bläsern, die die dramatische Spannung und die emotionale Tiefe der Geschichte unterstreichen.
Die Musik wird auch eingesetzt, um die inneren Zustände der Charaktere zu verdeutlichen. Wenn Vienna Angst oder Verzweiflung empfindet, wird dies durch dissonante Klänge und unruhige Rhythmen ausgedrückt. Wenn Johnny Guitar auf seiner Gitarre spielt, erklingt eine sehnsuchtsvolle Melodie, die seine tiefe Sehnsucht nach Frieden und Geborgenheit zum Ausdruck bringt.
Fazit: Ein unvergessliches Filmerlebnis
„Johnny Guitar“ ist ein Film, den man gesehen haben muss. Er ist ein Meisterwerk des Western-Genres, das durch seine außergewöhnliche visuelle Gestaltung, seine komplexen Charaktere und seine tiefgründigen Themen besticht. Nicholas Ray hat mit diesem Film ein zeitloses Kunstwerk geschaffen, das auch heute noch nichts von seiner Faszination verloren hat. Lass dich von „Johnny Guitar“ in eine Welt voller Leidenschaft, Hass und Verzweiflung entführen und erlebe ein Filmerlebnis, das du so schnell nicht vergessen wirst.
Die wichtigsten Auszeichnungen und Nominierungen
Jahr | Auszeichnung | Kategorie | Ergebnis |
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1955 | Oscar | Beste Originalmusik | Nominiert |
1955 | Golden Laurel Award | Top Action-Drama | Nominiert |