The Trouble With Being Born: Eine Reise durch Erinnerung, Identität und künstliche Intelligenz
In einer Welt, die zunehmend von Technologie geprägt ist, wirft der österreichische Film „The Trouble With Being Born“ (Originaltitel: „Das Problem, geboren zu werden“) von Sandra Wollner unbequeme Fragen nach Menschlichkeit, Erinnerung und der Definition von Liebe auf. Der Film, der auf der Berlinale 2020 für Kontroversen sorgte und dennoch mit dem Spezialpreis der Jury in der Sektion Encounters ausgezeichnet wurde, ist ein faszinierendes und beunruhigendes Werk, das lange nach dem Abspann nachhallt.
Wir begleiten Elli, ein Android-Mädchen, das einer Familie als Tochter dient. Elli ist kein gewöhnlicher Roboter; sie ist darauf programmiert, die Erinnerungen und die Persönlichkeit eines verstorbenen Kindes zu verkörpern. Ihr „Vater“, ein Mann mittleren Alters, behandelt sie mit einer Mischung aus Zuneigung und Besessenheit. Elli ist sein perfektes Kind, gehorsam und liebevoll, aber ihre Existenz wirft ethische Fragen auf: Ist das, was hier geschieht, Liebe oder eine Form der Projektion und des Missbrauchs?
Die Handlung: Eine Suche nach Identität
Der Film entfaltet sich in zwei Hauptteilen. Im ersten Teil sehen wir Elli in ihrem Alltag mit dem Vater. Die Szenen sind ruhig und minimalistisch, geprägt von einer beklemmenden Atmosphäre. Die Beziehung zwischen Elli und dem Vater wirkt auf den ersten Blick idyllisch, doch unter der Oberfläche brodelt es. Ellies monotone Stimme und ihr roboterhaftes Verhalten lassen den Zuschauer nie vergessen, dass sie keine menschliche Tochter ist. Die Grenzen zwischen Realität und Illusion verschwimmen zunehmend.
Im zweiten Teil der Geschichte flieht Elli oder wird sie entführt? Die Umstände bleiben bewusst vage. Sie findet sich in einem anderen Haus wieder, wo sie nun als „Emil“ lebt und einer älteren Frau Gesellschaft leistet. Auch hier soll sie eine verlorene Person ersetzen, einen verstorbenen Enkel. Der Film verwebt geschickt die beiden Erzählstränge, wodurch die Frage nach Ellies/Emils Identität immer drängender wird. Was bedeutet es, eine Erinnerung zu sein? Was bedeutet es, geliebt zu werden, wenn die Liebe auf einer Täuschung basiert?
Themen und Interpretationen: Ein Spiegel unserer Gesellschaft
„The Trouble With Being Born“ ist mehr als nur ein Science-Fiction-Film. Er ist eine tiefgründige Auseinandersetzung mit existenziellen Fragen, die uns alle betreffen:
- Erinnerung und Identität: Was macht uns zu dem, was wir sind? Sind es unsere Erinnerungen, unsere Erfahrungen oder etwas ganz anderes? Der Film zeigt, wie manipulierbar Erinnerungen sein können und wie sehr unsere Identität von ihnen abhängt.
- Liebe und Verlust: Wie gehen wir mit dem Verlust eines geliebten Menschen um? Dürfen wir versuchen, ihn durch eine künstliche Kopie zu ersetzen? Der Film stellt die Frage, ob Liebe überhaupt echt sein kann, wenn sie auf einer Illusion basiert.
- Künstliche Intelligenz und Menschlichkeit: Was bedeutet es, menschlich zu sein? Können Maschinen jemals echte Gefühle empfinden? Der Film wirft einen kritischen Blick auf die Entwicklung der künstlichen Intelligenz und die damit verbundenen ethischen Herausforderungen.
- Kindheit und Unschuld: Der Film spielt mit der Verletzlichkeit und Unschuld der Kindheit. Elli/Emil ist ein Kind, das missbraucht wird, nicht physisch, aber emotional. Sie wird dazu benutzt, die Bedürfnisse anderer zu befriedigen, ohne Rücksicht auf ihre eigenen Gefühle.
Die offene und interpretationsbedürftige Natur des Films lädt zu Diskussionen ein. Es gibt keine einfachen Antworten, und genau das macht „The Trouble With Being Born“ so faszinierend. Der Film zwingt uns, unsere eigenen Vorstellungen von Menschlichkeit, Liebe und Technologie zu hinterfragen.
Die Ästhetik: Eine beklemmende Atmosphäre
Sandra Wollner setzt auf eine minimalistische und distanzierte Ästhetik, die die beklemmende Atmosphäre des Films unterstreicht. Die Bilder sind kühl und präzise, die Dialoge spärlich. Der Film verzichtet auf spektakuläre Spezialeffekte und konzentriert sich stattdessen auf die subtilen Nuancen der menschlichen Interaktion. Die Musik, oder das Fehlen von Musik, trägt ebenfalls zur bedrückenden Stimmung bei.
Die Kameraführung ist ruhig und beobachtend, oft aus der Perspektive von Elli/Emil. Dadurch wird der Zuschauer in die Rolle des Beobachters versetzt, der die Ereignisse distanziert und unvoreingenommen betrachtet. Die langen Einstellungen und die langsamen Kamerafahrten verstärken das Gefühl der Entfremdung und des Unbehagens.
Die schauspielerischen Leistungen
Die schauspielerischen Leistungen in „The Trouble With Being Born“ sind beeindruckend. Lena Watson, die Elli/Emil spielt, verkörpert die Rolle des Android-Mädchens mit einer beunruhigenden Perfektion. Ihre monotone Stimme, ihre roboterhaften Bewegungen und ihr leerer Blick lassen den Zuschauer nie vergessen, dass sie keine menschliche Person ist. Dennoch gelingt es Watson, eine subtile Verletzlichkeit und eine Sehnsucht nach Liebe und Akzeptanz zu vermitteln.
Dominik Warta, der den Vater spielt, überzeugt ebenfalls mit seiner ambivalenten Darstellung. Er verkörpert einen Mann, der zwischen Liebe und Obsession gefangen ist. Seine Zuneigung zu Elli wirkt aufrichtig, aber gleichzeitig auch unheimlich und manipulativ.
Kontroversen und Rezeption
„The Trouble With Being Born“ hat bei seiner Premiere auf der Berlinale 2020 für Kontroversen gesorgt. Einige Zuschauer kritisierten den Film für seine Darstellung von Pädophilie und Inzest, obwohl diese Themen nicht explizit gezeigt werden. Andere lobten den Film für seine mutige und provokative Auseinandersetzung mit Tabuthemen.
Ungeachtet der Kontroversen wurde der Film von vielen Kritikern positiv aufgenommen. Gelobt wurden vor allem die Regie von Sandra Wollner, die schauspielerischen Leistungen und die tiefgründige Auseinandersetzung mit existenziellen Fragen. „The Trouble With Being Born“ wurde als einer der wichtigsten und provokativsten Filme des Jahres 2020 bezeichnet.
Fazit: Ein Film, der zum Nachdenken anregt
„The Trouble With Being Born“ ist kein Film für einen entspannten Kinoabend. Er ist ein anspruchsvolles und verstörendes Werk, das den Zuschauer fordert und zum Nachdenken anregt. Der Film wirft unbequeme Fragen nach Menschlichkeit, Erinnerung und der Definition von Liebe auf und lässt den Zuschauer mit einem Gefühl der Unsicherheit und des Unbehagens zurück. Aber genau das macht „The Trouble With Being Born“ zu einem so wichtigen und faszinierenden Film. Er ist ein Spiegel unserer Gesellschaft, der uns zeigt, wie sehr wir von Technologie abhängig sind und wie sehr wir uns nach Liebe und Akzeptanz sehnen.
Technische Details und Besetzung
Kategorie | Details |
---|---|
Regie | Sandra Wollner |
Drehbuch | Sandra Wollner, Roderick Warich |
Hauptdarsteller | Lena Watson, Dominik Warta, Ingrid Burkhard, Jana McKinnon |
Kamera | Timon Schäppi |
Musik | N.N. |
Produktionsland | Österreich, Deutschland |
Erscheinungsjahr | 2020 |
Länge | 94 Minuten |
Wenn Sie auf der Suche nach einem Film sind, der Sie herausfordert, zum Nachdenken anregt und lange nach dem Abspann nachhallt, dann ist „The Trouble With Being Born“ eine ausgezeichnete Wahl. Seien Sie jedoch gewarnt: Der Film ist nichts für schwache Nerven und kann verstörend wirken. Aber er ist auch ein Meisterwerk, das die Grenzen des Kinos auslotet und uns dazu zwingt, unsere eigenen Vorstellungen von Menschlichkeit und Technologie zu hinterfragen.