Waldheims Walzer – Eine Reise in die Vergangenheit, ein Tanz mit der Wahrheit
„Waldheims Walzer“, ein Dokumentarfilm von Ruth Beckermann aus dem Jahr 2018, ist weit mehr als nur eine Chronologie historischer Ereignisse. Er ist eine zutiefst persönliche Auseinandersetzung mit der österreichischen Vergangenheit, dem schwierigen Erbe Kurt Waldheims und der Frage, wie wir uns als Gesellschaft mit unbequemen Wahrheiten auseinandersetzen. Beckermann verwebt auf meisterhafte Weise Archivmaterial, eigene Aufnahmen und Interviews zu einem vielschichtigen Porträt, das den Zuschauer auf eine emotionale und intellektuelle Reise mitnimmt.
Die Suche nach der Wahrheit: Eine Filmemacherin auf den Spuren ihres Vaters
Der Film beginnt mit einem sehr persönlichen Ansatz. Ruth Beckermann, selbst Tochter von Holocaust-Überlebenden, erinnert sich an ihre Kindheit und Jugend in Wien, einer Stadt, die von Verdrängung und dem Wunsch nach Normalität geprägt war. Als 1986 die Kontroverse um Kurt Waldheims Vergangenheit während des Zweiten Weltkriegs aufbricht, wird Beckermann unweigerlich in die Debatte hineingezogen. Ihr Vater, ein engagierter Zionist, drängt sie, die Wahrheit ans Licht zu bringen. Beckermann nimmt die Herausforderung an und beginnt, die Ereignisse zu dokumentieren.
Der Film zeigt nicht nur die öffentlichen Auftritte und Reden Waldheims während seiner Präsidentschaftskampagne und seiner Amtszeit als UN-Generalsekretär, sondern auch die Proteste und Demonstrationen, die ihn begleiteten. Wir sehen jüdische Aktivisten, die Transparente mit der Aufschrift „Waldheim – No!“ hochhalten, Historiker, die Fakten ans Licht bringen, und Journalisten, die unbequeme Fragen stellen. Beckermann fängt die Atmosphäre einer Nation ein, die zerrissen ist zwischen dem Wunsch nach Stolz und dem Bedürfnis nach Ehrlichkeit.
Archivmaterial als Spiegel der Geschichte
Ein wesentlicher Bestandteil von „Waldheims Walzer“ ist das umfangreiche Archivmaterial. Beckermann gräbt tief in den Archiven und fördert Filmmaterial, Fotos und Dokumente zutage, die ein umfassendes Bild von Waldheims Werdegang zeichnen. Wir sehen ihn als jungen Offizier in der Wehrmacht, als Diplomat und schließlich als mächtigen Politiker. Das Archivmaterial dient nicht nur der Information, sondern auch der emotionalen Auseinandersetzung. Es konfrontiert den Zuschauer mit den konkreten Bildern und Tönen der Vergangenheit und lässt ihn die Tragweite der Ereignisse erahnen.
Besonders eindrücklich sind die Aufnahmen von Waldheims Beteuerungen seiner Unschuld. Er leugnet, von den Gräueltaten der Nazis gewusst zu haben, obwohl Beweise das Gegenteil nahelegen. Diese Diskrepanz zwischen seinen Aussagen und den historischen Fakten ist ein zentrales Thema des Films und wirft die Frage nach der individuellen Verantwortung in Zeiten des Krieges und der Verfolgung auf.
Die UN-Generalsekretärs-Jahre: Eine Fassade der Integrität?
Ein weiterer Schwerpunkt des Films liegt auf Waldheims Zeit als UN-Generalsekretär (1972-1981). Beckermann beleuchtet, wie er diese Position nutzte, um sein Image zu polieren und von seiner Vergangenheit abzulenken. Sie zeigt ihn in diplomatischen Verhandlungen, bei Friedensmissionen und in Reden vor der Generalversammlung. Doch unter der glänzenden Oberfläche der internationalen Anerkennung brodelten bereits Gerüchte und Verdächtigungen über seine Kriegsvergangenheit.
Der Film wirft die Frage auf, ob die internationale Gemeinschaft bewusst oder unbewusst die Augen vor Waldheims Vergangenheit verschlossen hat, um die Arbeit der Vereinten Nationen nicht zu gefährden. War er ein nützlicher Diplomat, dessen Vergangenheit man ignorieren konnte? Oder hätte man ihn zur Rechenschaft ziehen müssen, um ein Zeichen gegen die Straflosigkeit von Kriegsverbrechen zu setzen?
Die Kontroverse und ihre Folgen: Österreich im Spiegel der Welt
Als die Kontroverse um Waldheims Vergangenheit 1986 öffentlich ausbrach, geriet Österreich in eine tiefe Krise. Das Land, das sich gerne als Opfer des Nationalsozialismus präsentierte, wurde nun mit seiner eigenen Verwicklung in die Verbrechen des Dritten Reiches konfrontiert. Beckermann zeigt, wie die Debatte die österreichische Gesellschaft spaltete und zu einer intensiven Auseinandersetzung mit der eigenen Geschichte führte.
Der Film dokumentiert die Hetzkampagnen gegen Juden und linke Intellektuelle, die Waldheims Kritiker als Nestbeschmutzer und Verräter diffamierten. Er zeigt aber auch den Mut und die Entschlossenheit derjenigen, die sich gegen die Verdrängung und Verharmlosung der NS-Vergangenheit stellten. Die Kontroverse um Waldheim zwang Österreich, sich seiner Vergangenheit zu stellen und einen schwierigen Lernprozess zu durchlaufen.
Mehr als nur ein Dokumentarfilm: Eine persönliche Reflexion über Schuld und Erinnerung
„Waldheims Walzer“ ist jedoch mehr als nur eine historische Dokumentation. Er ist auch eine sehr persönliche Reflexion über Schuld, Erinnerung und die Verantwortung der nachfolgenden Generationen. Beckermann stellt sich die Frage, wie wir mit dem Erbe der Vergangenheit umgehen sollen und wie wir verhindern können, dass sich die Geschichte wiederholt. Sie zeigt, dass die Auseinandersetzung mit der Vergangenheit schmerzhaft und unbequem sein kann, aber auch notwendig, um eine gerechtere und menschlichere Zukunft zu gestalten.
Der Film ist keine Anklage gegen Kurt Waldheim als Einzelperson, sondern eine Analyse der Mechanismen der Verdrängung und des Schweigens, die in der österreichischen Gesellschaft wirksam waren. Er zeigt, wie politische Opportunität, nationaler Stolz und persönliche Schuld dazu beitragen können, dass die Wahrheit verschleiert wird.
Die Bedeutung des Films heute: Eine Mahnung zur Wachsamkeit
Auch heute, Jahrzehnte nach der Waldheim-Affäre, hat „Waldheims Walzer“ nichts von seiner Aktualität verloren. In einer Zeit, in der Nationalismus, Rassismus und Antisemitismus wieder auf dem Vormarsch sind, ist es wichtiger denn je, sich mit der Vergangenheit auseinanderzusetzen und aus ihr zu lernen. Der Film mahnt uns zur Wachsamkeit und erinnert uns daran, dass die Verteidigung der Menschenrechte und der Demokratie eine ständige Aufgabe ist.
„Waldheims Walzer“ ist ein wichtiger und bewegender Film, der zum Nachdenken anregt und uns auffordert, uns unserer Verantwortung gegenüber der Geschichte bewusst zu werden. Er ist ein Mahnmal gegen das Vergessen und ein Appell für eine offene und ehrliche Auseinandersetzung mit der Vergangenheit.
Zusammenfassende Stichpunkte:
- Dokumentarfilm von Ruth Beckermann (2018) über die Kontroverse um Kurt Waldheims Vergangenheit.
- Verwebt Archivmaterial, eigene Aufnahmen und Interviews zu einem vielschichtigen Porträt.
- Persönliche Auseinandersetzung der Filmemacherin mit der österreichischen Geschichte und dem Erbe Waldheims.
- Beleuchtet Waldheims Rolle während des Zweiten Weltkriegs, seine Zeit als UN-Generalsekretär und seine Präsidentschaft.
- Thematisiert die Verdrängung der NS-Vergangenheit in Österreich und die Notwendigkeit einer offenen Auseinandersetzung damit.
- Eine Mahnung zur Wachsamkeit gegenüber Nationalismus, Rassismus und Antisemitismus.
Filmdetails in Tabellenform:
Kategorie | Information |
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Regie | Ruth Beckermann |
Erscheinungsjahr | 2018 |
Genre | Dokumentarfilm, Historischer Film |
Land | Österreich |
Sprache | Deutsch, Englisch |