Der deutsche Entwickler Deck 13 aus Frankfurt am Main ist zurück. Nach dem gelungenen „Souls-like“ Sci-Fi Action-Rollenspiel „The Surge“ steht nun, nach gerade etwas über zwei Jahren Entwicklung, bereits der Nachfolger in den Startlöchern. Ob sich das Warten gelohnt hat und ob Deck 13 einen vollwertigen Nachfolger abliefert?
Nach diesem Test wissen wir mehr.
Im ersten Teil stand vor allem der hippe Megakonzern CREO im Fokus. Mit Hilfe moderner Robotik wollte CREO die Welt wieder in Einklang bringen, den Pfad in die Zukunft ebnen und ökologische Katastrophen verhindern. So jedenfalls die Theorie. Dass sich dann doch alles ein wenig anders entwickelt hat, erlebten wir in der Rolle des Protagonisten Warren hautnah im Laufe der Story. CREO’s Zukunftsvision sorgte für den Ausbruch einer Nano-Seuche. Trotz all unserer Bemühungen starteten die Maschinen am Ende eine Rakete und die sich immer weiter ausbreitende Nano-Seuche wurde nicht besiegt.
„The Surge 2“ knüpft nahtlos an das Ende des ersten Teils an. Das Intro beginnt mit dem Flug der Rakete, ihrer anschließenden Explosion im Orbit sowie einem daraus resultierenden Flugzeugabsturz. Unmittelbar danach können wir uns in einem umfangreichen Charaktereditor, ein Feature, das sich die Fans ausdrücklich gewünscht haben, austoben. Neben Geschlecht und Beruf gibt es an dieser Stelle auch umfassende Möglichkeiten, das Aussehen der Spielfigur festzulegen.
Im Anschluss daran wirft uns das Spiel direkt ins kalte Wasser und wir erwachen im Hospitaltrakt eines Gefängnisses. Da sich Gameplay, Kameraführung und Menüdesign kaum verändert haben, kommen wir damit auch sofort zurecht. Wo wir uns allerdings nicht zurechtfinden ist im Kopf unserer Spielfigur. Was mit uns passiert ist, wo wir sind und warum alles und jeder der unseren Weg kreuzt ohne zu zögern angreift, das wissen wir nicht.
Im späteren Spielverlauf erfahren wir, dass sich die gefährliche Nano-Seuche ausgebreitet und die Stadt Jericho, in welcher wir uns nun befinden, erfasst hat. Ganz Jericho steht unter Quarantäne und ist von einer riesigen Schutzmauer umgeben. Innerhalb der Mauern herrscht Anarchie. Um hier zu überleben, benötigen wir nicht Snake Plissken, sondern ein leistungssteigerndes Exoskelett. Dieses ist mit kybernetischen Implantaten ausgestattet und ermöglicht dadurch eine individuelle Charakterentwicklung. Auch die beliebten, nützlichen Drohnen sind wieder am Start und wurden sinnvoll verbessert. So ermöglichen sie nun sogar effektiven Fernkampf.
Um zu leveln benötigen wir Tech-Scrap, für das Crafting Rüstungsteile und Waffen. Durch das Besiegen von Gegnern und durch das gezielte Anvisieren entsprechender Körperteile, können wir diese im Kampf vom Gegner abtrennen. Inszeniert wird das durch äußerst brutale, in Zeitlupe ablaufende, Finishing-Moves. In diesem Punkt toppt „The Surge 2“ seinen Vorgänger um Längen und präsentiert uns eine wahre Symphonie der Gewalt.
Gingen wir in „The Surge“ noch eher vorsichtig und bedacht ans Werk, so fördert das Kampfsystem von „The Surge 2“ nun, ähnlich wie bei „Bloodborne“, aggressives Vorgehen. Landen wir gute Treffer, laden diese den Akku unseres Exoskeletts auf. Hiermit können wir uns dann, dank dem passenden Implantat, direkt heilen. Auch das Blocken wurde verbessert und ermöglicht uns nun, das gezielte Abwehren von Angriffen mit Hilfe des rechten Analogsticks. Mit etwas Übung und dem richtigen Timing können wir so sehr effektive Konterschläge platzieren.
Neben dem richtigen Exo-Rig und dessen Set-Bonus können jetzt bei einem Levelaufstieg auch Standardwerte wie Gesundheit, Ausdauer und Akkuleistung gesteigert werden. Der Schwierigkeitsgrad ist fordernd aber niemals unfair. Da bei jedem Zwischenstopp an der MediBay die Gegner zurückgesetzt werden, ist das Hochleveln, um knifflige Stelle zu schaffen, ebenfalls möglich. „The Surge 2“ bietet jetzt auch die Möglichkeit, drei verschiedene Ausrüstungs-Konfigurationen abzuspeichern, zwischen denen wir je nach Bedarf wechseln können.
Werden wir im Kampf besiegt, verlieren wir den bisher gesammelten Tech-Scrap an Ort und Stelle und kehren zur letzten MediBay zurück. Schaffen wir es vor Ablauf einer gewissen Zeit zurück zum Todesort, können wir unser Loot wiedererlangen. Voraussetzung ist natürlich, dass wir unterwegs nicht erneut sterben.
Auch in „The Surge 2“ gilt wieder folgendes: Je mehr Tech-Scrap wir bei uns tragen, desto höher ist der Faktor des Materials, das wir beim Besiegen von Gegnern erhalten. Man hat also die Wahl ob man sich entweder für den ertragreichen, aber riskanten Weg, oder den etwas mühsameren, aber sicheren Weg entscheidet. Im Zweiten Fall speichern wir einfach das bisher erhaltene Material in der MediBay.
Erneut setzt Deck 13 auf die hauseigene Grafikengine „Fledge“ und präsentiert das Spiel auf hohem Grafikniveau. PS4 Pro Besitzer können das Spiel entweder in detaillierter 4K-Auflösung bei 30fps oder in 1080p bei 60fps spielen. Wie beim Vorgänger gibt es wieder hervorragende Animationen, realistische Beleuchtungseffekte, detaillierte Charaktermodelle, tolles Art-Design und gutes, ineinander verzahntes, Leveldesign.
Leider gibt es auch negative Punkte wie nachladende Texturen, Detailarme Objekte oder kahle Hauswände. Auch an der Weitsicht wurde gespart, so sieht man z. B., wenn man sich in Jericho mal umschaut, nur einen nebeligen Hintergrund. Auch die einzigartigen und sich stark voneinander unterscheidenden Areale aus dem ersten Teil sind in dieser Form nicht mehr vorhanden. Die Gebiete in „The Surge 2“ wirken häufig nur wie Variationen voneinander.
In Sachen Lokalisation steht das Spiel dem Vorgänger in Nichts nach und bietet wieder gute Synchronsprecher. Lediglich unser Held bleibt stumm. Unterhaltungen oder Audiologs klingen gewohnt professionell. Hinzu kommt eine dynamische Musikuntermalung sowie passende Surround Effekte. Im ersten Teil hat sich einem bei jedem Besuch der MediBay unweigerlich der Song „Prisoner“ von Stumfol ins Hirn gebrannt. Zusätzlich sorgte der Song dafür, dass man wusste, wenn eine MediBay ist in der Nähe ist. In „The Surge 2“ wurde leider auf einen solch typischen Erkennungssong verzichtet.
Fazit:
„The Surge 2“ wurde groß angekündigt und versprach den sehr guten Vorgänger sogar noch zu toppen. In manchen Punkten, wie beispielsweise dem verbesserten Kampfsystem, trifft das auch zu. Für mich persönlich fühlt sich das Ganze jedoch irgendwie seelenlos an. Das soll nicht heißen, dass „The Surge 2“ ein schlechtes Spiel ist, besonders in Sachen Action-RPG ist es das nämlich nicht. Was mir aber fehlt ist die packende, einzigartige Atmosphäre des Vorgängers. Hatte einen der erste Teil noch, unmittelbar nach dem schockierenden Intro, in einen regelrechten Sci-Fi-Horror-Trip samt toller Story geworfen, so landet man nun in einer postapokalyptischen Splatter-Orgie.
Pro:
– tolles, verschachteltes Leveldesign
– innovatives Kampf- & Lootsystem
– fordernder aber nicht unfairer Schwierigkeitsgrad
– gutes Gameplay
– imposante Bosse
– verbesserte Drohnen
– verbessertes Energiesystem
– Social Features wie Hinweise
Contra:
– belanglose Story
– Grinding
– nachladende Texturen
– Gebiete stellenweise repetitiv und langweilig
(Björn Cuber)
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