Viele seine Filme gehören jetzt nicht zu den kommerziell erfolgreichen Titeln, aber sein wohl bekanntestes und mit Abstand erfolgreichstes Werk, der Film „Drive“ mit Ryan Gosling, genießt schon einen gewissen Kultstatus.
Fakt ist natürlich, Nicolas Winding Reifn hat einen Style, der absolut hollywooduntypisch ist und seine Filme sind alles andere als leichte Kost, und nun hat Amazon bei ihm eine Serie bestellt und ihm komplett freie Hand gelassen. Reifn hat hier nicht nur die erste Staffel produziert, er hat auch für alle Folgen das Drehbuch geschrieben und die Regie geführt.
Nun ist die erste Staffel von „Too Old to Die Young“ auf Amazon Prime erschienen und auch dieses Werk wird definitiv alle spalten.
Story:
Als der Partner von Polizist Martin Jones vor seinen Augen erschossen wird, zwingt ihn ein düsteres Geheimnis, einen Deal mit der Unterwelt zu machen. Bald landet er in einer Welt voller Abschaum und Gewalt, doch seine Sünden drohen mit der Zeit ihn einzuholen.
Wer bisher mit den Filmen von Reifn nichts anfangen konnte, wird auch mit dieser Serie arge Probleme bekommen. Bereits nach wenigen Minuten ist der Reifn Style klar erkennbar. Die Kamera ist sehr ruhig, kaum Schnitte und lange Aufnahmen. Dazu wird immer sehr ruhig und beherrscht gesprochen und nach jedem Satz 5-10 Sekunden Pause, bevor dann ein weiterer Satz gesagt wird. Also oft wird einfach gar nichts gesagt und sie einfach nur angeschaut. Viele Charaktere wirken dadurch auch sehr gefühlskalt und emotionslos.
Zum Bingen eignet sich die Serie überhaupt nicht. Die Folgen bauen zwar aufeinander auf, sind aber auch so gemacht, dass diese wie ein Film für sich stehen können und durch die extrem ruhige Erzählweise und die Ereignisse, die da passieren, muss man die Folgen als Zuschauer etwas sacken lassen, weil sonst die Wirkung flöten geht und es dann schlichtweg langweilig wird.
Inhaltlich sind die Folgen sehr abwechslungsreich und man erkennt unterschiedliche Hommagen, z.B., dass die zweite Folge komplett auf Spanisch mit Untertitel (Folge 6 ist auch zum Großteil auf Spanisch mit Untertiteln) im Grunde eine Zusammenfassung des Paten ist. Oder die fünfte Folge, welche viel an klassische Italowestern erinnert, hier hilft auch die ruhige Kamera sehr, so dass man bei einigen Szenen glaub, man würde einen Sergio Leone Film schauen.
Teilweise geht es fast schon in die Richtung pervers und krank, somit sollte man bei einigen Szenen auch einen starken Magen haben. Zum Glück halten sich, trotz hohem Bodycount, solche Szenen in Grenzen.
Action gibt es auch nicht viel, eine kleine, aber dafür sehr gute Verfolgungsjagd und ein paar sehr kurze Schießereien, das war es dann auch. Vieles ist im Grunde kurz und schmerzlos.
Optisch ist das Ganze sehr hochwertig in Szene gesetzt mit richtig klasse Ausstattung und Kulissen, jedoch kommt nicht immer alles zu Geltung, denn vieles spielt nachts und ist sehr dunkel mit vielen Farbfiltern gefilmt worden, teilweise auch mit flimmernden Lichtern. Dementsprechend ist diese Staffel auch weniger geeignet, um in einem hellen Raum geschaut zu werden, da man dann starke Schwierigkeiten hat, was zu erkennen.
Scoretechnisch ist es auch sehr gewöhnungsbedürftig. Es gibt viel Synthesizer und Klavierspiel, was oft eher merkwürdig wirkt in den Szenen, aber gleichzeitig auch für eine sehr interessante Wirkung sorgt.
Darstellerisch macht der Cast seine Sache aber richtig gut, Miles Teller ist in der Lage, die Serie sehr gut zu tragen, mit einer wirklich sehr guten Ausstrahlung, dazu bietet Christina Rodlo auch eine klasse Femme Fatale und John Hawkes spielt einen sehr souveränen Killer. August Aguilera gibt einen wirklich klasse und perversen Gegenspieler ab. Auch wenn die meisten Charaktere an sich sehr kühl und emotionslos rüberkommen, gibt es auch einige, die Over the Top durch geknallt und wirr sind und für Stirnrunzeln sorgen. Bestes Beispiel ist hier William Baldwin, der nichts Besseres zu tun hat, als in seiner Rolle den Freund der Serientochter mit einem Plüschtiger in der Hand ständig anzuknurren. Etwas, was neben den anderen Figuren auch sehr fehl am Platze wirkt, und leider ist er nicht der einzige Charakte,r der in der Form etwas fehltritt.
Es wäre auch besser, die erste Staffel von „Too Old to Die Young“ bereits nach Folge acht zu beenden, denn dann nimmt es noch mal wirrere Formen an, und fängt ab dann an, kaum noch irgendwelchen Sinn zu ergeben. Cliffhanger gibt es jetzt keinen, so dass auch keine zweite Staffel nötig wäre.
Fazit:
Diese Staffel ist fällt definitiv in den Bereich „Speziell“ oder wieder ein Drogentrip – ob gut oder schlecht, ist schwer zu sagen, Fakt ist, die Staffel ist anders, gewöhnungsbedürftig und stellenweise auch sehr krank. Ich kann diese Serie nicht jedem empfehlen, aber wer mal was anderes schauen will als 08/15 Einheitsbrei, kann die Staffel mal versuchen, doch er sollte darauf gefasst sein, egal was er erwartet, die Serie wird ihn trotzdem noch überraschen und vermutlich auch verwirren, denn so wie es aussieht, weiß nur Reifn selbst, was er mit dieser Serie überhaupt erzählen wollte.
(Pierre Schulte)
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