Am 10. September 2021 kam „Alarm für Cobra 11 Staffel 46“ auf Blu-ray und DVD in den Handel und wir haben für alle Interessierten das Review dazu:
„Alarm für Cobra 11“, die langlebige und vermutlich bekannteste deutsche Film- und Fernsehproduktion, geht mit der 46. Staffel (Zählweise nach DVD-Veröffentlichungen) zu Ende. Zumindest kündigte man ein „vorläufiges“ Ende an, um sich auch alle Türen offen zu halten. So oder so stellt die Absetzung höchstens insofern einen Verlust dar, als die seit 1996 laufende RTL-Actionserie einen gewissen Kultstatus innehat.
Bevor es losgeht, zunächst ein Bekenntnis: Als ich noch jugendlich und anspruchslos war, war ich Fan von „Alarm für Cobra 11“ – einfach, weil mir die Serie Spaß gemacht hat. Das ist aber schon lange vorbei. Dämlich war die Serie ja schon immer, doch zumindest ließ sie sich, nicht zuletzt aufgrund der im Laufe der Zeit immer aufwändiger gewordenen Stunt- und Actionsequenzen, als seichte und oberflächliche Unterhaltung hinnehmen. Die erst letztes Jahr ausgestrahlte Staffel 45 brachte einen radikalen Umschwung, der auch mich, obwohl ich die Serie längst abgeschrieben hatte, nochmal neugierig machte. Abgesehen von Erdoğan Atalay in seiner angestammten Rolle als Kommissar Semir Gerkhan und Gizem Emre als dessen Serientochter Dana Gerkhan, wurde der gesamte Cast ausgewechselt und die zweite Hauptrolle mit Pia Stutzenstein als Kommissarin Vicky Reisinger erstmals weiblich besetzt. Doch nicht nur das, aus der Actionserie wurde viel eher eine Krimiserie mit gelegentlichen Actioneinlagen.
Das wäre für sich genommen noch nicht problematisch gewesen, im Gegenteil hätte diese Neuausrichtung sogar Potenzial gehabt, wenn die neuen Folgen gut oder wenigstens annehmbar gewesen wären. Nicht nur aber legten sie das ermüdende Tempo eines Sonntagabend-Tatorts in der ARD vor, irgendjemand befand es bei RTL offenbar auch für eine gute Idee, einen No-Brainer wie „Alarm für Cobra 11“ fürderhin als Vehikel zur Moralisierung und Sensibilisierung der Zuschauerschaft für schwelende Themen zu verwenden. So behandelten die Folgen unter anderem Themen wie Polizeigewalt, Rassismus oder den Klimawandel. Damit lag man natürlich voll im Zeitgeist und nahm es denn auch in Kauf, sich selbst zu übernehmen.
Wer das Niveau handelsüblicher RTL-Produktionen auch nur vom Durchschalten her kennt, den dürfte es kaum überraschen, dass die neuen Folgen nicht etwa, wie es guten Filmen oder Serien im Hinblick auf bedeutsame und sensible Themen gelingt, an den Intellekt des Zuschauers appellierten. Stattdessen waren sie derart plump angelegt, dass es auch ja beim letzten Zuschauer unmissverständlich ankam, wie man sich politisch korrekt zu geben und zu verhalten hat. Bevor die Serie in den vielleicht ja doch endgültigen, spätestens jetzt jedenfalls mehr als überfälligen Ruhestand entlassen wird, geht sie in Form der Staffel 46 in eine weitere Runde.
Story:
Nach anfänglichen Differenzen sind die Kommissare Semir Gerkhan und Vicky Reisinger nun also zu einem gut funktionierenden Team zusammengewachsen. Man keift sich nicht mehr ohne Unterlass gegenseitig an, sondern hat gelernt, sich zu vertrauen. Da kann man sich doch in Ruhe um all die Verbrechen kümmern, die auf der Autobahn oder in der Nähe derselben begangen werden. So einfach ist dann aber doch nicht alles, immerhin hat Vicky mit den Folgen einer Schussverletzung aus dem vergangenen Staffelfinale zu kämpfen, die ihr noch immer zu schaffen macht. Und auch über Semirs zwielichtigen Ausflug nach Istanbul, wo er seine dort inhaftierte Mutter aus dem Gefängnis geholt hat, ist noch längst nicht alles gesagt…
Eindruck:
Wenn bereits in den ersten fünf Minuten der ersten Folge eine Frau vor dunkler und pseudoatmosphärischer Kulisse mitten auf der Straße steht, in die Leere starrt und im Hintergrund bedeutungsschwer eine zuvor angefahrene Laterne umfällt, wähnt man sich eher in einer Parodie als in einer Serie, die sich selbst ernst nimmt. Zwei grundlegende Dinge zeigen sich dabei gleich zu Beginn: Den Machern liegt die gelungene Inszenierung von Momenten, die stimmungsvoll sein sollen, ebenso wenig wie das Casten fähiger Nebendarsteller – wobei es ohnehin ähnlich realitätsfern wäre, bei „Alarm für Cobra 11“ hochwertige Schauspielkunst zu erwarten, wie in „Fast & Furious“ nach einem tieferen Sinn zu suchen. Nun, immerhin Letzteren versucht Staffel 46 abermals zu vermitteln und stellt erneut unter Beweis, dass die Serie dafür kein Gespür hat. Anstatt tiefsinnige Überlegungen anzustellen, bleibt es bei Aphorismen. So beglückt uns die Staffel mit Lektionen über ein zivilisiertes Miteinander, die uns ansonsten bestimmt nicht bewusst wären: Vergewaltigung ist falsch. Selbstjustiz ist falsch. Selbstjustiz in Folge einer Vergewaltigung ist falsch. Blinder Gehorsam ist falsch, Leistungsdruck ausüben ist falsch, und so weiter. Ja, da können wir schon froh sein, dass es „Alarm für Cobra 11“ und seine profunden Lehren gibt. Anderenfalls würden wir uns gewiss alle wie Tiere benehmen.
Die Drehbücher der einzelnen Folgen verzichten genau dort auf Logik, wo immer dies möglich ist. Dafür liefern sie im Minutentakt hochgeistige Dialogzeilen wie „What the fuck?! Is‘ die Frau wahnsinnig?“, „Hören Sie auf, Scheiße zu labern!“ (später zusätzlich in der Variante: „Was laberst du für ´ne Scheiiiiiße??“) oder auch „Oh fuck, oh shit!“. Und wenn der Verdächtige nicht so aussagt, wie man sich das vorstellt, wird ein brummiges „An Ihrer Stelle würde ich mit uns kooperieren!“ ganz bestimmt Überzeugungsarbeit leisten.
Selbstredend darf bei einer Serie für den nicht ganz so hohen Anspruch eine gehörige Portion kitschiges Beziehungsdrama nicht fehlen. In dieser Hinsicht bietet die Staffel in folgenübergreifenden Handlungssträngen so ziemlich alles, was sich das Seifenoper-Herz erträumen kann. Semir ist immer noch sauer, weil Tochter Dana nach wie vor mit dem ihm als potenziellen Schwiegersohn so gar nicht genehmen Kollegen Max Tauber (Nicolas Wolf) schläft. Dieser setzt seinerseits alles daran, schmutzige Details aus Semirs jüngerer Vergangenheit ans Tageslicht zu bringen. Dabei hat Semir es doch ohnehin schon nicht leicht, weil seine Ehefrau Andrea mit den gemeinsamen Töchtern derzeit in Kopenhagen wohnt, wo ein lukratives Jobangebot in Aussicht ist. Unterdessen hegt Vicky noch total verborgene Gefühle für ihren mehr oder weniger geläuterten Exfreund, den Polizisten Marc Schaffrath (Christopher Patten), und muss sich mit ihm gemeinsam einer Anhörung stellen, die über die berufliche Zukunft der beiden entscheiden wird.
Zwischen all dem Drama wird hin und wieder dann auch noch ermittelt, wobei die Kriminalfälle, die uns die Staffel präsentiert, kaum ein gängiges Klischee auslassen. Wer als erstes verdächtigt wird, ist nicht schuldig, wer besonders betroffen wirkt, ist umso schuldiger. Langweilig, kennt man alles aus zahllosen mittelklasse Krimiserien.
Was die Actionsequenzen angeht, haben diese im Vergleich zur vorherigen Staffel zumindest quantitativ zugenommen, wodurch das Ganze immerhin nicht mehr gar so trocken wirkt. Qualitativ kann jedoch auch hier kaum etwas überzeugen. Aufwändigere und längere Sequenzen sind mit sichtbar viel Tricktechnik und schnellen Schnitten erkauft, in der Summe überwiegen einfallslose Stunts, kurze und schwach choreographierte Fights und handelsübliche Autoverfolgungsjagden. In Bezug auf Letztere ist eine Sache auf interessante, wenngleich mit Sicherheit auch ungewollte Weise bezeichnend: Während früher in der Serie bei den Verfolgungsjagden ein echtes Geschwindigkeitsgefühl aufkam, lässt die Inszenierung es hier stellenweise so wirken, als würden die Autos im Schneckentempo hintereinander herfahren. Theoretisch könnte man dies als kluge und selbstironische Metapher für die Behäbigkeit deuten, welche in die Serie Einzug gehalten hat – es ist jedoch nicht davon auszugehen, dass die Macher von „Alarm für Cobra 11“ tatsächlich derart weiterführende Überlegungen anstellen.
Bild:
In Zeiten, in denen HD schon längst ein alter Hut ist und UHD immer mehr zum Standard avanciert, kann man von einer DVD keine Offenbarung beim Bild erwarten – irgendwo müssen sich die Unterschiede ja bemerkbar machen. Während es aber tatsächlich DVDs gibt, die ein überraschend klares und HD-nahes Bild bieten oder mit entsprechendem Equipment entsprechend hochskaliert werden können, ist das Bild der beiden Discs sehr unscharf geraten. Bei Einstellungen aus der Distanz macht sich das weniger bemerkbar, insbesondere bei Nahaufnahmen von Gesichtern fällt es aber direkt auf, gerade dann, wenn man durchschnittliche HD-Bilder zum Vergleich heranzieht.
Ton:
Der Ton liegt in DD 2.0 vor und ist soweit in Ordnung. Es ist eine deutschsprachige Serie, daher gibt es auch nur die deutsche Tonspur. Untertitel bieten die DVDs keine – da sich die Staffel vorrangig an Muttersprachler richten dürfte, ist das zu verschmerzen, angesichts der oftmals lieblos herausgenuschelten Dialoge wären sie, wenn man sich mit diesen denn genauer befassen wollte, aber nicht die schlechteste Idee gewesen.
Fazit:
Gibt es ansonsten nichts Positives zu Staffel 46 zu sagen? Nun, sie ist geringfügig besser als Staffel 45. Ruft man sich eben jene in Erinnerung, ist jedoch auch das nicht wirklich aussagekräftig. Die – leider nur unter Vorbehalt – finale Staffel der Serie ist schlecht inszeniert, schlecht gespielt, schlecht geschrieben und die Folgen sind größtenteils sterbenslangweilig. Da bleibt eigentlich nur zu hoffen, dass es sich tatsächlich um das letztgültige Aus der Serie handelt und wir uns nicht in einigen Jahren hier zur Review zu „Alarm für Cobra 11 Staffel 47 – Die letzte Staffel, diesmal aber wirklich!“ wieder einfinden müssen.
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(Pascal Weber)
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