Der Überläufer – Blu-ray Review | Pandastorm Pictures | 07.06.2020

Florian Gallenberger verfilmte mit „Der Überläufer“ Siegfried Lenz gleichnamigen Roman, der erst nach dessen Tod im Jahr 2016 veröffentlicht wurde. Lenz schrieb die Geschichte bereits 1951, doch die Verlage weigerten sich damals, diesen aus politischen Gründen zu veröffentlichen. Nach seiner Veröffentlichung im Jahr 2016 führte Lenz Roman fünf Wochen lang die Liste der meistverkauften Bücher an. 2019 entschied man sich, aus dem Stoff einen zweiteiligen Fernsehfilm zu drehen, bei dem Gallenberger nicht nur die Regie übernahm, sondern auch mit Bernd Lange das Drehbuch schrieb. In den Hauptrollen sind Jannis Niewöhner als Walter Proska, Malgorzata Mikołajczak als Wanda und Sebastian Urzendowsky als Wolfgang zu sehen. Die Erstausstrahlung erfolgte am 08. und 10. April 2020 im Ersten. Nun liegt mir die Blu-ray dieser Verfilmung vor und wie mir „Der Überläufer“ gefallen hat, erfahrt ihr wie immer wenn ihr weiterlest.

Story:

Sommer 1944, der junge Wehrmachtssoldat Walter Proska macht sich nach seinem Fronturlaub auf dem Hof seines Schwagers wieder auf den Weg an die Ostfront. In einem Güterzug trifft er auf die Polin Wanda, die ihn vom ersten Moment an verzaubert. Bei einer Kontrolle flieht Wanda, denn sie plante die Sprengung des Zuges, was Walter noch verhindern kann. Doch kurz darauf schaffen es die Partisanen, doch noch den Zug entgleisen zu lassen. Walter wird von einem Späher gefunden und gerettet, dieser führt ihn zu seinem Kommandanten Unteroffizier Wilhelm Stehauf, einem rücksichtslosen Sadisten. Nachdem Walter erneut auf Wanda trifft ändert sich vieles, aber nicht nur die Begegnung mit Wanda lässt ihn an diesem Krieg zweifeln. Sein Freund und Kamerad Wolfgang stellt diesen Krieg schon lange in Frage. Auf einer Patrouille ist Walter gezwungen, einen Partisanenkämpfer zu erschießen. Diese unglücklichen Zufälle und Begegnungen reißen nicht ab, denn der erschossene Partisane war Wandas Bruder. Als die Stellung von Partisanen eingenommen wird, kann Walter flüchten und wird kurz darauf doch von den Russen aufgegriffen. Wochen später entdeckt ihn Wolfgang in einem Kriegsgefangenlager. Da Wolfgang zu den Russen übergelaufen ist, verbürgt er sich für Walter. Er überzeugt Walter davon, von nun an auf der Seite der Russen zu kämpfen, um diesen irrwitzigen Krieg zu beenden. Doch Walter wird auch weiterhin vom Unglück verfolgt, so kommt es zu einem tragischen Tod eines Familienmitglieds. Auch nach Ende des Krieges findet Walter keinen Frieden. So muss er mit ansehen, wie Wolfgang beginnt, seine eigenen Überzeugungen über den Haufen zu werfen und ihn hintergeht. Ebenso erkennt er auch das hinter dem angeblichen Wohlwollen der Russen, einen neuen Staat aufzubauen, ebenfalls viel Scheinheiligkeit steckt. Auch das Versprechen, seine geliebte Wanda zu suchen, stellt sich als Lüge heraus und Walter ist erneut gezwungen, sein Leben zu überdenken und wieder einmal eine schwerwiegende Entscheidung zu treffen. Rund zehn Jahre nach dem Krieg kommt Walter, der sich ein Leben Frau und Kindern aufbaute, immer noch nicht zur Ruhe…

Meinung:

„Der Überläufer“ erzählt die Geschichte des jungen Soldaten Walter Proska und wie er sich versucht, durch die Irrungen und Wirrungen während und nach dem zweiten Weltkrieg zu schlagen. Dabei kommt es zu einigen Begegnungen, die seinen weiteren Lebensweg einschneidend verändern. Was ich dabei überaus erfrischend fand, war der Punkt, dass die Figur Walter Proska nicht dazu benutzt wird, einen heroischen Charakter zu erschaffen. Vielmehr zeigt man einen kleinen Befehlsempfänger, der irgendwie versucht, lebendig durch diesen irrwitzigen Krieg zu kommen. Dennoch sind ihm Mut und Ehrgefühl nicht fremd und er ist durchaus in der Lage, für seine Handeln auch die Verantwortung zu übernehmen. Aber auch er ist gezwungen Geheimnisse, die anderen Schaden oder Trauer zufügen würden zu bewahren. Dabei verfolgt ihn immer die Ungewissheit, ob sein Handeln nun richtig oder falsch ist. So kommt er zu der Erkenntnis, dass man manchmal nicht umhin kommt, Falsches zu tun. Und im Gegensatz zu Friede, Freude, Eierkuchen-Filmen, wird hier auch nicht versucht, das Falsche damit zu tarnen, um etwas richtiges zu bewirken. Hier bleibt eine falsche Tat auch wirklich falsch, egal wie unangenehm sie für den Zuschauer ist. Bei all dem Lob über die Figurenzeichnung, gibt es aber auch Kritik, dazu aber mehr im Fazit.

Neben der Hauptfigur Walter Proska, ist auch noch Rainer Bock („Better Call Saul“) als Wilhelm „Willi“ Stehauf zu sehen, der hier einen ziemlich überzeugenden, menschenverachtenden Sadisten gibt. Auch die Figur des Kameraden Wolfgang dargestellt von Sebastian Urzendowsky, der eine Wandlung durchmacht die mit einer guten Überzeugung beginnt und mit einer Selbstlüge endet, wurde überzeugend dargestellt. Dazu gesellt sich Małgorzata Mikołajczak als geheimnisvolle und undurchsichtige Wanda, der Walter heillos verfällt. Auch diese Figur wurde sehr gut verkörpert, da man fast über die gesamte Spieldauer nicht weiß, ob diese mit Walter nur spielt oder auch ernste Absichten dahinter stecken. Das Setting, die Kostüme und die Effekte sind für einen Fernsehfilm recht hochwertig ausgefallen, auch wenn die ein oder andere CGI-Unterstützung regelrecht ins Auge springt. Dennoch stört das nicht den Verlauf der Geschichte. Auch wenn die Geschichte im zweiten Weltkrieg angesiedelt wurde, verzichtet man glücklicherweise darauf, das Augenmerk allzu sehr auf die Wehrmacht, die Nazis, deren Führer oder sonstiger Personen oder Gegebenheiten dieser Tage zu lenken.

Kommen wir zum Fazit:

Ich muss zugeben, ich wurde von dem TV-Zweiteiler „Der Überläufer“ angenehm überrascht. War ich anfangs noch der Meinung, man würde einen heroischen Überläufer zeigen, der auf irgendeine besondere Art die Wendung des Krieges herbeiführt, so wurde mir die Figur Walter Proska präsentiert und wie er versucht, durch all diese Wirrungen des Krieges mit heiler Haut davon zukommen. Dabei verzichtet man ebenfalls auf all die altbekannten Führer- und Hitlerklischees, was ich ebenfalls sehr erfrischend fand. Man begleitet den Charakter Walter und trifft mit ihm Wegbegleiter, die der Geschichte die entsprechende Wendung verpassen. Dabei wird der Hauptprotagonist nicht unfehlbar oder frei von Schuld dargestellt. Auch er tut Dinge, die er nicht tun will und die ebenfalls nicht entschuldbar sind. Die Nebencharaktere bleiben dabei glaubhaft und deren Handeln stets nachvollziehbar. Dies trifft gegen Ende des Zweiteilers dann aber leider nicht mehr ganz auf Walter zu. Hier setzten die Macher schon fast auf eine Telenovela würdiges Ende, wie man es von einer Daily Soap kennt. Diese fand ich dann doch nicht ganz so glücklich gewählt. Ebenfalls wird nicht nur das eine Gesellschaftssystem an den Pranger und in Frage gestellt, auch das Darauffolgende wird nicht frei von Fehlern gezeigt. Trotz des kleinen Defizits von Walters kopfloser Entscheidung am Ende, kann ich jedem der mal eine Kriegsgeschichte, die im zweiten Weltkrieg spielt und keine heroische, sondern eine menschliche Geschichte erzählt, durchaus empfehlen. Ebenfalls sehr gut empfand ich es, dass nicht nur das herrschende, sondern auch das nachfolgende Regime in Frage gestellt wurde.

Habt ihr den Film gesehen, wie habt ihr ihn empfunden, hat er euch gefallen, bejubelt ihr ihn oder fandet ihr ihn bescheiden, wenn nicht sogar schlecht? Teilt es uns in den Kommentaren mit.

Bild:

Das Bild ist für einen TV-Film recht ordentlich ausgefallen und es gibt nichts groß zu bemängeln. Die Schärfe, Kontraste und Schwarzwerte sind durchwegs ausgewogen und zeigen keinerlei Fehler. Man darf behaupten, dass sich das Bild auf gehobenem Niveau befindet, ohne dabei aber Referenzwerte zu erreichen. Für eine TV-Produktion ist es dennoch mehr als gelungen.

Ton:

Beim Ton bekommt man nur eine PCM 2.0 Tonspur für deutsch geboten. Diese klingt wie man es erwartet womit man keinerlei räumliche Effekte erwarten darf. Dafür sind die Dialoge trotz Kriegsscharmützel immer klar und verständlich, ohne hektisch den Ton nachregeln zu müssen.

Extras:

• Interviews mit der Besetzung
• Making of
• Trailershow

Technische Bewertungen beziehen sich immer auf das Alter und das vorhandene Ausgangsmaterial!

Wie immer möchte ich mich für eure Aufmerksamkeit bedanken und hoffe wir lesen uns bei meinem nächsten Review wieder.

(Marc Maurer)

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