Black 47: Eine düstere Reise durch das hungrige Irland
Black 47, ein irisch-britischer Spielfilm aus dem Jahr 2018, ist mehr als nur ein Kriegsfilm. Er ist eine eindringliche und schmerzhafte Darstellung eines der dunkelsten Kapitel der irischen Geschichte: der großen Hungersnot von 1845 bis 1849. Unter der Regie von Lance Daly entführt uns der Film in eine Zeit des unvorstellbaren Leids, der Ungerechtigkeit und des Überlebenskampfes. Dabei vermeidet er jegliche Beschönigung und konfrontiert den Zuschauer mit der brutalen Realität einer hungernden Bevölkerung, die von der britischen Krone im Stich gelassen wurde.
Der Film ist ein bewegendes Mahnmal für die Opfer der Hungersnot und eine Hommage an den unbezwingbaren Geist des irischen Volkes. Gleichzeitig wirft er wichtige Fragen nach Macht, Kolonialismus und der Verantwortung des Einzelnen in Zeiten der Krise auf.
Die Handlung: Verzweiflung und Rache in einer zerrissenen Welt
Die Geschichte von Black 47 spielt im Jahr 1847, dem Höhepunkt der großen Hungersnot. Während die Kartoffelfäule das Land verwüstet und die Bevölkerung dem Hungertod nahe ist, kehrt Martin Feeney (gespielt von James Frecheville), ein desertierter Soldat der britischen Armee, aus dem Krieg in Afghanistan zurück in seine Heimat Connemara. Er findet eine Welt vor, die er nicht wiedererkennt: Seine Familie ist verhungert, sein Zuhause zerstört. Feeney, einst ein loyaler Diener der Krone, ist nun ein gebrochener Mann, der nur noch von Rache getrieben wird.
Als er Zeuge weiterer Gräueltaten wird, die von korrupten Landbesitzern und skrupellosen britischen Beamten begangen werden, beschließt Feeney, das Gesetz in die eigene Hand zu nehmen. Er beginnt einen blutigen Rachefeldzug gegen diejenigen, die für das Leid seines Volkes verantwortlich sind. Auf seiner Fährte befindet sich Hannah (gespielt von Stephen Rea), ein erfahrener Ermittler der britischen Armee, der einst mit Feeney in Afghanistan gedient hat. Hannah, selbst ein gebrochener Mann mit einer düsteren Vergangenheit, wird beauftragt, Feeney zu stoppen, bevor er noch mehr Unheil anrichtet.
Die Jagd nach Feeney führt Hannah und seine Verbündeten durch die karge und trostlose Landschaft Irlands. Sie treffen auf eine Vielzahl von Charakteren, die alle auf ihre eigene Weise von der Hungersnot gezeichnet sind. Da sind die hungernden Bauern, die verzweifelt um ihr Überleben kämpfen, die korrupten Landbesitzer, die sich an dem Leid anderer bereichern, und die britischen Soldaten, die zwischen Befehl und Gewissen hin- und hergerissen sind.
Während Hannah Feeney immer näher kommt, beginnt er, die Motive des Deserteurs zu verstehen. Er erkennt die Ungerechtigkeit und die Verzweiflung, die Feeney zu seinen Taten treiben. Doch er weiß auch, dass er ihn stoppen muss, um weiteres Blutvergießen zu verhindern. Der Konflikt zwischen den beiden ehemaligen Waffenbrüdern spitzt sich zu einem dramatischen Showdown zu, der die Frage aufwirft, ob Rache jemals eine Lösung sein kann.
Die Charaktere: Gebrochene Seelen in einer gnadenlosen Zeit
Black 47 zeichnet sich durch seine komplexen und vielschichtigen Charaktere aus, die alle auf ihre eigene Weise von den Ereignissen der Hungersnot gezeichnet sind.
- Martin Feeney (James Frecheville): Der Protagonist des Films ist ein innerlich zerrissener Mann, der zwischen seiner Loyalität zur Krone und seiner Liebe zu seinem Volk hin- und hergerissen ist. Seine Desertion und sein Rachefeldzug sind Ausdruck seiner Verzweiflung und seines Schmerzes über den Verlust seiner Familie und seiner Heimat.
- Hannah (Stephen Rea): Der erfahrene Ermittler der britischen Armee ist ein geheimnisvoller Charakter mit einer düsteren Vergangenheit. Er ist ein Mann des Gesetzes, aber er hat auch Mitgefühl für das irische Volk. Seine Jagd nach Feeney wird zu einer Reise der Selbstfindung, auf der er seine eigenen Überzeugungen hinterfragt.
- Pope (Freddie Fox): Der junge und ehrgeizige Offizier der britischen Armee verkörpert die Skrupellosigkeit und Arroganz der Kolonialmacht. Er ist bereit, über Leichen zu gehen, um seine Karriere voranzutreiben.
- Lord Kilmichael (Hugo Weaving): Der britische Landbesitzer ist ein Symbol für die Ungerechtigkeit und Ausbeutung, die das irische Volk während der Hungersnot erleiden musste. Er ist ein kalter und berechnender Mann, der sich an dem Leid anderer bereichert.
Die Thematik: Mehr als nur ein historisches Drama
Black 47 ist mehr als nur ein historisches Drama über die große Hungersnot in Irland. Der Film behandelt eine Vielzahl von wichtigen Themen, die auch heute noch relevant sind.
- Kolonialismus und Unterdrückung: Der Film zeigt auf schonungslose Weise, wie die britische Kolonialmacht das irische Volk unterdrückt und ausbeutet. Die Hungersnot wird als Folge einer Politik der Vernachlässigung und Gleichgültigkeit dargestellt.
- Verantwortung und Schuld: Black 47 wirft die Frage auf, wer für das Leid der irischen Bevölkerung verantwortlich ist. Der Film zeigt, dass es nicht nur die britische Krone war, sondern auch korrupte Landbesitzer und skrupellose Beamte, die sich an dem Leid anderer bereichert haben.
- Rache und Vergebung: Feeneys Rachefeldzug ist ein zentrales Thema des Films. Black 47 stellt die Frage, ob Rache jemals eine Lösung sein kann oder ob sie nur zu noch mehr Gewalt und Leid führt.
- Menschlichkeit und Mitgefühl: Trotz der düsteren Thematik des Films gibt es auch Momente der Menschlichkeit und des Mitgefühls. Die Figuren, die sich gegenseitig helfen und unterstützen, zeigen, dass selbst in den dunkelsten Zeiten Hoffnung und Solidarität möglich sind.
Die Inszenierung: Eine authentische und eindringliche Darstellung
Lance Daly gelingt es in Black 47, eine authentische und eindringliche Darstellung der großen Hungersnot zu schaffen. Der Film ist visuell beeindruckend und fängt die karge und trostlose Landschaft Irlands perfekt ein. Die Kostüme und das Setdesign sind detailgetreu und tragen dazu bei, die Zuschauer in die Zeit des 19. Jahrhunderts zurückzuversetzen. Besonders hervorzuheben ist auch die schauspielerische Leistung des gesamten Ensembles. James Frecheville verkörpert den gebrochenen Martin Feeney mit großer Intensität und Stephen Rea überzeugt als geheimnisvoller und ambivalenter Hannah.
Die Dialoge sind überwiegend in Gälisch und Englisch gehalten, was dem Film eine zusätzliche Authentizität verleiht. Die Musik von Brian Byrne ist düster und melancholisch und unterstreicht die bedrückende Atmosphäre des Films.
Historischer Kontext: Die große Hungersnot in Irland
Um die Bedeutung von Black 47 vollständig zu erfassen, ist es wichtig, den historischen Kontext der großen Hungersnot in Irland zu verstehen. Die Hungersnot, die von 1845 bis 1849 dauerte, war eine der größten Katastrophen in der irischen Geschichte. Sie wurde durch die Kartoffelfäule verursacht, die die wichtigste Nahrungsquelle der irischen Bevölkerung zerstörte.
Die britische Regierung reagierte nur zögerlich und unzureichend auf die Hungersnot. Während Millionen von Iren verhungerten oder auswanderten, exportierten britische Landbesitzer weiterhin Lebensmittel aus Irland. Diese Politik führte zu großem Unmut und Hass gegenüber der britischen Krone.
Die große Hungersnot hatte verheerende Auswirkungen auf die irische Gesellschaft. Sie führte zu einem massiven Bevölkerungsrückgang, zur Zerstörung von Familien und Gemeinschaften und zu einer tiefen Traumatisierung der irischen Bevölkerung. Die Hungersnot trug auch zur Stärkung des irischen Nationalismus bei und bereitete den Boden für den späteren Kampf um die Unabhängigkeit Irlands.
Die Hungersnot forderte schätzungsweise über eine Million Todesopfer. Hinzu kam, dass etwa zwei Millionen Menschen auswanderten, vor allem in die USA, nach Kanada, Australien und Großbritannien. Dies führte zu einer massiven Diaspora, die das irische Volk weltweit verteilte.
Die soziale Struktur Irlands wurde durch die Hungersnot grundlegend verändert. Viele kleine Landbesitzer verloren ihr Land und wurden zu Landarbeitern oder mussten auswandern. Die Macht der Großgrundbesitzer wurde gestärkt, was zu noch größerer Ungleichheit und sozialer Spannung führte.
Die Erinnerung an die Hungersnot ist bis heute tief im kollektiven Gedächtnis des irischen Volkes verankert. Sie ist ein Symbol für die Unterdrückung und Ausbeutung, die Irland im Laufe seiner Geschichte erfahren hat. Black 47 ist ein wichtiger Beitrag zur Aufarbeitung dieser dunklen Vergangenheit und ein Mahnmal für die Opfer der Hungersnot.
Fazit: Ein wichtiger und bewegender Film
Black 47 ist ein wichtiger und bewegender Film, der die Zuschauer lange nach dem Abspann noch beschäftigt. Er ist eine eindringliche Darstellung der großen Hungersnot in Irland und ein Mahnmal für die Opfer dieser Katastrophe. Der Film ist visuell beeindruckend, schauspielerisch hervorragend und thematisch relevant. Er wirft wichtige Fragen nach Macht, Kolonialismus und der Verantwortung des Einzelnen in Zeiten der Krise auf.
Black 47 ist kein einfacher Film. Er ist düster, brutal und schmerzhaft. Aber er ist auch ein wichtiger Film, der dazu beiträgt, die Geschichte Irlands zu verstehen und die Lehren aus der Vergangenheit zu ziehen. Er ist eine Hommage an den unbezwingbaren Geist des irischen Volkes und ein Plädoyer für Menschlichkeit und Mitgefühl in einer Welt, die oft von Gewalt und Ungerechtigkeit geprägt ist.
Für Geschichtsinteressierte und Filmliebhaber gleichermaßen ist „Black 47“ ein absolutes Muss. Der Film ist ein kraftvolles Zeugnis einer dunklen Epoche und regt zum Nachdenken über die menschliche Natur und die Folgen von politischem Versagen an.
