
Ausgerechnet Ryan Murphy und Brad Falchuk, die beiden Schöpfer der Teenie-Musical-Serie „Glee“, kreierten mit „American Horror Story“ eine Fernsehserie, die viel schockierender, angsteinflößender und atmosphärischer war, als viele Horrorfilme der letzten Jahre zusammen. Im deutschen Pay-TV läuft derzeit die vierte Staffel der Serie, während eine fünfte bereits in Auftrag gegeben wurde. Wer nun Angst davor hat, eine neue Serie anzufangen, deren Ende noch nicht absehbar ist, der sei an dieser Stelle beruhigt. Jede Staffel verfolgt eine feste Handlung und ist in sich abgeschlossen, während die folgenden Staffeln eine völlig andere Geschichte erzählen, die nicht das geringste mit der vorangegangenen Staffel gemeinsam hat – mit Ausnahme der Darsteller, die jedoch in völlig anderen Rollen agieren. Anders als beispielsweise bei Breaking Bad ist es hier also möglich, die Staffeln einzeln oder durcheinander anzusehen, oder gar eine Staffel auszulassen. Auf diese Art und Weise bekommt der Zuschauer mit jeder Staffel eine Art überlangen Film zu sehen, der aufgrund der Laufzeit deutlich tiefer in die Substanz eintauchen und den einzelnen Figuren (und der Lokation, die hier eine maßgebliche Rolle spielt) mehr Tiefgang und Charakter verleihen kann. Doch kommen wir nun zunächst zu Staffel 1.
Bereits der verstörende Vorspann, der von seiner Machart an alte Nine Inch Nails Musikvideos erinnert, bringt den Zuschauer in die richtige Stimmung. Die erschreckenden, schnell zusammengeschnittenen Bilder und die morbide Musikuntermalung lassen bereits auf großes hoffen, bevor die Serie überhaupt richtig angefangen hat.

Wie es sich für eine Haunted-House-Story gehört, hat das Haus natürlich eine Vorgeschichte: Das Haus war nämlich nur deswegen so preiswert, weil die beiden Vorbesitzer sich dort im Keller umgebracht haben. Die Hamons stört das nicht sonderlich, doch diese Unbedarftheit wird sich freilich im Laufe der Staffel rächen.
Nicht nur, dass das Haus selbst mit seinen verwinkelten Ecken, dem dunklen und geheimnisvollen Keller (der einige Schrecken birgt – so viel sei schon mal verraten) und den zahlreichen Geheimnissen für Gänsehautstimmung und wohliges Unbehagen sorgt – es sind vor allem die ganzen „Leute“, welche das Haus fast magisch anzuziehen scheint.
An erster Stelle ist da Adalaide (Jamie Brewer), die mongoloide Tochter der mysteriösen Nachbarin Constance (Jessica Lange), die immer wieder in dem Haus auftaucht und sich nur schwer fern halten lässt. Kurz nach dem Einzug der Hamons taucht plötzlich ein Dienstmädchen namens Moira auf, welche behauptet, zu dem Haus dazuzugehören, und darauf pocht, eingestellt zu werden. Während Moira für Vivien wie eine alte Dame – gespielt von Frances Conroy – aussieht, erscheint dieselbe Frau ihrem Mann Ben als rattenscharfer Feger – diesmal gespielt von Alexandra Breckridge – die ihn fast um den Verstand bringt.

Nach und nach werden in jeder Episode weitere Geheimnisse um das „Mörder-Haus“ enthüllt, die Vorbesitzer und deren Schicksal vorgestellt und die Handlung in der Gegenwart dadurch vorangetrieben, beziehungsweise beeinflusst. Dabei macht jedes einzelne Puzzleteilchen die Geschichte noch schrecklicher und spannender. Der Zuschauer merkt jedenfalls sehr schnell, dass es keine gute Idee ist, weiter in dem Haus des Schreckens zu verweilen – ganz im Gegensatz zu dem Hamons, die zwar auch ahnen, dass irgendetwas nicht stimmt (erst recht, nachdem eine Touristentour vor dem Haus Halt macht, und der Führer über die schreckliche Vorgeschichte referiert). Bis zum blutigen Finale ist es noch ein weiter Weg, der mit allerhand Mord und Totschlag gesäumt ist, historische Figuren wie die „Schwarze Dahlie“ Elisabeth Short (Mena Suvari) in die Handlung einbaut und – wie es sich für eine Horrorstory gehört – auch nicht mit Sexszenen spart.
Dabei hebt sich die Serie erfreulicherweise aus dem Groß der üblichen Horror- respektive Gruselserien ab, indem sie völlig auf Humor verzichtet und konsequent ihren Weg geht. Filmisch sieht man ihr ebenfalls nicht an, dass es sich um eine Fernsehserie handelt: Die Schnitttechnik und die gesamte optische Ausrichtung erinnern eher an eine Kinoproduktion, was der Atmosphäre zusätzlich in die Hände spielt. Dabei erinnert alles ein wenig an die klassischen Horrorfilme der 1970er und 1980er Jahre.
Einzig die Zeitsprünge sind es, die für manches Unverständnis sorgen, und der Serie ein paar Punkte in der B-Note kosten. Die Rückblenden in die Vergangenheit des Hauses werden noch mittels eingeblendeter Jahreszahlen erläutert, aber es ist schwer nachzuvollziehen, wie viel Zeit in der Gegenwart verstrichen ist. Da ist die Hauptperson plötzlich schwanger, der Bauch wächst und wächst, und wir fragen uns ernsthaft, wie viel Zeit nun schon vergangen ist, beziehungsweise wie lange die Familie bereits in dem Haus lebt.
Die Darsteller, die teilweise in den folgenden Staffeln in anderen Rollen wieder mit von der Partie sind, können allesamt überzeugen und liefern ein kinoreifes Schauspiel ab.
In den Hauptrollen der Hamons sehen wir Dylan McDermott und Connie Britton, die als amerikanische Durchschnittsfamilie mehr als überzeugen können und in dieser makabren Horrorshow als Identifikationsfiguren fungieren. Dylan McDermott ist dabei der sympathische Part, während seine Seriengattin ein wenig unleidlich rüberkommt, wobei sie aber voll in ihrer Rolle bleibt. Evan Peters macht als Tate eine sehr gute Figur und spielt herrlich geheimnisvoll. Star-Trek-Star Zachary Quinto überzeugt als schwuler Vorbesitzer ebenfalls. Das absolute Highlight dieser ersten Staffel ist allerdings die wundervoll diabolische Jessica Lange, die als mysteriöse Nachbarin jede Szene dominiert, in der sie auftritt, und selbst darüber hinaus. Sie drückt der Staffel – und im Endeffekt der gesamten Serie – ihren unvergleichlichen Stempel auf und wurde für ihre Leistung völlig zu Recht mit dem Emmy für die beste Nebendarstellerin in einer Mini-Serie belohnt. Insgesamt heimste die Staffel 17 Emmies ein.
Bei all der Lobhudelei wollen wir zum Schluss hin aber auch auf ein paar kleine Mankos zu sprechen kommen.

Bildqualität: Die Serie besticht durch eine edle Kinofilm-Optik, die an die klassischen Horrorfilme der 1970er und 1980er Jahre erinnert. Erreicht wurde dies unter anderem dadurch, dass Klassischerweise auf 35mm Zelluloidfilm aufgezeichnet wurde. Dies hat zur Folge, dass ein stetiges Filmkorn sichtbar ist, welches der Serie einen etwas raueren Look verleiht.
Die Schärfe ist in den allermeisten Fällen gut bis sehr gut und offenbart selbst kleinste Details wie Unebenheiten in der Kleidung, Hautporen oder die Struktur der Tapete im Haus. Stilmittelbedingt wird in eine Szene auch auf etwas weichere Bilder gesetzt, was an dieser Stelle ebenso wenig als Manko gewertet wird wie die Tatsache, dass einige Unschärfen aufgrund suboptimaler Fokussierung auftauchen. Die Farbpalette ist ebenfalls stark von den gewählten Stilmitteln abhängig und setzt überwiegend auf matte und trübe Farben, wobei diese zumeist noch recht natürlich bleiben. Der Kontrast ist soweit ebenfalls gut eingestellt, meint es aber zuweilen etwas zu gut mit dem Schwarzwert. Hier kommt es in einigen dunkleren Szenen dazu, dass Details einfach verschluckt werden. In manchen Szenen ist das Bild zudem sehr plastisch und kann auch in diesem Bereich gut Punkten. Alles in allem sieht das fertige Produkt fantastisch aus und sämtliche kleineren Mängel können durchaus als Stilmittel angesehen werden, weshalb sich hier die hohe Bewertung – trotz erwähnter Mankos – rechtfertigen lässt.

Extras: Das Menü ist ähnlich aufgebaut wie der verstörende Vorspann, zeigt in schneller Schnittfolge Bilder aus der Staffel, während das musikalische Titelthema erklingt. Im unteren Bildrand hat man dann die Standard-Auswahlmöglichkeiten die Episoden zu starten, das Sprachmenü oder eben die Extras aufzurufen.
Die zahlreichen Extras der ersten Staffel erlauben einen tiefen Blick hinter die Kulissen der Erfolgsserie. Den Anfang macht ein aussagekräftiger und informativer Audiokommentar mit Ryan Murphy, dem Erfinder, Produzenten und Regisseur der Serie. Zwar erstreckt sich dieser lediglich über die Pilotepisode, steckt dabei aber voller wertvoller Informationen.
Neben diesem Schmankerl werden noch einige weitere Geheimnisse gelüftet. Das erste Feature trägt den Titel „Das Mörderhaus – Die Eternal Darkness Tour am Set von American Horror Story“ und dauert knappe sieben Minuten. Hierin wird dem Zuschauer eine Art Führung durch den Schauplatz der Handlung geboten, der die wichtigsten Orte und deren unheilvolle Geschichte beleuchtet. Ein wahres Fundstück für alle, die gerne die in der Serie präsentierte Mörder-Haus-Tour mitgemacht hätten, und dabei noch sehr viel tiefer geht, als die Tour in der Episode selbst.
In dem rund 25-minütigen „Making Of American Horror Story“ erfährt der geneigte Zuschauer einiges über die Serie selbst und bekommt die passenden Antworten, die der Audiokommentar nicht zur Zufriedenheit klären konnte. Besonders interessant ist auch „Die Entstehung der Titel-Sequenz“, in welchem in rund neun Minuten die verstörenden Bilder des Nine-Inch-Nails-Artigen Vorspanns entschlüsselt werden.
Wer mehr über die Geister erfahren will, kann dies in dem viertelstündigen Beitrag „Die Haus-Geister in American Horror Story“, in welchem eben diese portraitiert werden und auch deren Darsteller zu Wort kommen.
Über die Verpackung und ein etwaiges Wendecover kann an dieser Stelle keine adäquate Auskunft gegeben werden, da uns lediglich ein Pressemuster zur Verfügung gestellt wurde.
Fazit: Die erste Staffel der „American Horror Story“ besticht mit einem feinen, aber etwas rauen Kino-Look. Die Farben sind gewollt ein wenig trüb, der Schwarzwert stellenweise etwas zu dominant und das unvermeidliche Filmkorn ist stets dezent präsent. Allerdings trägt all das dazu bei, dass hier ein unglaublich intensives Filmerlebnis entsteht, welches den Zuschauer schnell vergessen lässt, dass er gerade „nur“ eine Fernsehserie sieht. Unterstrichen wird das Ganze von einem gut abgemischten deutschen Ton, der mit punktgenauen Subwoofereinsätzen und wohlplatzierten Soundeffekten dem Zuschauer die Angst in die Knochen schießen lässt. Das Bonusmaterial ist informativ und kurzweilig, erlaubt einen tieferen Blick in die Serie und intensiviert das Erlebnis dadurch.
Die erste Staffel erzählt eine typische Haunted-House-Story, die aufgrund eines gut durchdachten Plots, genialer Darsteller und guter Kameraarbeit mehr Angst zu machen versteht, als die meisten Horrorfilme der letzten Jahre. Die Staffel ist in sich abgeschlossen und auch wenn das Ende nicht ganz überzeugen kann, gehört das hier vorliegende Programm zum Besten und intensivsten Horrorerlebnis, das derzeit auf dem Seriensektor zu finden ist. Für Fans von Filmen wie Poltergeist, Conjuring, Sinister und Co. ist diese erste Staffel der Erfolgsserie unbedingt als Pflichtprogramm anzusehen.
(Michael Speier)
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