Ich will dich – Begegnungen mit Hilde Domin: Eine Hommage an die Dichterin der Hoffnung
„Ich will dich“ – schon der Titel dieser Dokumentation verspricht eine intensive Auseinandersetzung mit einer außergewöhnlichen Frau: Hilde Domin. Der Film von Anna Ditges ist weit mehr als eine bloße Biografie; er ist eine einfühlsame Reise in die Welt der Dichterin, eine Begegnung mit ihrer Weisheit, ihrer Verletzlichkeit und ihrem unerschütterlichen Glauben an die Kraft der Sprache.
Hilde Domin, geboren 1909 in Köln als Hilde Palm, war eine der bedeutendsten Lyrikerinnen der deutschen Nachkriegszeit. Ihr Leben war geprägt von Flucht, Exil und der tiefen Auseinandersetzung mit den Schrecken des 20. Jahrhunderts. Doch aus all dem Leid schöpfte sie die Kraft für ihre Gedichte, die von Hoffnung, Liebe und der unbedingten Notwendigkeit des Erinnerns zeugen.
Ein Leben im Exil: Die Suche nach Heimat und Identität
Der Film zeichnet in bewegenden Bildern die Stationen ihres Lebens nach. Wir begleiten Hilde Domin von ihrer Kindheit im bürgerlichen Köln über ihr Studium der Rechtswissenschaften und Nationalökonomie bis hin zur erzwungenen Emigration vor den Nationalsozialisten. Zusammen mit ihrem Mann, dem Kunsthistoriker Erwin Walter Palm, flieht sie nach Italien, später in die Dominikanische Republik – ein Wendepunkt, der ihren Künstlernamen prägt: Domin.
Die Jahre im Exil sind geprägt von Unsicherheit, Entwurzelung und der ständigen Angst um das Leben der Verbliebenen in Europa. Doch gerade in dieser Zeit der Isolation findet Hilde Domin zu ihrer eigenen Stimme. Sie beginnt, Gedichte zu schreiben, die von der Sehnsucht nach Heimat, der Verarbeitung des Erlebten und der Hoffnung auf eine bessere Zukunft erzählen. Die Dokumentation lässt Zeitzeugen zu Wort kommen, die Hilde Domin in dieser prägenden Zeit begleitet haben und ihre Entwicklung als Dichterin hautnah miterlebten.
Dabei wird deutlich, wie sehr Hilde Domin unter der Trennung von ihrer Familie und ihrer Muttersprache litt. Das Exil war nicht nur ein geografischer, sondern auch ein seelischer Zustand. Die ständige Suche nach einem Ort, an dem sie sich zu Hause fühlen konnte, prägte ihr Leben und ihre Dichtung.
Die späte Berufung: Lyrik als Überlebensstrategie
Erst im Alter von über 50 Jahren veröffentlichte Hilde Domin ihren ersten Gedichtband „Nur eine Rose als Stütze“. Der Erfolg war überwältigend. Ihre Gedichte trafen einen Nerv, berührten die Menschen in ihrer tiefsten Seele und gaben ihnen Trost und Hoffnung in einer Zeit des Umbruchs und der Verunsicherung.
Die Dokumentation beleuchtet diesen späten Durchbruch auf eindrucksvolle Weise. Sie zeigt, wie Hilde Domin ihre Lyrik als eine Art Überlebensstrategie nutzte, um das Erlebte zu verarbeiten und sich selbst zu vergewissern. Ihre Gedichte sind nicht nur Ausdruck persönlicher Erfahrungen, sondern auch ein Spiegel der Zeitgeschichte. Sie thematisieren Krieg, Verfolgung, Exil und die Frage nach der menschlichen Verantwortung.
Dabei war es Hilde Domin stets wichtig, nicht nur die Schrecken der Vergangenheit zu beklagen, sondern auch die Möglichkeit einer besseren Zukunft aufzuzeigen. Ihre Gedichte sind geprägt von einem unerschütterlichen Glauben an die Kraft der Liebe, der Menschlichkeit und der Versöhnung. Sie forderte ihre Leser auf, Verantwortung zu übernehmen, sich für eine gerechtere Welt einzusetzen und niemals die Hoffnung aufzugeben.
Begegnungen mit der Dichterin: Ein intimes Porträt
„Ich will dich“ ist aber nicht nur eine Biografie, sondern vor allem ein intimes Porträt der Dichterin. Anna Ditges hat zahlreiche Interviews mit Hilde Domin geführt und dabei ein beeindruckendes Archiv an Filmmaterial geschaffen. Diese Aufnahmen sind das Herzstück der Dokumentation. Sie zeigen Hilde Domin als eine warmherzige, humorvolle und kluge Frau, die trotz aller Widrigkeiten ihren Lebensmut bewahrt hat.
In den Gesprächen mit Anna Ditges öffnet sich Hilde Domin auf berührende Weise und spricht über ihre Ängste, ihre Träume und ihre Überzeugungen. Sie erzählt von ihrer Liebe zu ihrem Mann, von ihrer Leidenschaft für die Literatur und von ihrer tiefen Verbundenheit zur Natur. Dabei wird deutlich, wie sehr Hilde Domin von dem Wunsch getrieben wurde, die Welt ein Stückchen besser zu machen.
Die Dokumentation zeigt auch, wie Hilde Domin mit ihrer Popularität umging. Sie genoss die Anerkennung, die ihr zuteil wurde, nutzte ihre Stimme aber auch, um sich für Menschenrechte, Frieden und Toleranz einzusetzen. Sie war eine streitbare Intellektuelle, die sich nicht scheute, ihre Meinung zu äußern und sich für ihre Überzeugungen einzusetzen.
Die Kraft der Sprache: Hilde Domin als Mahnerin und Mutmacherin
Ein zentrales Thema der Dokumentation ist die Bedeutung der Sprache für Hilde Domin. Sie betrachtete die Sprache als ein Werkzeug, um die Welt zu verstehen, das Erlebte zu verarbeiten und die Menschen miteinander zu verbinden. Ihre Gedichte sind geprägt von einer klaren, einfachen Sprache, die dennoch eine große emotionale Tiefe besitzt.
Der Film zeigt, wie Hilde Domin die Sprache nutzte, um die Schrecken des Krieges und der Verfolgung zu thematisieren, aber auch, um die Schönheit der Natur und die Kraft der Liebe zu preisen. Ihre Gedichte sind Mahnung und Mutmacher zugleich. Sie erinnern uns daran, was in der Vergangenheit geschehen ist, und geben uns gleichzeitig die Hoffnung, dass es in Zukunft besser werden kann.
Die Dokumentation präsentiert eine Auswahl ihrer bekanntesten Gedichte, die von Schauspielern wie Martina Gedeck und Walter Sittler eindrucksvoll interpretiert werden. Die Rezitationen werden durch Archivaufnahmen und Landschaftsbilder ergänzt, wodurch eine dichte Atmosphäre entsteht, die den Zuschauer in die Welt von Hilde Domin eintauchen lässt.
Hilde Domin heute: Ein Vermächtnis für die Zukunft
Hilde Domin starb im Jahr 2006 im Alter von 96 Jahren in Heidelberg. Ihr Werk lebt jedoch weiter und inspiriert auch heute noch Menschen auf der ganzen Welt. Ihre Gedichte sind in zahlreiche Sprachen übersetzt worden und werden in Schulen und Universitäten gelesen.
Die Dokumentation „Ich will dich – Begegnungen mit Hilde Domin“ ist ein wichtiger Beitrag zur Bewahrung des Andenkens an diese außergewöhnliche Frau. Der Film erinnert uns daran, wie wichtig es ist, die Vergangenheit nicht zu vergessen, die Stimme zu erheben und sich für eine bessere Welt einzusetzen. Er ist eine Hommage an die Kraft der Sprache, die Fähigkeit zur Empathie und den unerschütterlichen Glauben an die Menschlichkeit.
Filmische Gestaltung und technische Aspekte
Anna Ditges hat einen Film geschaffen, der durch seine sensible und respektvolle Herangehensweise besticht. Die Kameraführung ist ruhig und unaufdringlich, die Montage präzise und stimmungsvoll. Die Musik unterstreicht die emotionale Wirkung der Bilder und Texte, ohne sich in den Vordergrund zu drängen.
Die Kombination aus Archivaufnahmen, Interviews, Gedichtrezitationen und Landschaftsbildern ergibt ein vielschichtiges und lebendiges Porträt der Dichterin. Der Film ist sowohl informativ als auch berührend und regt zum Nachdenken an.
Fazit: Ein Film, der berührt und inspiriert
„Ich will dich – Begegnungen mit Hilde Domin“ ist ein Film, der lange nachwirkt. Er ist eine Hommage an eine außergewöhnliche Frau, eine Auseinandersetzung mit den großen Fragen des Lebens und eine Mahnung, die Hoffnung niemals aufzugeben. Ein Film, der berührt, inspiriert und zum Nachdenken anregt.