Das PS4-Spiel „Ghost of Tsushima“ ist bereits im Handel erhältlich und hier gibt es das ausführliche Review dazu.
Nachdem 1997 Co-Founder Chris Zimmerman gegen den Rat seiner Frau, sein neugegründetes Entwicklerstudio trotzdem Sucker Punch nannte, ging es für die sechs kreativen ehemaligen Microsoft-Mitarbeiter gemächlich aber beständig bergauf. Vom kleineren Titel für das N64, über einen Exklusivvertrag mit Sony und der daraus resultierenden „Sly Cooper“-Reihe, zur stetig raffinierteren „inFAMOUS“-Serie. Was Sucker Punch noch fehlte war der Sprung ins AAA Gefilde. Dieser ist nun, am 17.07.20, mit dem schon vorher in epischen Trailern angekündigten Samurai Epos, „Ghost of Tsushima“, welches exklusiv für die PS4 erhältlich ist, geglückt.
Wie gut der Sprung in die Königsklasse gelungen ist, schauen wir uns doch einmal an.
Eventuell sollten wir für das Review, etwas japanische Geschichte und auch Kultur nahebringen. Zum Höhepunkt des feudalen Japans, lag die politische Macht beim Shogun, einer Art Militärdiktator, der unter sich die Samurai Fürsten vereint. Frei nach dem Prinzip, die stärkste Armee regiert das Land. Unter der Führung des Shogunes stieg das Ansehen der Samurai, ihre Macht und ihr Reichtum. Ein Samurai zu sein bedeutet aber nicht nur Ritter des feudalen Japans zu sein und aus einem der Clans zu stammen, nein, ein Samurai zu sein, zeichnet die sieben Tugenden des Bushido, den Weg des Kriegers und die Lebensphilosophie dahinter aus.
- Gi: Aufrichtigkeit, Gerechtigkeit, Rechtlichkeit
- Yu: Mut
- Jin: Menschlichkeit
- Rei: Einhaltung der Etikette
- Makoto: Wahrheit, Wahrhaftigkeit
- Meiyo: Ehre
- Chugi: Loyalität, Pflichtbewusstsein, Treue
Zudem waren die Samurai im Schwertkampf, Bogenschießen und verschiedenen unbewaffneten Kampftechniken unterwiesen, waren nicht gottesfremd und beherrschten Lesen und Schreiben. Sprich die kriegerische Elite Japans.
Auch Tsushima ist eine wirklich existierende Insel im Südosten Japans und liegt zwischen der koreanischen Halbinsel und der japanischen Hauptinsel, ein mitunter strategischer Punkt für Handel und Militär in Verbindung mit dem zentralasiatischen Festland. Es ist also nicht verwunderlich, dass Tsushima 1274 erstes Ziel des mongolischen Großreiches beim Angriff auf Japan war. Die Masse der Invasoren, deren aus China und Zentralasien stammenden neuen Feuerwaffen, ihrer pur brutalen und absolut im Kontrast zum ehrenvollen Mann gegen Mann Kampf der Samurai stehenden Art, waren die Japaner Tsushimas absolut unterlegen und wurden in Windeseile überrannt. Im November 1274 kam es zu einem starken Taifun. Einem so mächtigen Sturm, welcher Großteile der Verstärkung und der Flotte der Mongolen im Meer zerschellen ließ. Die Ermangelung an Verstärkung, dem Abschnitt der Versorgung sowie der mittlerweile auf den Feind angepassten Samurai waren die Mongolen im Feindland gefangen und mussten sich geschlagen geben.
Ein späterer Invasionsversuch der Mongolen scheiterte erneut an einem Taifun, dem göttlichen Sturm „Kamikaze“
Nun zur Story von „Ghost of Tsushima“. Direkt zu Beginn kann unser Protagonist und Samurai „Jin Sakai“ Zeuge der Rücksichtslosigkeit der Mongolen werden, als bei einem „Verhandlungsgespräch“ der Schwertkampfmeister „Fürst Adachi“ bei lebendigem Leibe verbrannt wird. Die Schlacht an der Küste Komodas endet mit verheerender Niederlage für die Japaner, Samurai Oberhaupt „Fürst Shimura“ wird gefangen genommen und Jin bleibt regungslos zurück. Nachdem Jin wieder zum Bewusstsein kommt, gesundgepflegt von der Diebin Yuna, realisiert er schnell, dass die Lage, in der sie sich befinden, mit den Lehren des Bushido nicht zu lösen ist. Es liegt nun an Jin und uns, am Gamepad, mit den Traditionen der Samurai zu brechen, unsere Ehre für ein größeres Ziel zu opfern und mit neuen Wegen und Fähigkeiten als „Ghost of Tsushima“ zurückzuschlagen, unsere Heimat und Fürst Shimura zu befreien.
Hierzu stehen uns vor allem unser Sakai-Schwert aber auch Bögen, ein Pferd sowie einige unehrenhafte Waffen wie Wurfmesser oder Haftbomben zur Verfügung. Verschiedene sehr detailreich ausgearbeitete, freischaltbare Rüstungen mit verschiedenen Attributen, sorgen für den passenden Schutz zur Situation, in die wir Jin hineinmanövrieren.
Natürlich lassen sich Waffen und Rüstungen mit überall in der freien Welt auffindbaren Ressourcen verbessern. Durch das Retten von hilflosen Einwohnern, dem Abschließen von Haupt- und Nebenquests, lassen sich Erfahrungspunkte gewinnen und unsere Legende ausweiten. Mittels Skillpunkten lassen sich Fähigkeiten der Samurai-Kampfkunst, sowie schon aus „Nioh“ bekannten Stellungen aber auch hinterlistige Schleichmanöver und Ninja-Skills erwerben. Durch das Erweitern der Legende sowie der damit in Verbindung stehenden Skillpunkte, als auch dem Abgrasen von Shinto-Schreinen, Bambustrainingsständen oder Fuchsbauten, ist man schnell in der Lage wie ein Sturm über seine mongolischen feinde zu ziehen, ohne dass sie überhaupt erahnen, was ihnen blüht. Die Brutalität, die hier an den Tag gelegt wird ist nicht für jeden, aber durchaus realistisch, so dass wir gerne den Spieltitel in „Ghost of Sushimacher“ umtauften.
Grafisch ist an „Ghost of Tsushima“ nichts zu verbessern, eindrucksvoll habe ich oft den Übergang von Cutscene zu Gameplay verpasst. Die Menge an Details in der Umgebung, die durch den Wind aufgewirbelten Pollen der Steppengräser, die Glühwürmchen bei Nacht, die Vögel und Tiere in den Wäldern. Einfach eindrucksvoll und toll gemacht, besonders in HDR. Schade, dass die PS4 kein Raytracing unterstützt. Aber auch ohne, ein absoluter Grafikp*rno, welcher die PS4 gut und gerne in einen Kampfjet beim Starten verwandelt. Das I-Tüpfelchen ist da nur der einstellbare „Kurosawa-Modus“, der das Ganze mit Sepia und Filmflimmern in einen Japan-Western der späten 50er Jahre verwandelt.
Auch der Sound ist absolut gelungen, die deutsche Vertonung klingt solide und steht dem japanischen Originalton mit Untertiteln nur atmosphärisch nach. Musik zu Kämpfen und auch um Spannung aufzubauen, ist immer absolut genial. Aber auch die Laute der Vögel oder die traurige Flötenmusik aus der Ferne, erzielen in ruhigen Momenten die gewünschte Atmosphäre.
Gerade der geschichtliche Hintergrund und die Einarbeitung der fiktiven Spielelemente, wie zum Beispiel ein aufziehender Sturm zur Orientierung auf der gigantischen Karte, sind sehr gut gelungen und könnten Ubisoft bei ihren kommenden „Assassins Creed-Teilen“ als Beispiel dienen.
Fazit:
Wer sich immer ein Assassins Creed im Japan-Setting gewünscht hat, hier ist es! Bei „Ghost of Tsushima“ von Sucker Punch kommen nicht nur Japanfans auf ihre Kosten. Aufgetrumpft wird hier mit einer atemberaubenden, riesigen Karte, einem auf den Spielstil anpassbares Gameplay, super ausgearbeiteten Haupt- und Nebenmissionen sowie einer krassen grafischen Leistung.
Mit einem geschichtlichen Hintergrund, eindrucksvollem Detailreichtum und einem passenden Maß aus Gewalt und Kurosawa-Samurairomantik, fesselt uns „Ghost of Tsushima“ für eine unglaublich lange Spielzeit ohne Langeweile vor der PS4. Ein absoluter Top-Titel und ein gelungener Sprung ins Tripple-A-Segment für das Entwicklerstudio Sucker Punch.
Pro:
- grafisch und technisch auf der PS4 kaum zu übertreffen
- Story mit Anlehnung an geschichtliche Ereignisse.
- gewaltige offene Welt
- Kurosawa-Samurai-Romantik
Contra:
- Spielcharakter wird auf die Schnelle sehr mächtig
- sehr brutale Darstellungen und viel Blut
- enorme Spielzeit könnte abschreckend sein
- blinde KI
(Bastian Avermann)
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